Filtern Sie im Bereich "Themen"

Thema
  • Gemeinwohl und Verantwortung
  • Demokratie und Engagement
  • Nachhaltige Entwicklung
  • Vielfalt und Integration
  • Kommunikation und Kultur
  • Stadtentwicklung und Wohnen
  • Demographie und Strukturwandel

Zur Filterung muss mindestens ein Thema ausgewählt sein.

Fokus
Zeitraum
Was bewegt Sie?

Sie haben offene Fragen? Anregungen? Ideen?

Wir kommen gerne mit Ihnen ins Gespräch. Bitte hinterlassen Sie das, was Sie bewegt, im Schader-Dialog.

Global Challenges: Chancen und Formate für interdisziplinäre Lehre

Artikel vom 20.12.2019

Im Jahr 2018 wurden die Interdisziplinären Studienschwerpunkte der Technischen Universität Darmstadt mit dem „Athene-Preis für gute Lehre“ ausgezeichnet. Aus diesem Anlass würdigte die Präsidentin der Technischen Universität, Tanja Brühl, die iSp sowie die disziplinenübergreifende Kooperation mit der Schader-Stiftung.

Interdisziplinäre Studienschwerpunkte (iSp) – Grußwort der Präsidentin

Sehr geehrter, lieber Herr Gemeinhardt, sehr geehrte, liebe Frau Staatsministerin a. D. Wolff, liebe Kolleginnen und Kollegen, insbesondere natürlich liebe Liselotte Schebek, lieber Alfred Nordmann, lieber Jens Steffek, sowie lieber Ralph Bruder, der Du das Präsidium der TU heute repräsentierst, sehr geehrte Damen und Herren,  

ich bin nun in Woche acht meiner Tätigkeit als Präsidentin der TU Darmstadt. Sie mögen mir verzeihen, wenn ich an der einen oder anderen Stelle noch voller Stolz Dinge über meine Hochschule sage, ohne rot zu werden. Es ist kein Eigenlob, sondern drückt meine Anerkennung für Geleistetes aus. Das trifft insbesondere für die Personen und Projekte zu, die heute im Mittelpunkt stehen. Im vergangenen Jahr wurden die interdisziplinären Studienschwerpunkte mit dem „Athene-Preis für gute Lehre“ ausgezeichnet. Das ist eine hohe Auszeichnung. Zugleich ist es insofern eine überraschende Auszeichnung, als ein schon seit 15 Jahren bestehendes Projekt einen Preis erhielt. Als Präsidentin kann ich sagen: Ich bin begeistert davon – und das ist dann ja kein Selbstlob – dass wir etwas ehren, auch wenn es ein schon lange existierendes Projekt ist.

Darüber hinaus bin ich sehr dankbar, dass der heutige Abend ein „Kennlernabend“ ist. Denn in der Tat ist es das erste Mal, dass ich bei Ihnen im Schader-Forum sein kann. Darüber freue ich mich sehr. Lieber Herr Gemeinhardt, wir haben am Rande von anderen Terminen bereits die Gelegenheit gehabt, uns auszutauschen. Sehr gerne werde ich die Tradition der engen Zusammenarbeit zwischen der TU Darmstadt und der Schader-Stiftung fortführen, sie vielleicht sogar vertiefen. Auch vor dem Hintergrund, dass gesellschaftliche Fragen für uns als technische Universität immer sehr wichtige Fragen sind.

Damit komme ich zum Thema des heutigen Abends: Den Chancen und Formaten für interdisziplinäre Lehre. Wenn ich sage „Interdisziplinarität ist heute wichtiger denn je“, dann trage ich hier in diesem Raum Eulen nach Athen. Im Programmflyer ist sehr schön formuliert, warum wir Interdisziplinarität brauchen. Es geht um die Erarbeitung von umfassenden Lösungsansätzen im Kontext einer Nachhaltigen Entwicklung. Dabei müssen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch über Grenzen von Disziplinen hinaus zusammenarbeiten. Es geht an der Stelle nicht nur um die nachhaltige Entwicklung im engeren Sinne. Es geht darum, wie wir Zukunft durch friedliche und kooperative Zusammenarbeit gestalten können.

In den Gesprächsrunden heute haben wir die Möglichkeit, über Grenzen hinweg zu denken. Und das ist, finde ich, sehr wertvoll und wichtig. Warum? Die Antwort hat zwei Dimensionen, eine davon ist eine sehr persönliche. Der Eine oder die Andere im Raum weiß, dass ich selbst als Wissenschaftlerin bereits interdisziplinär gearbeitet habe. Daher weiß ich, wie schwierig es ist, eine gemeinsame Sprache zu finden. Ich habe unter anderem zur internationalen Umweltpolitik geforscht. Und da ich selbst Biologie und Politikwissenschaft studiert habe, weiß ich, dass es eine Herausforderung ist, eine naturwissenschaftliche und eine sozialwissenschaftliche Denkweise zusammenzubringen, Fragestellungen und vor allem Methoden zu entwickeln, auf die man sich einigen kann. Auch mein anderer Forschungsbereich, die Friedensforschung, ist ein interdisziplinärer Gegenstand, in dem sich rechtswissenschaftliche, politikwissenschaftliche, psychologische und viele andere Fragen vereinen. Vor diesem persönlichen Hintergrund ist mir wichtig festzuhalten: Forschung, genau wie Lehre, über die wir heute vor allen Dingen sprechen wollen, ist nur dann wirklich auf Dauer innovativ, wenn sie immer wieder Grenzen überschreitet.

Das haben wir an der TU Darmstadt dadurch verankert, dass wir in der Forschung sechs Profilbereiche gebildet haben, die allesamt interdisziplinär angelegt sind. Abgeleitet aus dem Grundgedanken, dass innovative Forschung an disziplinären Grenzen nicht haltmacht, sich stattdessen vom Thema aus leiten lässt. Dann spielt es keine Rolle, ob aus einer physikalischen, chemischen oder materialwissenschaftlichen Perspektive auf eine Fragestellung geschaut wird. Auch die Brückenprofessuren, die wir an der TU Darmstadt haben, sind ein Ausdruck davon, dass wir das Überwinden disziplinärer Grenzen ernst meinen. Brückenprofessuren sind zwischen zwei Bereichen angelegt, die früher einmal getrennt waren.

Die Hochschulrektorenkonferenz hat im Projekt Nexus, das sich mit Lehre beschäftigt, 2019 in einer Studie1 drei Fähigkeiten benannt, die besonders wichtig sind, wenn es um Interdisziplinarität geht. Erstens die Teamfähigkeit. Teamfähigkeit ist gemeint als die Kompetenz, überhaupt mit anderen Menschen zusammenarbeiten zu können. Die zweite Kompetenz ist, das interdisziplinäre Wissen auf verschiedene Situationen anwenden zu können. Drittens, und das ist ein Punkt, der mir besonders wichtig ist, gehört es dazu, sich selbst zu reflektieren. In dem Moment, in dem ich mich einer Fragestellung aus einer bestimmten Disziplinherkunft widme, lerne ich, wie andere Disziplinen damit umgehen, lerne zu reflektieren. Warum denke ich denn so, wie ich denke? Warum ist das mein Forschungsansatz und wie könnte ein anderer Forschungsansatz gegebenenfalls aussehen? Teamfähigkeit, das Übertragen interdisziplinären Wissens und Selbstreflexion sind voraussetzungsvoll für die Lehrenden wie für die Studierenden und deswegen ein großer Kraftakt. Ich freue mich, dass dieser Kraftakt – die Interdisziplinären Studienschwerpunkten - und die Personen, die exemplarisch dafür stehen, letztes Jahr mit dem Athene-Preis ausgezeichnet und gewürdigt wurde. Sie stehen dafür, dass es möglich ist, Perspektivwechsel zu initiieren. Perspektivwechsel, die in einer immer komplexeren Welt immer wichtiger werden. Zwar gibt es immer wieder Versuche Einzelner, mit ganz einfachen Antworten auf die komplexen Fragen der Welt zu antworten. Ich widerspreche diesem Ansatz explizit und gehe davon aus, dass die richtige Antwort auf Komplexität ist, erstens Komplexität auszuhalten und zweitens konstruktiv damit umgehen. Dabei können gegebenenfalls auch schwierige, differenzierte Antworten gegeben werden.

Interdisziplinäre Forschung und Lehre eröffnen uns laut der Hochschulrektorenkonferenz – und das fand ich ein sehr schönes Bild - einen 360-Grad-Blick, einmal rundum. 360 Grad, das hilft einerseits bei der Orientierung, damit man weiß, wo man im Raum steht. Der 360-Grad-Blick kann natürlich, wenn man sich zu schnell dreht, auch zu einem Schwindelgefühl führen. Allerdings schaffen es die interdisziplinären Studienschwerpunkte wunderbar, den Schwindel zu vermeiden. Sie schaffen eine Orientierung für junge Menschen.

Nun habe ich eine Studie von 2019 zitiert. Wir sehen, dass das Thema interdisziplinäre Lehre inzwischen bei der Hochschulrektorenkonferenz angekommen ist. Aber wir hier in Darmstadt können sagen – und ich wie gesagt noch ohne rot zu werden: Bei uns gibt es das schon viel länger. Die Studienschwerpunkte gibt es seit 15 Jahren. Darüber hinaus hat die TU Darmstadt in ihren Grundsätzen für Studium und Lehre im Jahr 2009 festgelegt, dass Interdisziplinarität in der Lehre ein hoher Stellenwert zukommt. Es gibt die Zielrichtung, eine „Kultur der Offenheit zu praktizieren“, dahinter steckt die Offenheit gegenüber anderen Fachdisziplinen. Die ISP-Projekte, die Projektwochen, all das trägt dazu bei, dass Studierende über den eigenen Tellerrand hinausblicken können.

Und Sie als Verantwortliche, Frau Schebek, Herr Nordmann, Herr Steffek, setzen sich dafür ein, dass die Studierenden diese Möglichkeit haben. Hierfür möchte ich mich ganz herzlich bedanken. Insbesondere für die große Koordinationsleistung, die Sie erbracht haben. Sie tragen damit auch zur Arbeitsmarktbefähigung unserer Absolventinnen und Absolventen bei. Es geht um wichtige Fähigkeiten in der immer komplexeren Arbeitswelt. Vor allem in der Generation meiner Eltern war es der Fall, dass man einen Beruf erlernte und ihn bis zum Ende verfolgte. Das ist heute anders. Der Arbeitsmarkt verändert sich. Und gerade bei kurzfristigen Tätigkeiten ist die Fähigkeit, verschiedene Perspektiven einzunehmen, das Gelernte auf neue Situationen anzuwenden und Selbstreflexion zu betreiben, entscheidend. Dies möchten wir unseren Studierenden neben der Fachkompetenz mitgeben.

Dazu leisten die Studienschwerpunkte einen großen Beitrag, dazu leistet aber, lieber Gemeinhardt, auch die Schader-Stiftung einen wichtigen Beitrag. Und das tut sie dadurch, dass sie der Stadtgesellschaft in Darmstadt immer wieder einen Ort bietet, an dem man diskutieren kann, einen Ort, an dem der Horizont geweitet werden kann, an dem man die eigenen Denkgrenzen überwinden oder zumindest daran kratzen kann. Ich bin Ihnen deswegen sehr dankbar, dass Sie diese Kennlern- und Feierstunde ermöglichen und wir hier sehr gut zusammenarbeiten können. Ich wünsche uns allen, dass wir nicht nur heute Abend, sondern immer wieder über unsere eigenen Grenzen des Denkens, der Methoden und der Anwendung nachdenken, um so zu einem noch nachdenklicheren Blick auf die Welt beizutragen. Denn diese gestalten wir alle gemeinsam. Vielen Dank.

 

Diesen Vortrag hielt Professor Dr. Tanja Brühl, Präsidentin der Technischen Universität Darmstadt, anlässlich des „Kennlernabends“ der Internationalen Studienschwerpunkte (iSp) zum Thema „Global Challenges - Chancen und Formate für interdiziplinäre Lehre“ der Technischen Universität Darmstadt am 20. November 2019 im Schader-Forum.

1 Siehe: HRK (Hg.): Interdisziplinäre Kompetenzbildung. Fächerübergreifendes Denken und Handeln in der Lehre fördern, begleiten und feststellen, Nexus Impulse, Ausgabe 18, https://www.hrk-nexus.de/fileadmin/redaktion/hrk-nexus/07-Downloads/07-02-Publikationen/impulseNr.18_InterdisziplinaereKompetenzbildung.pdf rev. 27.12.2019.

Cookie-Einstellungen

Unsere Seite verwendet Cookies und ähnliche Technologien. Hierbei wird zwischen technisch notwendigen Cookies zum Bereitstellen der Webseite und optionalen Cookies, z.B. zur Auswertung der Webseitennutzung, unterschieden.
Mehr Informationen dazu finden Sie in unseren Datenschutzhinweisen. Dort können Sie auch jederzeit Ihre Präferenzen anpassen.

Erweiterte Einstellungen