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Aktivieren statt Versorgen

Artikel vom 09.05.2005

Öffentliche Daseinsvorsorge auf dem Prüfstand – Wie können in Zeiten knapper Kassen Versorgungslücken vermieden werden?

„Bürgerschaftliche Pflichten“ gegenüber staatlicher Wohlfahrt aufwerten

Wohlfahrtsverbände erfüllen als „Intermediäre“ zwischen Staat und Bürger wichtige Funktionen, bei ihnen bündeln sich außerdem Transferleistungen des Staates und private Zuwendungen der Bürger. Bei den sozialen Projekten von Wohnungsunternehmen gibt es kaum eines, an dem nicht einer der großen Wohlfahrtsverbände (Caritas, AWO, Dt. Paritätischer Wohlfahrtsverband, DRK, Diakonie) beteiligt wäre. Nur selten wird mit Selbsthilfegruppen oder Bürgerstiftungen kooperiert.

Die Kritik an der Effizienz der von den großen Wohlfahrtsverbänden erbrachten Leistungen mehrt sich, im Zuge der Debatte um Zweck und Umfang der „öffentlichen Daseinsvorsorge“ stehen auch die Sozialen Dienste auf dem Prüfstand (vgl. Expertenrunde der Schader-Stiftung).

Eine wichtige Alternative stellen neben i.d.R. lokal und zeitlich begrenzten Selbsthilfegruppen Bürgerstiftungen dar. Nicht nur der Einsatz von Finanzmitteln ist darüber zielgerichteter zu steuern, häufig fließen in Stiftungsprojekte auch persönliche Erfahrungen, Verbindungen und ehrenamtliches Engagement mit ein.

Zeit für kommunale und regionale Arbeitsmarktpolitik

Städtische Kommunen befinden sich in einer Zwickmühle: Sie sind verpflichtet zur Finanzierung umfänglicher sozialer Leistungen (wie Sozialhilfe, Kindergärten), doch die Mittel dafür brechen weg. Eine sich verschärfende Situation, denn durch die Umlandabwanderung besser verdienender Bürger fließt auch ein großes integratives, soziales und kulturelles Potenzial aus den Städten ab. Zurück bleiben die auf Unterstützung Angewiesenen: Arbeitslose, Migranten, Alleinerziehende, Bezieher niedriger Renten.

Fast 40 % der registrierten Arbeitslosen besitzen keine abgeschlossene Berufsausbildung. Deren Chancen auf dem Arbeitsmarkt werden weiter sinken, wenn in einer globalisierten Arbeitswelt keine niedrigeren Löhne, zumindest als Einstieg in den Arbeitsmarkt, akzeptiert werden. Hilfreich wären auch lokale Stellen zur Arbeitsvermittlung mit professionellen Arbeitsvermittlern, die individuell beraten können, oder allgemein qualifizierende Bildungseinrichtungen, um elementare Bestandteile der Bildung zu gewährleisten.

Hiermit eröffnen sich auch jenseits der Diskussion um „soziale Mischung“ Handlungspotenziale für Wohnungsunternehmen, um die Marginalisierung von Quartieren zu bremsen.

Informelle Brücken zur Integration

Informelle Arbeit gilt als eine Wirtschaftsform der Entwicklungs- und Schwellenländer, mittlerweile ist sie aber auch in Europa üblich. Für viele Migranten bildet sie eine wichtige Einnahmequelle, die zudem dadurch gestützt wird, dass Migranten noch häufiger über informelle Beschäftigung stärkende familiale Strukturen verfügen. Zunächst versorgt die informelle Ökonomie die in ihr Beschäftigten selbst, wie viele kleine Läden und Cafés von Migranten belegen. Dazu werden billige Waren für niedrige Einkommensklassen angeboten. Aber sie bedient auch den wachsenden Bedarf nach immer differenzierteren Dienstleistungen in der Mehrheitsgesellschaft, wie die Pizza nachts um 2 Uhr oder den günstigen Maßanzug vom türkischen Schneider. Als Ergänzung formaler Sektoren ist die informelle Arbeit bereits gang und gäbe, im Fall der Alten- und Krankenpflege ist sie darüber hinaus eine Quelle sozialer Stabilität.

Innovationen in der Nische

Vor allem Innovation braucht informelle Strukturen. Der Erfinder in der Garage - ein Bild, das seit der Firmengründung von HP sprichwörtlich geworden ist. Informelle Räume jedoch sind selten in einer geordneten, sauberen, sicheren Stadt. Brachflächen mit übrig gebliebenen Gebäuden, Hinterhöfe, Garagenhöfe, Siedlungsränder böten Potenzial zum Experimentieren und um aktiv zu werden. 
Staatliche Interventionen gegen informelle Arbeit können zwar einerseits das Abgleiten der informellen Arbeit in hierarchische patriarchalische oder kriminelle Strukturen verhindern, andererseits unterbinden sie auch die Überführung von zunächst informeller Arbeit in den legalen Markt. 
Informelle Märkte bieten Lösungsansätze für Armut und Ausgrenzung; sie können Integrationsbrüche in Phasen von Arbeitslosigkeit mildern und dazu beitragen, dass Fähigkeiten erworben und geübt werden können.

Beispiel: Dessau - Schwabehaus e.V.

Durch Schwabehaus e.V. in Dessau wurde ein Bürgschaftsmodell „Dessauer Bürger bürgen für das Schwabehaus” zur Sanierung des historischen Gebäudes initiiert. Dessauer Bürgerinnen und Bürger mit Engagement für ihre Altstadt versuchen, den Erhalt und die Sanierung des 1826 im altdeutschen Stil errichteten Schwabehauses durchzusetzen, das deutliche Spuren der Verwahrlosung trägt. Ziel des Vereins ist bis dato, aktiv in die Stadtteilentwicklung einzugreifen, da Handlungsbedarf besteht und keine Aktivitäten von Seiten der Stadt im Sinne eines angemessenen Sanierungskonzepts entwickelt wurden. Eine kulturelle und gewerbliche Nutzung des Hauses im Erdgeschoss soll fortbestehen. Im Obergeschoss sind drei Wohnungen und Räume für Vereine geplant. Das Observatorium des Heinrich Samuel Schwabe wird wieder eingerichtet und eine Gedenkstätte des Astronomen und Aufklärers soll installiert werden. Ein Bürgschaftsmodell bietet die Voraussetzung für die gemeinnützige Nutzung des Gebäudes.

Beispiel: Bürgerstiftung Hannover

Die Bürgerstiftung Hannover will zum Stiften anstiften, damit Bürger und Unternehmen der Region mehr Mitverantwortung für die Gestaltung ihres Gemeinwesens übernehmen. Ziel der Stiftung ist es, in der Region Hannover Kräfte der Innovation zu mobilisieren und das Gemeinwesen nachhaltig zu stärken. Dies soll zum einen durch das Einwerben von Zustiftungen und Spenden geschehen, die die Bürgerstiftung in die Lage versetzen, regionale Projekte aus den Bereichen Jugend, Kultur und Soziales zu fördern. Zum anderen sollen die Bürger dazu motiviert werden, ehrenamtlich in der Bürgerstiftung und den von ihr unterstützten Projekten mitzuwirken. Abgeleitet werden diese verschiedenen Möglichkeiten der Beteiligung zum einen aus der Tatsache, dass sich die Zahl der Haushalte, denen monatlich 5.000 Euro und mehr zur Verfügung stehen, in den letzten zehn Jahren verfünffacht hat. Privates Vermögen ist in einem noch nie dagewesenen Umfang vorhanden. Zum anderen gibt es Menschen, die sich sozial engagieren wollen und die an gemeinnützige Projekte vermittelt werden, die ehrenamtliche Helferinnen und Helfer suchen. Es gibt eine Reihe von Mitgliedern, die wenig Geld, aber viel Zeit haben. Durch die Bürgerstiftung finden sie aus der Isolation heraus und entdecken einen neuen Lebenssinn.

Die Stiftung fördert oder initiiert gemeinnützige Projekte, die in der Stadt und dem Landkreis Hannover in den Bereichen Jugend und Kultur durchgeführt werden oder die der Hilfe für Bedürftige oder der Integration von gesellschaftlichen Randgruppen dienen. Außerdem fördert oder initiiert sie mit ihrer Arbeit verbundene wissenschaftliche Untersuchungen, und sie unterstützt die bundesweite Verbreitung der Idee der Bürgerstiftung.

Das Spenden und Stiften erfolgt bei der Bürgerstiftung nicht anonym für einen abstrakten guten Zweck, unkontrollierbar und unbeeinflussbar, abgetrennt von der Lebenswelt des Wohltäters. Es werden Projekte und Institutionen in der eigenen Region oder Stadt gefördert mit Geld oder ehrenamtlichem Engagement. Außerdem kann durch die Langfristigkeit des Stiftungskapitals eine langandauernde und zukunftsweisende Unterstützung ermöglicht werden.

Der langfristige Erfolg einer Bürgerstiftung hängt immer von ihrer Innovationsfreudigkeit ab. Stiftungen leben davon, dass die Menschen, die sich in ihr engagieren, die Stiftung und ihr Handlungsfeld immer wieder neu erfinden und den gesellschaftlichen Veränderungen anpassen. Das können sie regelmäßig schneller und leichter als Staat und Kommunen, weil sie nicht die Beharrlichkeit des öffentlichen Verwaltungsapparates haben. Community Foundations bleiben daher kreative Quellen der Förderung wohltätiger Einrichtungen in der Region.

Beispiel: Rheinbach - lokale Arbeitsvermittlung

Die Stadt Rheinbach organisiert lokale Jobbörsen mit sich neu ansiedelnden Unternehmen und weist Wohngebiete nur nahe bei Gewerbegebieten aus.

Links und Literatur

Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (Hg): Living and working in the informal Sector. Bonn 1999

Diskussionsbericht zur Expertenrunde der Schader-Stiftung: "Die Zukunft der sozialen Dienste" im Juni 2002 (Kirsten Mensch, Schader-Stiftung). PDF, Link: http://www.schader-stiftung.de/docs/diskussionsbericht_sozialedienste.pdfhttp://www.schader-stiftung.de/docs/diskussionsbericht_sozialedienste.pdfhttp://www.schader-stiftung.de/docs/diskussionsbericht_sozialedienste.pdf (pdf, 56 kb)

Feldtkeller, Andreas: Die Garage - eine Metapher. Innovationen in der Nische, oder: Kehrt die Arbeitswelt zurück in die Stadt? In: Schader-Stiftung (Hg.): wohn:wandel. Szenarien, Prognosen, Optionen zur Zukunft des Wohnens. Darmstadt 2001

Höhn, Hans-Joachim: Die Moderne, der Markt und die Moral. In: Aus Politik und Zeitgeschichte vom 15.12.1995

Kappe, Stefan: Bürgerstiftungen im Aufbruch. Organisation von Philanthrophie in lokalen oder regionalen Stiftungen. In: Sozial Extra 6/1999

Meyer, Dirk: Das teure Wohlfahrtskartell. Die Bereitstellung sozialer Dienste durch die Wohlfahrtsverbände verursacht unnötig hohe volkswirtschaftliche Kosten. In: FAZ vom 20.12.1995

Peraldi, Michel: Sozialer Aufstieg auf eigene Rechnung: Vorstadtjugendliche von Marseille im informellen Handel. In: Joachim Brech; Laura Vanhué: Migration. Stadt im Wandel. Darmstadt 1997

Pfeiffer, Christian: Die Bürgerstiftung. Ein neuer Weg zur gesellschaftlichen Innovation. Manuskript Bürgerstiftung Hannover, o.J.

Sachße, Christoph: Die Zukunft der Sozialen Dienste. Einführendes Papier zur Expertenrunde der Schader-Stiftung: "Die Zukunft der sozialen Dienste" im Juni 2002. PDF, Link: http://www.schader-stiftung.de/docs/sachse_papier_soziale_dienste.pdf

Sassen, Saskia: Metropolen des Weltmarktes. Frankfurt 1996

Schumacher, Dirk: Raum für Vielfalt durch Konversion. Panzerhallen werden zu Ateliers und Werkstätten. Das Beispiel Kassel-Marbachshöhe. In: Schader-Stiftung (Hg.): wohn:wandel. Szenarien, Prognosen, Optionen zur Zukunft des Wohnens. Darmstadt 2001

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