Ausstellung: Eine stille Erfahrung – Zoya Sadri in Retrospektive
Artikel vom 10.07.2025


Die iranische Künstlerin Zoya Sadri lebte, wirkte und starb 2024 in Darmstadt. Mehr als hundert Werke, einige davon in Privatbesitz, hat sie hinterlassen, darunter Gemälden, Druck-Grafiken, Skulpturen und Installationen. Eine Retrospektive ihres Schaffens ist nun in der Schader-Stiftung zu sehen.
Auf der Suche nach dem Ausdruck
Zoya Sadri wurde 1955 in Teheran geboren. Sie studierte dort Kunst, gründete eine Familie und beobachtete sehr genau, was in ihrer Umgebung passierte. Die repressive Regierung setzte ihr zunehmend zu – und zumindest räumlich konnte sie sich 1987 davon lösen, als sie schwanger nach Deutschland auswanderte. 1990 begann sie ein Aufbaustudium der Bildenden Kunst an die Johannes Gutenberg-Universität in Mainz und begann, im neuen Umfeld des Rhein-Main-Gebiets ihre stilistische Sprache zu finden, die ihre Wurzeln nicht vergessen, aber auch das Neue präsentmachte: „Zwangsläufig probierte Zoya in den neunziger Jahren mehrere Stile, mehrere Phasen durch – von figurativ bis elementarzeichenhaft-abstrakt“, schreibt der Kunstkritiker Dr. Roland Held in seinem Nachruf auf Zoya Sadri, die im November 2024 nach schwerer Krankheit in Darmstadt verstarb. Noch 2022 realisierte sie in der Schader-Stiftung im Zusammenhang mit der Tagung „Vielfalt bildet! Rassismus- und diskriminierungskritische Bildung in Praxis und Diskurs“ gemeinsam mit der Technischen Universität Darmstadt ihre Ausstellung “Dinge und Ereignisse”.
Ihre Werke seien „immer von einer gewissen Melancholie durchweht. Eine Melancholie, die stiller Begleiter auch der Person Zoya Sadri war.“ Mehr als hundert Werke, einige davon in Privatbesitz, hat sie hinterlassen, darunter Gemälden, Druck-Grafiken, Skulpturen und Installationen. Eine Retrospektive ihres Schaffens ist nun in der Schader-Stiftung zu sehen.
Persische Mythologie
Intensiv setzte sie sich mit der persischen Mythenkultur auseinander und schuf Bilder oder Skulpturen mit Topoi aus der Schahname, dem iranischen Königsbuch. So finden sich immer wieder Elemente aus der Sage um den iranischen Helden Rostam und sein Pferd Rachsch, aber auch die altiranische Gottheit Mitra sowie der namensverwandte römische Gott Mithras spielt eine Rolle. In einer vergangenen Ausstellung 2015 im Groß-Gerauer Museum konnten diese beiden Erben gemeinsam ausgestellt und die Bedeutung ihrer Verbindung künstlerisch beleuchtet werden. Auch die Gegenwart ihrer Heimat thematisierte Zoya Sadri in ihren Werken: In verschiedenen Serien beschäftigte sie sich mit der Unterdrückung von Frauen im Iran.
Freiheit und Frieden
Freiheit und Frieden sind Motive, die sich durch Sadris Werkekanon ziehen – nicht nur in Bezug auf die persische Regierung. Auch der jüdische Glauben und die systematische Judenverfolgung findet sich in ihrem Schaffen wieder: Anne Franks Geschichte beeindruckte Sadri nachhaltig; den Optimismus und die Geisteshaltung des Mädchens griff sie auch künstlerisch in Portraitserien und einer Installation auf. Ebenso rückte sie Persönlichkeiten der Zeitgeschichte in den Fokus, die sich für Frieden und Freiheit einsetzten – so beispielsweise Martin Luther King oder Mahatma Ghandi. Ein wiederkehrendes Element ist zudem die Friedenstaube, die sich in zahlreichen Werken entdecken lässt.
Darmstadt als Motiv
Nicht zuletzt prägte auch Darmstadt als Zoya Sadris letzter Wohnort vor ihrem Tod ihre Bilder. Eine umfangreiche Skizzensammlung zeugt von Sadris aufmerksamer Beobachtungsgabe – und wieder von ihrem Bedürfnis, sich mit der Vielfalt der Menschen und deren auch tragischen Geschichten auseinander zu setzen: Die „Frauen, Leben, Freiheit“-Proteste anlässlich der Ermordung der Iranerin Jina Mahsa Amini 2022 aufgrund ihres angeblichen Verstoßes gegen das Hijab-Gesetz im Iran, die auch in Darmstadt stattfanden, griff sie in ihren Zeichnungen deutlich auf. Menschlich, -soziale Aspekte sowie das kulturelle Erbe und historische Ereignisse, die ein Stadtbild prägen, hob sie besonders hervor. Dies spiegelt sich in ihren Zeichnungen von Stolpersteinen oder einem Denkmal des Holocausts sowie Momentaufnahmen der sozialen und politischen Realität wider aber auch in Abbildung von Demonstrationen, und Bürger*innenn in unterschiedlichsten Lebenssituationen und ihrem dynamischen Miteinander.
"Ein Mensch unserer Zeit"
Politisch motivierte Themen beschäftigten sie ebenso wie gesellschaftliche Aktualitäten. Sie spannte in ihrer Kunst den großen Bogen von der plastischen Darstellung mythologischer und kulturhistorischer Legenden bis hin zur Beleuchtung sozialer und alltäglich präsenter Thematiken aus unserer Wirklichkeit und machte auch den strukturellen Wandel unserer Zeit durch ihre Illustrationen von ‚Ereignissen‘, als historischer Begriff gesehen, und von tragenden Persönlichkeiten, für das Auge des Publikums greifbar. Der Kunstkritiker Dr. Roland Held beschreibt im Gespräch mit Sadris Tochter Rhea Eghtesadinia abschließend: „Die Unterschiedlichkeit ist nicht willkürlich, sondern was wir finden, sind Serien, die jeweils einen anderen Schwerpunkt haben. Viele Serien haben auch untereinander Verknüpfungspunkte. Das verteilt sich über ein Oeuvre von fünfunddreißig Jahren. Es ist abwechslungsreich, und trotzdem ist wiedererkennbar eine Persönlichkeit dahinter. Zoya hat schon mit offenen Augen um sich rumgeguckt. Sie hat den Draht zur Mythologie und zu den Archetypen gehabt, aber sie war ein Mensch unserer Zeit.“
Die Ausstellung wurde kuratiert von Dr. Stella Lorenz und Valeria Elsesser von der Schader-Stiftung. Ermöglicht wurde sie dankenswerterweise von Rhea Eghtesadinia, Zoya Sadris Tochter, die die Werke ihrer Mutter als Leihgabe an die Schader-Stiftung übergeben hat und weitere Werke aus Privatbesitz für den Zeitraum der Ausstellung ausleihen konnte. Weiterer Dank geht an das Kunst Archiv Darmstadt für die Leihgabe dreier Werke.
Individuelle Gruppenführungen sind auf Anfrage möglich. Ansprechpartnerin ist Dr. Stella Lorenz.