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Artikel vom 09.05.2005

Selbsthilfe wertet auf; nicht nur Gebäude und Quartiere gewinnen an Wert, auch die Bewohner fühlen sich in ihrem Tun belohnt. Die Wohnungswirtschaft nutzt dieses Engagement noch zu wenig.

Alte Bausünden neu begangen

Seit nunmehr über 20 Jahren werden die reinen Wohnsiedlungen kritisiert, weil hier mit der Trennung von Wohnen und Arbeiten ein einförmiger Lebensstil erzwungen wird. Trotz dieser Kritik und obgleich sich in der Zwischenzeit die Welt der Arbeit grundlegend geändert hat und Wohnen und Arbeiten vielfältig miteinander verbunden werden können, wird das alte Modell bei der Erneuerung von Wohnsiedlungen und sogar bei neuen Siedlungen weitergeführt.

Das "Rieselfeld" als Gegenbeispiel

Im Unterschied dazu wurde in der Südstadt in Tübingen und beim Rieselfeld in Freiburg, Projekte vergleichbarer Größe, ein weniger eindimensionales Leitbild zugrundegelegt, das unterschiedlichen Lebensstilen Platz gibt. Im Französischen Viertel in Tübingen z.B. wird der Aufbau des neuen Stadtteils weitgehend den künftigen Nutzern überlassen. Neue Kontakte zwischen Wohnen und Arbeiten gewinnen Raum.

Bauen, Wohnen, Beschäftigung

Wenn mit Blick auf die Strukturveränderungen des Wohnungsmarktes gesagt wird: "Die Zukunft der Wohnungspolitik liegt im Bestand!" (Eichener), dann sind vor allem die Wohnviertel des unteren Marktsegments angesprochen. Während in den oberen Marktsegmenten ein großes Angebot besteht, herrscht in den unteren Segmenten noch immer Enge. Hier leben Arbeitslose, Ältere, Sozialhilfeempfänger, Migranten. Hier sind die Haushalte zunehmend verschuldet. Für die Wohnungsunternehmen, die Wohnungen in diesen Segmenten besitzen, nützt es wenig, wenn die Mieter zeitlebens von staatlichen Transferleistungen abhängig bleiben. Beschäftigung ist der Schlüssel zur Auflösung von Lethargie, Gleichgültigkeit und Gewalt.

Durch Projekte, die Chancen für ausgegrenzte Menschen in marginalisierten Stadtteilen bieten, könnte eine "neue Gemeinnützigkeit" mit entsprechender öffentliche Förderung legitimiert werden. Denn Ziel wäre, daraus keinen Dauerzustand werden zu lassen. Für diesen Marktsektor gälte es, ein neues wohnpolitisches Leitbild zu entwickeln. Im Kontext der Diskussion über den Umbau des Sozialstaates steht die "Eigenverantwortung" im Mittelpunkt. Das hat finanzielle Gründe, darüber hinaus führt die Selbsthilfe aber auch zu einer größeren Unabhängigkeit von bürokratischen Strukturen.

 

Ansatzpunkte im Wohnbereich sind die Beteiligung bei der Planung der Modernisierung oder der Siedlungsergänzung, die Selbsthilfe beim Bauen und der Instandhaltung sowie der Verwaltung. Weitere Beschäftigungsmöglichkeiten bietet der soziale Bereich. Aus informeller ehrenamtlicher Beschäftigung kann reguläre Arbeit werden. Über die ehrenamtliche Arbeit können sogar dauerhafte neue Stellen geschaffen. Über die informelle Arbeit findet eine kontinuierliche Professionalisierung statt. Hier liegt möglicherweise eine der zentralen Aufgaben der Wohnungswirtschaft, die sie auch künftig gegenüber der Gesellschaft wieder neu legitimieren könnte.

Öffentlich-private Partnerschaften bei sozialen Dienstleistungen

Das Feld der für soziale Aktivitäten in den Wohngebieten ist groß: Kinderbetreuung, Betreuung von Behinderten und Alten, Nachbarschaftshilfen, Organisation von Stadtteilfesten usw. Einige Bauträger sehen in der Kooperation mit den privaten Selbsthilfe-Initiativen einen Weg zur sozialen Stabilisierung von Wohnquartieren.

Zur Legitimation öffentlicher Förderung können die Initiativen auf die Entlastung für den öffentlichen Sektor hinweisen. Die Wohnungswirtschaft könnte in dieser öffentlich-privaten Partnerschaft ein weiterer Partner werden, indem sie mit den Selbsthilfe-Initiativen kooperiert. Oft würde es genügen, den Initiativen Räume zur Verfügung zu stellen. Es besteht in der Regel aber kein konzeptioneller Ansatz, um öffentliche und private Dienstleistungen strukturell miteinander zu verknüpfen.

Beispiel: Kassel - Marbachshöhe

An der Marbachshöhe in Kassel wird nach der Idee der "sozialen Stadt" eine Gemengelage mit unterschiedlichen Nutzungen und Bewohnergruppen anhand einer Masterplanung der WohnStadt Kassel entwickelt. Ein zentraler Nutzungsbaustein ist das Technologie- und Gründerzentrum am Forum als Impulsgeber für die gewerbliche Entwicklung. Ergänzend nutzen verschiedene Dienstleistungs- und Handwerksbetriebe vorhandene Gebäude. Außerdem gibt es verschiedene Bauträger im Wohnbereich: Die Genossenschaft Kaserna Urbana wurde Ende 1996 gegründet, um zwei Mannschaftsgebäude zu 80 Wohnungen umzubauen. Für 1.730 DM/qm konnten Wohnungen erstellt werden.

Im Modellvorhaben "Frauen- und familienfreundliches Wohnen" der WohnStadt, wurde die Konversion eines ehemaligen Sanitätsgebäudes zu 36 Wohnungen im öffentlich geförderten Mietwohnungsbau realisiert. Ziel ist die Umnutzung und der Umbau zu einem differenzierten, vielfältigen Wohnungsgemenge für Familien, Alleinerziehende, Behinderte, Ältere und junge Menschen. Zu Beginn wurden Mieter mit besonderem Interesse an einem gemeinschaftlichen und integrativen Wohnkonzept über Öffentlichkeitsarbeit, beteiligte Institutionen (Wohnungsamt, kommunale Frauenbeauftragte) und private Initiativen angesprochen. Es wurden Mieter mit dem Ziel gemeinschaftlichen Wohnens mit Kindern gesucht. Im Sommer 1997 wurde das erste Treffen zum Kennenlernen, Informationsaustausch und zur Selbstorganisation der Gruppe veranstaltet.

Es gibt Gemeinschaftsräume im EG, DG und KG; barrierefrei erreichbar über Fahrstühle sind 13 Wohnungen und das DG. Es werden Reserveflächen für weitere besondere Nutzungswünsche der Mieter (z.B. Büronutzung, Gästezimmer) vorgehalten. Unterschiedliche Grundrisskonzepte wurden unter Beteiligung der Nutzer realisiert. Im Außenbereich wurde eine ehemalige Garage zum Spielhaus für Kinder umgenutzt. Städtebaulich sollte im Ensemble mit den anderen Kasernengebäuden der ursprüngliche Gebäudecharakter erhalten werden. Langfristiges Ziel ist eine selbstorganisierte Hausgemeinschaft.

Des Weiteren wurden Bauteams gegründet für Passivhäuser im Geschosswohnungsbau für soziale Mietwohnungen. Schließlich entstanden auch klassischer Wohnformen im Reihenhausbau oder als Eigentumswohnungen.

Beispiel: Dessau - Bauen, Wohnen, Beschäftigung

Die DAKSBAU eG in Dessau plant die Sanierung der ehemaligen Eisenhandlung "Wilhelm Koch KG" unter Beteiligung und Mitarbeit der zukünftig dort Wohnenden und Arbeitenden.

Die DAKSBAU will in Dessau für Mitglieder und Mieter preiswerten und guten Wohnraum sowie zugehörige soziale, kulturelle und gewerbliche Einrichtungen schaffen. Außerdem will die e.G. einen Beitrag zum Erhalt und zur Erneuerung historischer Bausubstanz leisten.

Vielfältige Nutzungsmöglichkeiten durch innovative Baulösungen und Wohnen und Arbeiten sollen realisiert werden: mit Wohnungen und Arbeitsräume unterschiedlichen Zuschnitts, Räumen und Freiflächen für soziale, kulturelle und wohnverträgliche gewerbliche Zwecke. Die Beteiligung an der Planung und die bauliche Selbsthilfe sollen es ermöglichen, dass bei der Realisierung von Wohn- und Arbeitsräumen die persönlichen Wünsche berücksichtigt werden können und dass dies zur Verringerung der Wohnkosten beitragen kann.

Beispiel: Hamburg – Selbsthilfe wertet auf

Die Vorteile der Selbsthilfe werden deutlich bei der Umwandlung einer Wohnunterkunft in dauerhafte Sozialwohnungen unter Beteiligung und mit erweiterten Mitbestimmungsrechten der zukünftigen Bewohner in Hamburg - Ladenbeker Furtweg.

Es ist erklärtes Ziel der Hamburger Politik, die vorhandenen Potenziale in den sozial benachteiligten Quartieren über Beteiligungs- und Mitwirkungsmöglichkeiten für die dortigen Bewohner zu aktivieren, nachbarschaftliche Strukturen zu stärken und die Wohn- und Beschäftigungsbedingungen in den Quartieren zu verbessern. Die Unterkünfte aus den 60er Jahren für obdachlose Familien waren sanierungsbedürftig und die Zahl der Einheiten sollte verringert werden. Aus 16 Kleinstwohnungszellen wurden neun Familienwohnungen, die an die beteiligten Familien mit Mietverträgen vermietet wurden. Nach der Sanierung hat der Verein ein vertraglich gesichertes Mitspracherecht bei der Nachbelegung.

 

Das Projekt wurde im Mai 1999 abgeschlossen. Durch die Motivation, den Standard der eigenen Wohnung anzuheben, wurde mit Selbsthilfe die Sanierung durchgeführt. Die Hausgemeinschaft hat Selbsthilfeleistungen in Höhe von 56.000 DM erwirtschaftet, wodurch sie sich einen verbesserten Ausstattungsstandard leisten konnte. Die Projektgruppe besteht aus 9 Familien mit insgesamt 38 Personen, davon 19 Kinder. Die Familien haben durch die Sanierung ihre eigene Geschichte weiterentwickeln können und sind stolz auf die Ergebnisse: Da sie den Wechsel der Lebensverhältnisse erarbeiteten und gestalteten, sind sie in der neuen Wohnung "andere Leute". Die gemeinschaftliche Anstrengung führt zu einem respektvolleren Umgang miteinander.

Beispiel: Münster Bewohnergemeinschaft "Am Breul"

Die bewohnerorientierte und ökologische Wohnungsmodernisierung ist das Ziel einer Bewohnergemeinschaft in Münster "Am Breul". Realisiert werden sollen die ökologisch ausgerichtete, kostenorientierte Modernisierung von 20 Wohneinheiten mit 42 Personen, die Bewohnerselbstorganisation und -selbstverwaltung, die partizipative Projekt-entwicklung und -umsetzung sowie Praxiserfahrungen beim Betrieb eines Kleinst-Blockheizkraftwerkes.

Entsprechend den derzeitigen und perspektivischen Anforderungen der Bewohnerschaft wurde ein differenziertes Raumprogramm entwickelt, um den unterschiedlichen Wohnbedürfnissen (Alleinwohnende, Familien, Wohngemeinschaften) und deren möglichen Änderungen gerecht zu werden. Die Bewohnergemeinschaft besteht aus 42 Personen (10 sind unter 11 Jahre, niemand älter als 45 Jahre). Sie differenziert sich nach Selbstständigen, Angestellten, Studierenden, Arbeitslosen und berufstätigen Alleinerziehenden, beschreibt aber ein eher homogenes Milieu mit ähnlichen Wertvorstellungen.

Der Verein kann freiwerdende Wohnungen eigenständig belegen und kleinere Maßnahmen zur Instandhaltung selbst beauftragen. Der Aufwand für die Verwaltung wird von seitens der Stadt mit der üblichen Verwaltungspauschale erstattet. Die innovative Qualität des Projekts liegt vor allem in der Verknüpfung umweltgerechten Bauens, intensiver Bewohnerbeteiligung und Selbstverwaltung sowie der Realisierung im Bestand.

Beispiel: Hamburg - Bergedorf-West

Die Initiierung und der Aufbau einer aktiven Mieterinitiative ermöglichten die Entwicklung von Infrastruktur durch die Mieter in Bergedorf-West.

Rahmen des Konzepts des "Sozialen Managements" wurde in der Siedlung der SAGA, die ein schlechtes Image aufwies, in Kooperation mit der Lawaetz-Stiftung eine aktivierende Befragung durchgeführt. Mit der aktivierenden Befragung wurden die Probleme der Siedlung und gleichzeitig Ideen, was die Befragten zur Verbesserung der Situation in der Siedlung beitragen können, erhoben.

Von der SAGA kam der Impuls, mit interessierten Mietern eine Mieterinitiative zu gründen, die im Mietertreff quasi selbstverwaltet verschiedene Angebote organisiert, wie Sprachkurs, Hausaufgabenbetreuung, Sozialberatung, Tauschring, Herstellung der Stadtteilzeitung usw. In einigen Häusern wurden Concierges eingerichtet, die die Mieter befürworten. Die Frage ist, ob sie erhalten werden können, wenn die öffentliche Förderung ausläuft.

Beispiel: Wien - Wohnen mit Kindern

Eine kinderfreundliche Wohnhausanlage wurde von 16 Familien verwirklicht, die in dem Planungs- und Bauprozess außerdem ein Mitbestimmungsmodell erprobten.

Links und Literatur

Eichener, Volker: Die Zukunft der Wohnungspolitik liegt im Bestand. In: Wohnungswirtschaft und Mietrecht 2/1999

Feldtkeller, Andreas: Die Garage - eine Metapher. Innovationen in der Nische, oder: Kehrt die Arbeitswelt zurück in die Stadt? In: Schader-Stiftung (Hg.): wohn:wandel. Szenarien, Prognosen, Optionen zur Zukunft des Wohnens. Darmstadt 2001

Schumacher, Dirk: Raum für Vielfalt durch Konversion. Panzerhallen werden zu Ateliers und Werkstätten. Das Beispiel Kassel-Marbachshöhe. In: Schader-Stiftung (Hg.): wohn:wandel. Szenarien, Prognosen, Optionen zur Zukunft des Wohnens. Darmstadt 2001

Selle, Klaus: Zur Aktualität der Gemeinnützigkeit. In: Jürgen Reulecke u.a.: Wohnen und Markt. Gemeinnützigkeit wieder modern. Essen 1994.

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