Organisationsdiskurse und Handlungsfelder der PR
Artikel vom 12.12.2022
Vom 25. bis zum 27. Oktober 2023 laden die Fachgruppen Mediensprache - Mediendiskurse und Public Relations und Organisationskommunikation der Deutschen Gesellschaft für Publizistik und Kommunikationswissenschaft (DGPuK) gemeinsam mit der Schader-Stiftung zur Tagung Organisationsdiskurse und Handlungsfelder der PR ein.
Beginn: 25.10.2023 | 19:00 Uhr
Ende: 27.10.2023 | 15:00 Uhr
Ort:
Schader-Campus | Goethestr. 1&2 | 64285 Darmstadt
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Organisationsdiskurse und Handlungsfelder der PR
Die Fachgruppen „Mediensprache – Mediendiskurse“ und „Public Relations und Organisationskommunikation“ der Deutschen Gesellschaft für Publizistik und Kommunikationswissenschaft (DGPuK) laden gemeinsam mit der Schader-Stiftung zu ihrer gemeinsame Jahrestagung 2023 in Darmstadt ein. Die Kooperation mit der Schader-Stiftung soll dazu dienen, auch den Dialog mit der Praxis zu befördern.
Im Rahmen der Fachtagung vom 25. bis zum 27. Oktober 2023 sollen unterschiedliche wissenschaftliche Zugänge und aktuelle Forschung zu den Erscheinungsformen der Funktion und Wirkung von Diskursen in PR und Organisationskommunikation aufgezeigt werden. Zudem sollen Konsequenzen der Diskursforschung für das Fach und die Praxis auf verschiedenen Handlungsfeldern von PR und strategischer Kommunikation behandelt werden.
[Literaturhinweise finden sich im anliegenden pdf Call]
Grundlage
Öffentliche Kommunikation und ihre Medialisierung sind feste Bezugsgrößen für Public Relations (PR) und Organisationskommunikation. Übergreifenden Diskursen, deren Entstehung, Funktionen und Wirkungen haben PR- und Organisationskommunikationsforschung jedoch erst punktuell Aufmerksamkeit gewidmet. Der Begriff des Diskurses bezeichnet das, was zwischen Organisationen und ihren Akteuren sowie deren Anspruchs- und Zielgruppen im Zuge sprachlich vermittelter Kommunikationsprozesse entsteht. So kann die Diskursforschung etwa methodisch die Voraussetzungen und Strukturen von Identitätskonzepten, Images und Reputation beschreiben, indem sie die sprachlichen Substrate geteilten Wissens in der Gesellschaft untersucht. Ihre Methoden und Befunde sind anschlussfähig an unterschiedliche Forschungsfelder und deren Bezugsgrößen sowie an die Praxis von PR und Organisationskommunikation (Angermuller et al., 2014; Stücheli-Herlach, 2018; Wawra, 2018). Diskursforschung bietet damit das Potential, bisherige Zugänge der Medien- und Kommunikationswissenschaft zu erweitern und zu vertiefen.
Durch die sprachliche Konstitution von Diskursen bedingt sind es bisher vor allem (diskurs-) linguistische Theorien, Konzepte und Methoden gewesen, die eine Bearbeitung entsprechender Forschungsfragen ermöglichten (z. B. Deus et al., 2015; Knobloch, 2018; Link, 2009; Schwägerl & Stücheli-Herlach, 2021; siehe auch einzelne Beiträge in Habscheid et al., 2018). In der Organisations- und Managementwissenschaft haben sich sprachzentrierte Analyseperspektiven vor allem im Zuge des linguistic turn etabliert, dies entsprechend schon seit den 1980er Jahren (z. B. Alvesson & Kärremann, 2000; Lockwood, Giorgi & Lynn, 2019; siehe auch einzelne Beiträge in Cooren & Stücheli-Herlach, 2021).
Der PR- und Organisationskommunikationsforschung ist die Auseinandersetzung mit Sprachgebrauch und Diskursen aber ebenfalls nicht mehr fremd (Schach & Christoph, 2018; Stahl & Menz, 2014). Linguistische Perspektiven auf die Unternehmenskommunikation hat etwa auch das Forschungsnetzwerk Europäische Kulturen in der Wirtschaftskommunikation – European Cultures in Corporate and Business Communication (EUKO/ EUCO) vorangetrieben (siehe exemplarisch einzelne Beiträge in Boenigk et al., 2006; Nielsen et al., 2013 sowie Glausch, 2017 und die EUKO-Schriftenreihe).
Ohne den wissenschaftlichen Diskursbegriff stets konsequent bedienen zu wollen und zu müssen, ist bereits für viele Arbeiten zu PR und Organisationskommunikation die Vorstellung grundlegend, dass Kommunikation ein symbolisch und typischerweise sprachlich vermittelter Prozess der Interaktion und damit eine Leistung der Konstruktion sozialer Wirklichkeiten ist, die als solche berücksichtigt werden muss. So betrachten jüngere Arbeiten PR-Kommunikationsprozesse als emergente, soziale Interaktionen zwischen Organisation und Stakeholdern, die im Wesentlichen sprachlich konstituiert und daher empirisch zugänglich sind (z. B. Aggerholm & Asmuß, 2016; Aggerholm & Thomsen, 2015; King, 2010; siehe auch van Ruler, 2018 sowie die Beiträge in Felder & Gardt, 2015; Holtzhausen & Zerfass, 2015; Zerfaß, Rademacher & Wehmeier, 2013). Aus diesen Arbeiten resultieren Annahmen über die Beobachtbarkeit, die Wirkung, die Steuerbarkeit und die Evaluation von PR sowie das Verhältnis von Organisationsstrategie und Kommunikation (Buchholz & Malczok, 2021; Schwägerl & Stücheli-Herlach, 2021).
Die Fachtagung 2023 möchte unterschiedliche wissenschaftliche Zugänge und aktuelle Forschung zu den Erscheinungsformen, zur Funktion und zur Wirkung von Diskursen in PR und Organisationkommunikation sowie zu Konsequenzen der Diskursforschung für das Fach sowie für die Praxis auf den verschiedenen Handlungsfeldern von PR und strategischer Kommunikation bündeln und mit der Praxis diskutieren. Neben einem offenen Panel, das für aktuelle Forschung zu PR und Organisationskommunikation außerhalb des Schwerpunktthemas vorgesehen ist, sollen die folgenden Themenblöcke behandelt werden.
Themenblock 1: Sprache als PR-Instrument in Diskursen
Im diskursanalytischen Verständnis schafft Sprache subjektive wie intersubjektive Wirklichkeit und kann daher zielgerichtet für die Vermittlung von Wirkung instrumentalisiert werden. Linguistische Theorien und empirische Befunde zum mündlichen und schriftlichen Sprachgebrauch können die Voraussetzungen von Kommunikationswirkungen theoretisch und empirisch erklären und so z. B. der Erforschung persuasiver Kommunikation dienen. Ebenso machen postmoderne Bedeutungstheorien auf die Kontingenzen in der Vermittlung von Sinn und Bedeutung aufmerksam und stellen die Steuerbarkeit der Vermittlung von Botschaften in Frage. Sprachzentrierte Analyseperspektiven können außerdem der kritischen Forschung zur PR-Praxis dienen, etwa in Form von machtkritischen Diskursanalysen. Daran knüpfen Fragen von sowohl methodischer wie praktischer Relevanz an: Mit welchen Methoden kann Sprachgebrauch durch organisierte Akteure im Verhältnis zu angestrebten PR-Zielen untersucht werden? Welche Schlussfolgerungen können Organisationen aus den Befunden empirischer Forschung zu Sprachgebrauch und Diskursen für die Ausgestaltung eigener Kommunikationsbeiträge ziehen? Welche Erscheinungsformen und welche Konsequenzen haben etwa Publikums-Resonanzen auf performativen Sprachgebrauch und „aspirational talk“ (Christensen, Morsing & Thyssen, 2013) von Organisationen? Wie kommen diese Resonanzen im Einzelnen zustande und wie wirken sie auf das strategische Handeln der Organisation zurück? Wie verhält sich bei Versuchen zur Einflussnahme auf Diskurse der gezielte Sprachgebrauch der kommunizierenden Organisation zur interpersonellen Kommunikation in Stakeholder-Netzwerken? Wie kann die Untersuchung zum Sprachgebrauch in diesen Netzwerken etablierte Wirkungstheorien von PR ergänzen? Wie kann die PR-Forschung die kritische Diskursanalyse sowie andere linguistische Zugänge für ihre Erkenntnisinteressen nutzen? Welche Forschungsbedarfe und Erkenntnisse zeigen sich im Austausch mit der Kommunikationspraxis?
Themenblock 2: Diskurs, Management und Strategien
Die Organisations- und Managementforschung bezieht sich seit längerem unter anderem auf Theorien zu kognitiv wirksamen Metaphern, zu Sprechakten, Gesprächsverläufen, Metakonversationen, Dialog und zur Polyphonie von Organisationen. Neuere Arbeiten zur strategischen Kommunikation behandeln den Sinnzusammenhang zwischen emergenter Strategieentwicklung und Prozessen der Bedeutungskonstruktion in Gesprächen und Texten und greifen ebenso auf Theorien und Befunde sprach- und diskurswissenschaftlicher Forschung zurück. Wo entstehen Gemeinsamkeiten und Widersprüche zwischen dialog- und diskurszentrierter Forschung einerseits und den Annahmen von PR und Organisationskommunikation zur Organisation als strategisch handelndem Akteur anderseits? Wie anschlussfähig sind diese postmodernen Ansätze an die Forschungsprogrammatik der strategischen Kommuikation (Zerfass et al., 2018)? Wie kann die Forschung zu öffentlichen Diskursen sowie zu Nachhaltigkeits- und Verantwortungsdiskursen der strategischen Kommunikation nutzen — etwa in der Analyse des Organisationsumfelds oder der Entscheidung, ob, wie und mit welchem Ziel sich die Kommunikationsfunktion in gesellschaftliche Diskurse einbringen oder diese führen sollte? Welche Anhaltspunkte bietet die Dialogforschung für die Planung und praktische Umsetzung von Stakeholderdialogen im Spannungsfeld zwischen den normativen Erwartungen der Öffentlichkeit an solche Dialoge und den Organisationsinteressen? Welche in PR und Organisationskommunikation bisher noch wenig erprobten Methoden bieten sich an, das Handeln von PR-Akteuren in Organisationen und dessen feldspezifisches Verständnis im Rahmen von Diskursen zu untersuchen? Wie können Forschungen zu spezifischen Handlungs- und Aufgabenfeldern der PR bzw. konkret etwa zur Verantwortungskommunikation, internen Kommunikation, zur Leadership- und Markenkommunikation, zu Corporate Publishing, zu Corporate Messaging, Public Affairs und Public Diplomacy die sprach- und diskurszentrierten Zugänge und Erkenntnisse für sich produktiv machen?
Themenblock 3: Trends des Sprachwandels in Organisationen, Medien und Öffentlichkeit
Der Wandel der Organisationskommunikation durch die Digitalisierung und Transformation der Wirtschaft und Gesellschaft vollzieht sich im mündlichen Sprachgebrauch ebenso wie in der professionellen Textproduktion. Jede Gemeinschaft von Sprachteilnehmenden ist mit Diskursdynamiken und entsprechenden Phänomenen des Sprachwandels konfrontiert. Bestimmte Tendenzen und Trends, die für PR und Organisationskommunikation relevant sind, lassen sich in Dimensionen wie der Situationalität, der Funktionalität, der Themenentfaltung oder auf der Formulierungsebene beobachten (z. B. Textproduktion für organisationale Change-Prozesse, strategische Praktiken in Corporate Newsrooms, narrative Vertextungsstrategien, Moderationspraktiken für dialogische Netzwerke in Social Media, inklusionsorientierte Sprachstrategien, krisenorientierter Sprachgebrauch im Corona-Kontext). Daran schließt sich unter anderem die Frage an, wie sich gemeinsame Themen, Meinungen und Einstellungen aus diskurstheoretischer Perspektive gerade im digitalen Raum entwickeln. Wie lassen sich aus empirischen Untersuchungen (wie Feldforschungen, Fallstudien, situationsbezogenen Umfragen usw.) Erkenntnisse für Theorie und Praxis des diskursorientierten Sprachgebrauchs in PR und Organisationskommunikation entwickeln? Wie reagieren auch Umfeld und Kommunikationspraxis auf diese Erkenntnisse und bringen sich z.B. mit Handlungswissen ein?
Themenblock 4: Methoden der Sprach- und Diskursforschung für PR und Organisationskommunikations- forschung
Um das Handeln von Akteuren in Organisationen und für sie zu durchdringen, wählen interpretative und kritische Strömungen der Organisationslehre unter anderem den Sprachgebrauch als Analyseebene. Wie lassen sich Gesprächs-, Text- und Diskursanalysen für die Erforschung zentraler Bezugsgrößen wie öffentliche Meinung, Reputation und Vertrauen produktiv machen? Wie können IT- und KI-gestützte Methoden der Bildung und Auswertung großer Datenmengen (Korpora) die Forschung bereichern, welche neuen Fragestellungen lassen sie zu bzw. ermöglichen sie erst? Wie können Befunde sprach- und diskurswissenschaftlicher PR- und Organisationskommunikationsforschung in die Praxis eingehen, etwa zur Evaluation strategischer Kommunikation oder zur Präzisierung und Operationalisierung der Handlungsspielräume bei der Beobachtung, Reflexion und Steuerung von Kommunikation in Organisationen?
Offenes und interaktives Panel
Neben den genannten Themenblöcken soll erneut je ein offenes und ein interaktives Panel ermöglicht werden, für die jeweils ein Zeitrahmen von 90 Minuten vorgesehen ist. Das offene Panel soll relevanten aktuellen Forschungsbeiträgen jenseits des Tagungsfokus einen Raum bieten. Das interaktive Panel zeichnet sich durch die Nutzung innovativer Gesprächs- und Diskussionsformate wie World Café oder Roundtables aus, die ein hinreichendes Maß an Interaktivität versprechen. Zu diesem Zweck sind für das interaktive Panel Einreichungen für interaktive Formate gewünscht (z. B. Workshops, Roundtables, Theorie-Praxis-Transfer o. ä.). Ausdrücklich sind hier auch Einreichungen aus der Praxis und/oder praktische Bezüge erwünscht. Für die Tagung werden bis zu drei Vorschläge angenommen, wobei die interaktiven Formate zeitgleich stattfinden werden. Zudem sind Einreichungen für max. zwei mögliche offene Panels willkommen, die parallel stattfinden. Hierfür werden insgesamt max. acht Beiträge angenommen.
Einreichungen für das offene und das interaktive Panel werden ebenfalls im vorgesehenen Peer-Review-Verfahren begutachtet und die am besten bewerteten angenommen. Die Begutachtung orientiert sich an den Formalia und Bewertungsgesichtspunkten wie für die Themenpanel. Bei Einreichungen für das offene Panel entfällt das Kriterium des Bezugs zum Tagungsthema. Einreichungen für das interaktive Panel sollten neben Informationen zu Thema und Relevanz auch Hinweise zum geplanten Format sowie zur angedachten inhaltlichen Strukturierung und zu praktischen Bezügen und deren Anschlussfähigkeit an die wissenschaftlichen Diskurse enthalten. Diese Einreichungen sollten einen großen Teil der Zeit für offene Diskussionen einplanen. Nicht erwünscht sind Formate, die z. B. durchgängig aus vorab festgelegten Präsentationen bestehen. Ferner müssen die interaktiven Formate grundsätzlich offen für alle Tagungsteilnehmenden sein. Die Formalia der Einreichungen richten sich ansonsten nach denen der übrigen Beiträge.
Kooperationspartnerinnen
Für die ausrichtenden Institute (Darmstadt, Osnabrück, Winterthur/Zürich, Hannover)
Lars Rademacher, Darmstadt
Christian Schwägerl, Osnabrück
Peter Stücheli-Herlach, Winterthur/Zürich Ulrike Buchholz, Hannover
Annika Schach, Hannover
Für die Schader Stiftung als gastgebende Kooperationspartnerin
Alexander Gemeinhardt, Darmstadt
Özlem Zahra Eren, Darmstadt
Die 1988 gegründete gemeinnützige Schader-Stiftung fördert den Dialog zwischen Gesellschaftswissenschaften und Praxis, insbesondere Politikwissenschaft, Soziologie sowie Medien- und Kommunikationswissenschaft. Sie för- dert dialogorientierte Projekte und Veranstaltungen und stellt dafür wissenschaftliche Begleitung, organisatorische Unterstützung und die Infrastruktur des Schader-Campus in Darmstadt zur Verfügung.
Für die Fachgruppe Mediensprache – Mediendiskurse
Daniel Pfurtscheller, Innsbruck
Philipp Niemann, Karlsruhe
Die Fachgruppe Mediensprache – Mediendiskurs nutzt die in der Linguistik und den Diskurstheorien entwickelten Methoden, Modelle und Fragestellungen als Ausgangspunkt für die Analyse der Medienkommunikation. Damit ergänzt die Fachgruppe auf methodologischer Ebene die in der Kommunikationswissenschaft vorherrschende Ma- kroperspektive auf Medienkommunikation um eine mikrostrukturelle Dimension und trägt zur Integration beider Perspektiven bei.
Für die Fachgruppe Public Relations und Organisationskommunikation
Helena Stehle, Münster
Sophia Charlotte Volk, Zürich
Im Mittelpunkt der Arbeit der Fachgruppe Public Relations und Organisationskommunikation steht die Forschung zur Kommunikation in, von und über Organisationen. Seit ihrer Gründung im Jahr 1991 vertritt und unterstützt die Fachgruppe die Interessen der DGPuK-Mitglieder, die zu Themen und Fragestellungen der Public Relations und Organisationskommunikation forschen und lehren.