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Wohnwandel durch Strukturwandel

Artikel vom 21.05.2001

Wie reagieren Wohnungspolitik, städtebauliche Planung, Wohnungswirtschaft, Immobilienbau und -verwaltung auf gesellschaftliche Veränderungsprozesse? Wo finden sich Anknüpfungspunkte zwischen den Erfahrungen der Praxis und Erkenntnissen der Gesellschaftswissenschaften? Von Kirsten Krüger und Hubert Heinelt

Gesellschaftlicher Strukturwandel

Bewegung allerorten. Die Gesellschaft der Bundesrepublik ist im Umbruch begriffen. Das erfolgreiche Nachkriegsmodell der westdeutschen Gesellschaft als Garant für individuelle und kollektive Sicherheiten und Wohlfahrt ist reformbedürftig. Die Modernisierung des Bildungssystems ist in der Diskussion. Um die Reform des Rentensystems wird gekämpft. Gleichgeschlechtliche Ehen sind längst kein Tabu mehr.

Viele andere Veränderungsprozesse wären zu nennen, doch sind diese hier nur exemplarisch erwähnten Diskussionen und Bewegungen der Gesellschaft ein Reflex darauf, dass die tragenden Säulen der deutschen Nachkriegsgesellschaft Risse aufweisen. Der Wandel der Arbeitswelt hin zu einer Informations- und Dienstleistungsgesellschaft mit mehrfach wechselnden Arbeitsplätzen und Tätigkeitsprofilen innerhalb eines Berufslebens löst das Modell der industriellen Erwerbsgesellschaft mit einem sogenannten Normalverdiener und Haushaltsvorstand auf.

Die Bevölkerungszahl der Bundesrepublik schrumpft, während gleichzeitig der Anteil älterer Menschen sowie der von Zuwanderern aus unterschiedlichen Kulturen ansteigt; dieser demographische Wandel fordert das Modell des Generationenvertrags in einer bis dato relativ homogenen Gesellschaft unübersehbar heraus. Und schließlich: Der Wandel der Lebensformen und Lebensstile in nahezu allen Bevölkerungsgruppen und Regionen, charakterisiert durch die miteinander verbundenen Bewegungen der Pluralisierung einerseits und der Individualisierung andererseits, stellt das Lebensmodell der Normalbiographie in Frage, in deren Zentrum die Kleinfamilie steht.

Neue Anforderungen an Wohnungsbau und Quartiersplanung

Seit etwa drei Jahrzehnten bereits befindet sich die bundesrepublikanische Gesellschaft in diesem fundamentalen Veränderungsprozess, der in jüngster Zeit an Dynamik und Brisanz stark zugenommen hat. Individuelles Wohnen und gesellschaftliches Zusammenleben bleiben in ihren Formen und Funktionen von diesen Veränderungen nicht unberührt. Im Gegenteil: An vielen Orten haben sich längst neue Formen des Wohnens und Miteinander-Lebens entwickelt, wie etwa Wohngemeinschaften nicht nur für Studierende, betreutes Wohnen oder Wohnresidenzen für ältere Menschen, Modelle für das Wohnen mit Kindern oder Nachbarschaftskulturen zugewanderter Mitbürger.

Wohnungspolitik und Planung, Immobilienbau und -verwaltung lassen zwar vielfältige und interessante Ansätze zur Aufnahme und Weiterführung dieser gewandelten Wohn- und Lebensbedürfnisse erkennen, ihre Beiträge bilden jedoch häufig Solitäre in einer ansonsten herkömmlichen Vorstellungen und Bedingungen verhafteten Wohnlandschaft, die sich insbesondere im Immobilienbestand, vielfach aber auch in der Wohnungsverwaltung spiegelt. Verbreitet ist der klassische Wohnungszuschnitt für die Kleinfamilie mit sogenanntem „Elternschlafzimmer“ und beengtem „Kinderzimmer“. Gängig ist auch die Trennung von Arbeitsplatz und Wohnort, die in der Regel eine Spaltung von Beruf und Familie mit sich bringt. Und unter Verwaltungsgesichtspunkten am besten gelitten ist nach wie vor die möglichst langfristige Bindung des Mieters an seine Wohnung oder des Eigentümers an seine Immobilie.

Herausforderungen für das Wohnen

Wie aber sollen wir wohnen und wie wird sich das Gesicht der Städte verändern, wenn in der neuen Arbeitswelt die Standortfestigkeit der Arbeit wie auch der Arbeitnehmer abnimmt, wenn Arbeiten und Wohnen einerseits immer näher zusammenrücken, die berufsbedingte Mobilität jedoch aufgrund von Arbeitsort oder Berufswechsel steigt? Welche Wohnbedürfnisse wird die fortschreitende Alterung der Bevölkerung hervorbringen, und wie wird sich dies auf das Zusammenleben der Generationen auswirken? Wie kann die Gestaltung des Wohn- und Lebensumfelds zu einer gelingenden Integration von Zuwanderern beitragen? Und schließlich: Welche Quartiersstrukturen und Wohnungsangebote tragen den individuell und gesellschaftlich variierenden Wohnbedürfnissen tatsächlich Rechnung?

Alle diese Fragen und Anforderungen zeigen, daß Wohnungspolitik heute weit mehr umfaßt als die Bereitstellung von Wohnraum für alle. So wichtig und erfolgreich diese Leistung der Wohnungspolitik in der Vergangenheit war, für die Zukunft werden von ihr bauliche und städtebauliche, soziale, ökologische und wirtschaftliche Leistungen gleichermaßen erwartet. Wohnungspolitik und mit ihr die Aufgaben städtebaulicher Planung und verantwortlicher Umsetzung in Wohnungswirtschaft, Bau- und Immobilienbranche stehen damit am Schnittpunkt vielfältiger gesellschaftspolitischer Interessen. In Zukunft müssen sie beweisen, ob sie zu einem Hemmschuh oder einem zentralen Faktor der Modernisierung und Weiterentwicklung der Gesellschaft werden.

Einsichten und Erkenntnisse der Gesellschaftswissenschaften können die Erfahrungen der Praxis hilfreich ergänzen und Modelle von „best practice“ fördern. Zentrales Anliegen der Schader-Stiftung ist es daher, Kontakte zu schaffen

  • zwischen jenen, die das Alltagsgeschäft der Wohnungswirtschaft, der Planung und Entwicklung betreiben, und jenen, die die Veränderungen unserer Gesellschaft untersuchen,
  • zwischen denen, die sich Gedanken um die unterschiedlichen Wohnbedürfnisse machen, welche mit den neuen Arbeitsformen, Lebensphasen und kulturellen Stilen einhergehen, und denen, die versuchen, diesen neuen Anforderungen im Recht, in der Verwaltung, im Bauen von Wohnungen eine Chance zu geben,
  • zwischen all den genannten Fachleuten und Mittlern, die - als Journalisten etwa - in der Lage sind, veränderte Wohnchancen auch in die öffentliche Diskussion, in die Wünsche und in die Nachfrage der Menschen eingehen zu lassen.

Die Autoren: Dr. Kirsten Krüger, Kulturwissenschaftlerin, war von 2000 bis 2009 Wissenschaftliche Referentin der Schader-Stiftung. Prof. Dr. Hubert Heinelt ist Professor für Politikwissenschaft an der Technischen Universität Darmstadt. Er war von 1998 bis 2000 Mitglied des Vorstands der Schader-Stiftung.
 

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