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Zeit ist Geld

Artikel vom 07.11.2013

Den Takt für das Arbeits- und Freizeitverhalten gibt heute ausschließlich die Erwerbsarbeit vor. Unsere früheren Zeitrhythmen z.B. in der Landwirtschaft oder im Handwerk, auch die Zeitrhythmen des kirchlichen Kalendariums, die andere Rhythmen als die gleichförmige Erwerbsarbeit vorgeben, sind verloren gegangen. Wie gestalten sich die sozialen Muster in der neuen Arbeitswelt?

Arbeitsmarktentwicklung in Deutschland

Von 1991 bis 1996 sind in Deutschland rund 2 Mio. Arbeitsplätze verschwunden. 1996 waren in den Arbeitsämtern 2,6 Mio. erwerbslose Frauen und Männer registriert. Im Jahr 2002 waren es gut 4 Mio.

Im industriellen Sektor wurden rd. 2,5 Mio, in der Landwirtschaft 450.000, im Bereich Handel und Verkehr 317.000, beim Staat und bei privaten Organisationen 148.000 Arbeitsplätze abgebaut. Dagegen wuchs die Zahl der Arbeitsplätze im Dienstleistungsbereich um 1,4 Mio. (2002).

Teilzeitarbeit ist in Deutschland mit 16 % im Vergleich zu anderen EU-Ländern weniger stark verbreitet.

Neuen Schwung auf dem Arbeitsmarkt soll Zeitarbeit geben.

Der Bereich der Schattenwirtschaft boomt in Deutschland; nach Aussage des Unternehmensberaters Roland Berger beträgt der Anteil am BSP 16%, was 330 Mrd. Euro jährlich entspricht.

Die Ausgegrenzten: Krise des Selbstwertgefühls im Sozialsystem

Was werden die "aus dem System Gefallenen" - Arbeitslose, Ältere, Einkommensschwache - in den marginalisierten Quartieren tun? Auf Seiten der Älteren zeigen sich Tendenzen des Rückzugs in die eigenen vier Wände, Fernsehen wird alleiniger Zeitvertreib, viel Tatkraft liegt als ungenutztes Potenzial brach.

Pessimismus kennzeichnet seit Mitte der 1990er Jahre die Stimmung unter den jungen Ausgegrenzten, die sich hierin von ihren integrierten Altersgenossen unterscheiden. Nachdem diese lt. Shell-Studie 1997 noch stark Spaß-orientiert waren, dominiert nunmehr der Pragmatismus als Weltsicht.

Die jungen Ausgegrenzten ziehen sich aber nicht zurück wie ihre Eltern, sondern überschreiten die Grenzen der Wohngebiete und reagieren mit einer provokativen Besetzung der öffentlichen Räume.

Die Fixierung auf die Erwerbsarbeit führte zu Fehlern in Planung und Bau

Im Ruhrgebiet wurden in den 1960er Jahren die differenzierten und kleinteiligen Arbeitersiedlungen abgerissen, um modernen Sozialsiedlungen Platz zu machen, in denen die Bewohner nichts anderes tun können als wohnen.

Häufig sind solche Quartiere in kommunaler Hand. In vielen von ihnen leben die Ausgegrenzten dieser Gesellschaft. Wie werden die Wohnungsunternehmen reagieren, wenn sie nurmehr Ausgrenzung und Mangel zu verwalten haben?

Verdankt das oft gescholtene Reihenhaus seine Attraktivität möglicherweise auch dem Umstand, dass seine Bewohner dort mehr machen können, als nur zu wohnen?!

Carpe diem!

In dem Artikel "Von der Sehnsucht, die Uhr zu besiegen" (FAZ vom 2.1.1999) berichtet Dirk Schümer von einem Problem, vor dem Mitte des 18. Jh. britische Großgrundbesitzer standen, die in neue Techniken für Aussaat und Ernte investiert hatten: "Um die wachsenden Großstadtmärkte der keimenden Industriekultur mit Nahrungsmitteln beliefern zu können, führte man für Landarbeiter einen erhöhten Rekordlohn während der Erntezeit ein. Doch der Effekt war anders als erhofft. Anstatt nun mit modernsten Sensen und Garbenbindern bis in die Nacht zu ernten, machten die Tagelöhner schon am Mittag Feierabend. Sie hatten ihren hergebrachten Tagesverdienst beisammen und ließen darum die Ernte liegen, anstatt sich für Geld krummzulegen, das sie offenbar nicht brauchten." Offensichtlich wussten sie etwas mit dem Rest des Tages anzufangen, was sie zufriedenstellte, oder sie wussten nicht, was sie mit mehr Geld tun sollten.

Das ist heute anders. Für höhere Löhne wird schnellere und effektivere Arbeit verlangt. Für mehr Lohn wird länger gearbeitet. "...die immens gewachsene Arbeitsproduktivität (hat) unser ganzes Leben unwiderruflich durchdrungen. (...) In dem Glauben, dass Geld Zeit überwiegt, folgen wir längst dem Ticken eines inneren Zeitmaßes, das sich im Tempo unserer Produktivität beschleunigt und aus dessen Gehäuse wir nicht mehr entkommen können."

Die Integrierten: Fit for Job

Im Erwerbsleben gilt: damit sich der Einsatz teurer Maschinen und teurer, hochqualifizierter Arbeitskräfte lohnt, muss der Produktionsprozess beschleunigt, die Produktivität erhöht werden.

Der Takt der Arbeit strukturiert auch die Freizeit mit ihren Angeboten für Fitness, Wellness, Kultur etc. Als fester Glaube gilt, nur wer daran teilnehme, könne auch im Arbeitsleben bestehen.

Wissensarbeiter erobern die Stadt

Der Rohstoff der Zukunft heißt Information. Ihn verarbeiten die so genannten Wissensarbeiter, die als Ausführende oder Kreative einem neuen Arbeitsstil, neuen Zeitmustern und Lebensbedürfnissen Vorschub leisten. Die traditionelle Trennung von Berufs- und Privatleben ist ihnen unbekannt; mit der unfassenden Ausbreitung des Internets und der Telekommunikationsmedien können sie jederzeit an jedem Ort arbeiten. Die Wohnform, die ihrem Lebensstil entspricht, ist der "Loft".

Diversifizierung: die neue Geschäftsstrategie

Diversifizierung ist das Charakteristikum der neuen Arbeitswelt, vor allem Dienstleistungen jedweder Art werden ergänzend zum Kerngeschäft angeboten.

Diesem Trend folgen auch viele Wohnungsunternehmen. Besonders erfolgreich ist dabei die Wohnbau Mieterservice GmbH aus Gießen, die als Tochtergesellschaft der Wohnbau Gießen ein breites Leistungsspektrum offeriert.

Beispiel: Halle - Anerkennung durch Arbeit

Nach dem Motto "Wohnen und Arbeit: die Verbindung elementarer Grundbedürfnisse des Menschen" wurde die Gestaltung des Wohnumfeldes in Halle-Neustadt durch neun vormals langzeitarbeitslose Bewohner mit Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen durchgeführt. 
Die Halle-Neustädter Wohnungsbaugenossenschaft bewertet das Projekt folgendermaßen: "Die ersten Ergebnisse sind schon zu sehen. Nicht nur die aktiv beteiligten Mitglieder, sondern wir alle sind sehr stolz darauf, was wir geschafft haben. Unseren Mitgliedern in Not wieder ein Lebensgefühl zu geben, dass sie noch gebraucht werden, dass sie in der Lage sind, ihren eigenen Unterhalt zu verdienen und nicht von der Sozialhilfe abhängig zu sein. Das ist der größte Erfolg, nicht nur ein finanzieller, sondern auch ein moralischer Erfolg. Unsere Zielstellung als Genossenschaft ist es, besonders in dieser wirtschaftlich schweren Zeit über das Grundbedürfnis Wohnen hinaus auch das Grundbedürfnis nach Arbeit, mindestens in bescheidenem Umfang und entsprechend unserer Möglichkeiten, als besondere Dienstleitung für besonders Bedürftige einzubeziehen."

Beispiel: Hamburg - Sozialmanagement im Altonaer Spar- und Bauverein

Im Rahmen von Sozialmanagement soll ein Förderverein des Altonaer Spar- und Bauvereins eG (ASBV) den Zusammenhalt innerhalb der Mieterschaft stärken. Das Mitglied mit seinen individuellen Bedürfnissen sollte wieder mehr in den Mittelpunkt gerückt werden, und zwar über seine rein wohnliche Versorgung hinaus - dies ist eines der zentralen Motive des Vereins. Umgesetzt wird dies durch einen Beratungs- und Betreuungsdienst mit dem Schwerpunkt der Betreuung älterer Menschen und Hilfen für Familien (d.h. Betreuungs- und Pflegekatalog; Einrichtung eines Nachbarschaftstreffs). Ziele der Arbeit sind, die Gemeinschaft zu stärken, Aktivitäten anzustoßen und zu fördern, der Vereinsamung und Ausgrenzung entgegen zu wirken, die Senioren- und Nachbarschaftshilfe zu erweitern und die Betreuung von Hilfs- und Pflegebedürftigen vor Ort zu fördern. Dem ASBV ist es mittlerweile gelungen, sehr engagierte, meist ehrenamtliche Helfer zu finden und damit ein Netz sozialer Aktivitäten aufzubauen. 

Beispiel Bielefeld - Sozialmanagement in der Freien Scholle

Die Freie Scholle eG hat eine eigene Altenberatung und -betreuung aufgebaut und einen Nachbarschaftshilfeverein gegründet, der u.a. verschiedene Gemeinschaftseinrichtungen unterhält. 

Beispiel: Arche Rostock e.V. - Chancen für Jugendliche

Der Verein Arche e.V. kaufte ein von Punks besetztes, herrenloses Haus in der Rostocker Innenstadt und sanierte es unter Mitarbeit der Jugendlichen. Ziel des Vereins ist es, "sozialen Sprengstoff" zu vermeiden und Konflikte durch die Möglichkeit des Gefühls der Verantwortung zu entschärfen. Der Verein beabsichtigt, schwächeren Mitgliedern der Gesellschaft durch neue Aufgaben oder andere Ideen zu helfen und "vor einem möglichen Sturz ins Nichts" zu bewahren. Bei dem Wohnprojekt wurden zwei Gebäude mit den späteren Nutzern ausgebaut, wobei deren handwerkliche Fähigkeiten einen Teil des Grundkapitals darstellten. 
Seit Oktober 1999 fördert der Verein die Beteiligung von Kindern, Lehrern und Eltern an der Umgestaltung "ihrer" Schulhöfe. Es werden erlebnisreiche und naturnahe Schulhöfe im Zusammenwirken von Planern, Behörden, Schulgemeinschaften und Mitarbeitern des Vereins Arche Rostock e.V. entstehen. (Verein Arche Rostock e.V., Altschmiedestraße 31, 18055 Rostock) 

Beispiel: Berlin, Viktoria-Quartier

Für das Viktoria-Quartier in Berlin-Kreuzberg wird mit dem Motto "Lebensart am Kreuzberg" geworben. Ehemalige Brauereigebäude am Viktoria-Park im Zentrum Berlins werden zu Lofts, Penthäusern und Townhouses umgebaut. Kombiniert mit Gewerberäumen ist das Projekt, dessen Angebot angemessener Infrastrukturausstattung besonders betont wird, attraktiv für Menschen, die Wohnen und Arbeiten verbinden und ihre freie Zeit produktiv nutzen wollen.

Beispiel: Berlin - WeiberWirtschaft

Das beispielhafte Ergebnis eines Zusammenschlusses zur Etablierung neuer Geschäftsideen ist die Weiberwirtschaft eG in Berlin. In der Weiberwirtschaft eG in Berlin arbeiten gemeinsam über 50 Frauenunternehmen in einem der ersten modellhaft sanierten Gewerbezentren Deutschlands, das sich von Anfang an auch durch eine sehr gute Infrastruktur auszeichnete. Mit der "Fusion" der Bedarfe an Infrastruktur, informeller Unterstützung und der strukturellen Ausrichtung des Gründerinnenzentrums an diesen Bedarfen haben sich nicht nur neue Geschäftsideen realisieren lassen. Die Infrastruktur und die räumliche Nähe verschiedener Gründerunternehmen bietet jeder Einzelnen die Chance, dass sich die Umsetzung ihrer Idee über dieses Projekt hinaus etablieren kann.

Beispiel: Arbeiten und Wohnen - das Beispiel Razorfish in New York

"Aus dem New Yorker Stadtteil Soho ist Silicon Alley geworden. Internetunternehmen wie Razorfish machen sich in alten Fabrikhallen und Künstlerateliers breit. 
Alle Kerben im alten Holzfußboden sind in den Büroräumen des jungen Internetunternehmens, ein mit seinen Aktien an der amerikanischen Nasdaq-Börse notierter Entwickler von Internet-Seiten, noch vorhanden. Razorfish hat sein New Yorker Büro inmitten des Soho genannten Teils von Manhattan. Und dort, wo heute Internet-Seiten für Unternehmen wie America Online, den Internet-Broker Schwab, die Fernsehsender CBS und NBC, die Nasa und die deutsche Illustrierte Stern entwickelt werden, wurden die Häuser um 1850 zunächst für Lebensmittel-, Textil- und Möbelhändler gebaut. Damals war Soho das größte Industrie- und Geschäftszentrum New Yorks. Anfang der siebziger Jahre dieses Jahrhunderts hatte Soho seinen geschäftlichen Elan verloren. Immer mehr Künstler auf der Suche nach großen, hellen und billigen Ateliers richteten sich in den alten, verlassenen Lagerhäusern und Fabrikräumen ein. Heute sind zwar die Künstler noch da, aber der geschäftliche Elan ist in Form des Internets ebenfalls zurückgekehrt. 
In Anspielung an das weithin bekannte Silicon Valley in Kalifornien, die Wiege der Hochtechnologie, werden diese Straßen in New York jetzt Silicon Alley genannt. Denn Razorfish ist nur eines der zahlreichen Internet-Unternehmen, die sich hier inzwischen niedergelassen haben. Diese Neugründungen befassen sich in der Regel nicht mit dem technischen Hintergrund des Internet, sondern mit der Programmierung der Inhalte. Die avantgardistische Atmosphäre in New York mag der dabei benötigten Kreativität zugute kommen. (...) Gegründet wurde Razorfish erst 1995 von Graig Kanarick, der seine Haarfarbe gern alle paar Wochen einmal wechselt, und Jeff Dachis, nicht in der Garage, aber in einem Wohnzimmer." In: FAZ vom 14.7.1999 

Verwaltungsgemeinschaft Bismarck bei Stendal - Dienstleistungen in neuen Angebotsformen

Im Bürgerbüro der Verwaltungsgemeinschaft Bismarck werden öffentliche und private Dienstleistungen angeboten.  Bürgerbüros sind quasi multifunktionale Servicestellen im ländlichen Raum, die für Anbieter den Vorteil bieten, keine eigenen Filialen vorhalten zu müssen, und für den Bürger den Vorteil bieten, den täglichen Bedarf decken und Dienste in Anspruch nehmen zu können, die es sonst nur bei hochspezialisierten Anbietern in Ballungsräumen gibt.

Bamberg, Joseph-Stiftung - Diversifizierung

Die kirchliche Wohnungsbaugesellschaft Joseph-Stiftung in Bamberg hat in Energieerzeugung und Energiehandel sowie in bauhandwerkliche Tätigkeitsfelder diversifiziert. Dazu wurden Tochtergesellschaften gegründet. 

Wohnbau Mainz - Dienstleistungen aus einer Hand

Die Wohnbau Mainz hat die integrierte Sachbearbeitung im kaufmännischen Kundenservice eingeführt. Die Ansprechpartner bieten Service aus einer Hand und sind zuständig für Mietvertragsabschluss, Mietbeendigung, Berechnung der Nebenkosten, kaufmännische Betreuung rund um die Mietwohnung, Organisation und Leitung von Modernisierungsmaßnahmen, Divergenzen mit Nachbarn, Mietschuldnerberatung.

Links und Literatur

Atmaca, Delal: Wohnen und Arbeiten, Arbeiten und Wohnen? Das Beispiel "WeiberWirtschaft eG" in Berlin". In: wohn:wandel. Szenarien, Prognosen, Optionen zur Zukunft des Wohnens. Darmstadt: Schader-Stiftung 2001 

Behnecke, Volker: Dienstleistung in der Wohnungswirtschaft. Das Beispiel der "Wohnbau Mieterservice GmbH". In: wohn:wandel. Szenarien, Prognosen, Optionen zur Zukunft des Wohnens. Darmstadt: Schader-Stiftung 2001 

Münchmeier, Richard: Marginalisierung und Abstieg. Arbeitslosigkeit unter Jugendlichen. Das Problem für Stadtteile. In: Schader-Stiftung (Hg.): wohn:wandel. Szenarien, Prognosen, Optionen zur Zukunft des Wohnens. Darmstadt 2001 

Rohde, Gerhard: Wohnungsunternehmen als Dienstleister. Wohnbegleitende Dienste aus dem Blickwinkel einer Genossenschaft. In: Schader-Stiftung (Hg.): wohn:wandel. Szenarien, Prognosen, Optionen zur Zukunft des Wohnens. Darmstadt 2001 

Shell AG (Hg.): Jugend ´97 - Zukunftsperspektiven - Gesellschaftliches Engagement - Politische Orientierung. Gesamtkonzeption und Koordination: Arthur Fischer und Richard Münchmeier. Opladen: Leske + Budrich 1997 

Shell AG (Hg.): Jugend 2000 - 13. Shell Jugendstudie. Arthur Fischer, Yvonne Fritzsche, Werner Fuchs-Heinritz, Richard Münchmeier. Opladen: Leske + Budrich 2000

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