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Stadtumbau als Begriff und politisches Deutungsmuster

Artikel vom 01.08.2010

Der Begriff „Stadtumbau“ steht heute für ein breit gefasstes Verständnis aller Arten von Umgestaltung städtischer Räume zur Anpassung an veränderte soziale, ökonomische, kulturelle, demographische und klimatische Gegebenheiten. Diesem Begriff steht allerdings eine „Stadtumbau“-Praxis gegenüber, die im Osten Deutschlands im Wesentlichen aus dem Abriss von Beständen des DDR-Wohnungsbaus besteht. Für die politische Steuerung des Stadtumbaus ist es konsequenzenreich, wie über den „Stadtumbau“ gesprochen wird, welche Problemzuschreibungen und impliziten Theorien den gängigen Redeweisen über dieses Handlungsfeld zu Grunde liegen. Von Tobias Robischon 

Einleitung

Das Wort „Stadtumbau“ ist in den letzten zehn Jahren zu einem Begriff geworden: „Stadtumbau“ steht heute für ein breit gefasstes Verständnis aller Arten von Umgestaltung städtischer Räume zur Anpassung an veränderte soziale, ökonomische, kulturelle, demographische und klimatische Gegebenheiten. Hierzu zählen insbesondere die Problemkomplexe, die aus den Folgen wirtschaftlichen Wandels, aus Bevölkerungsrückgang und Alterung resultieren: Der Rückgang der Nachfrage nach Konsumgütern, Wohnungen und Gewerbestandorten, die Unterauslastung privater und öffentlicher Infrastruktur sowie die sozialräumliche Entmischung der Bevölkerung.

Diesem Begriff des „Stadtumbaus“, als einem komplexen, die Gesamtstadt umfassenden Anpassungsprozess steht allerdings eine „Stadtumbau“-Praxis gegenüber, die im Osten Deutschlands im Wesentlichen aus dem Abriss von Beständen des DDR-Wohnungsbaus besteht. Statt eines „Umbaus“ mit vielfältigen baulichen Veränderungen findet in erster Linie eine Beseitigung von Gebäuden statt. Zudem beschränkt sich dieser Prozess nur auf einen Ausschnitt der Gesamtstadt, nämlich auf bestimmte Wohnungstypen, städtische Lagen und Immobilieneigentümer. Zwischen dem begrifflichem Anspruch „Stadt-Umbau“ und dessen städtebaulicher Realität klafft also eine erhebliche Lücke. Und obgleich die selektiven Maßnahmen des Stadtumbaus massive, flächendeckende Eingriffe in das unmittelbare Lebensumfeld einer Vielzahl von Menschen darstellen, ist die öffentliche und fachliche Debatte des „Stadtumbau“- Prozesses und der ihm zugrundeliegenden Problemlagen bemerkenswert unkontrovers – trotz der Eingriffsintensität und einer offenkundigen Lücke zwischen sprachlichem Anspruch und städtebaulicher Wirklichkeit bleibt die Debatte ohne grundlegende Differenzen und beschränkt.

Hier ist mehr als nur eine gewisse Fallhöhe zwischen Anspruch und Wirklichkeit zu konstatieren. Aufgrund der Diskrepanz zwischen der allgemeinen Zielsetzung einer Regeneration von Quartieren und Städten und der vom Abriss bestimmter Segmente des Wohnungsbestands dominierten Realität des „Stadtumbau Ost“ könnte ein Fall staatlichen Steuerungsversagens diagnostiziert werden. Vor dem Hintergrund dieser Vermutung gehen die Beiträge des Bandes „Stadtumbau komplex: Governance, Planung, Prozess“ der Frage nach, wer im „Stadtumbau“ was wie steuert und analysieren, in wieweit diese „Stadtumbau“-Praxis aus dem Zusammenspiel von Handlungsorientierungen der beteiligten Akteure und institutionellen Koordinationsformen in den verschiedenen Handlungsarenen resultiert.

„Framing“: Begriffe und Deutungsmuster definieren politisches Handeln

Eine Analyse allein in den Kategorien interessegeleiteten Handelns und institutioneller Steuerungsmechanismen läuft jedoch Gefahr, die kommunikativ- sinngebende Dimension politischen Handelns auszublenden, und sich so unkritisch die dominierenden Sichtweisen und Deutungsmuster der Akteure des Feldes zu eigen zu machen. Die Art und Weise, wie über den „Stadtumbau“ gesprochen wird, welche Problemzuschreibungen und impliziten Theorien den gängigen Redeweisen in diesem Handlungsfeld zu Grunde liegen, ist für dessen politische Steuerung durchaus konsequenzenreich. Diesem Hinweis liegt die Theorie zugrunde, dass sich die Gegebenheiten einer bestimmten sozialen Situation nicht aus sich selbst heraus zu einem sinnvollen Ganzen zusammenfügen. Erst aus der „Rahmung“ der disparaten Einzelelemente in einem bestimmten Interpretations- oder Deutungsmuster ergibt sich eine sinnhafte Definition der Situation und in Folge dessen auch Handlungsmotivationen und -ziele. Das Lehrbuchbeispiel hierfür ist das der Person, die ihr Augenlid schnell auf und ab bewegt. Je nachdem, ob dies von anderen als blinzeln (also z. B. als unwillkürliche Reaktion auf einen äußeren Reiz wie Staub) oder als zwinkern (also z. B. als bewusster Hinweis darauf, dass das Gesagte nicht ganz so ernst gemeint ist) interpretiert wird, werden deren Reaktionen darauf ganz unterschiedlich ausfallen. Was nun als politisch zu bearbeitendes Problem gilt und zum Gegenstand staatlicher Steuerung werden soll, ergibt sich nach dieser Sichtweise erst aus der Übernahme eines von in der Regel mehreren konkurrierenden Deutungsmustern, die gewisse sachlich-objektive Gegebenheiten zu einem sinnhaften Ganzen anordnen und meist zu bestimmten Interessenkonstellationen passförmig sind.

Um einen Problemkomplex verstehen und darauf reagieren zu können, benötigen Akteure ein Interpretations- oder Deutungsschema, das es ihnen ermöglicht, das „wahre“ Problem zu identifizieren, und das ihnen zudem eine Erklärung für dessen Ursachen sowie Strategien zur Problemlösung anbietet. Dieser Mechanismus der Deutung und Interpretation wird auch als „Framing“ bezeichnet, ein auf den Soziologen Erving Goffman (1974) zurückgehendes theoretisches Konzept, das sich u.a. als fruchtbar für die Analyse von Diskursen und politischen Kampagnen erwiesen hat. Der Prozess des „Framing“ besteht Snow und Benford (1988) zufolge aus drei Kernelementen, die sie als diagnostisches, prognostisches und motivationales „Framing“ bezeichnen. Das diagnostische Element des „Framings“ dient der Identifikation des Problems und der Zuweisung von Verantwortlichkeit oder Schuld, das prognostische Element des „Framings“ liefert Lösungsansätze und Handlungsstrategien, kurz Wege, wie mit dem Problem umgegangen werden kann. Das dritte, motivationale Element des „Framings“ liefert schließlich die Gründe und Motive für aktives Handeln. „Framing“ als Bestandteil politischer Rhetorik wird vom Politikwissenschaftler Jim Kuypers (2009) beschrieben. Er definiert „Framing“ als einen Prozess, in dem kommunikativ Handelnde bewusst oder unbewusst eine Sichtweise konstruieren, die andere dazu veranlasst, die Gegebenheiten einer bestimmten Situation auf eine spezifische Weise zu interpretieren. „Frames“ wirken dabei auf viererlei Weise: Sie definieren Probleme, diagnostizieren Ursachen, liefern eine moralische Beurteilung und eröffnen Lösungswege.

Wie jeder Gegenstand der politischen Kommunikation kann auch die Debatte der unter dem Oberbegriff „Stadtumbau in Ostdeutschland“ verhandelten Phänomene mit den Kategorien des „Framings“ betrachtet werden. Ob fachliche Debatte oder politische Kommunikation, beides wird hier als ein Prozess des Verhandelns unterschiedlicher Bewertungen faktischer Gegebenheiten und deren wechselseitigen Bedingtheiten begriffen. Üblicherweise wird in einer Debatte um die Dominanz von Deutungen gerungen, wie es auch der Ansatz der „advocacy coalitions“ (siehe Sabatier 1993; Egner et al. 2004, S. 292f.) beschreibt. Allerdings ist die breite Akzeptanz eines Deutungsmusters kein Beleg dafür, dass diese Sichtweise auch zwingend einer wissenschaftlich-empirischen Überprüfung standhalten würde. Denn zwar müssen sich Fakten in Deutungen einfügen, doch die gewählten Deutungen bestimmen auch, welche Fakten überhaupt als relevant wahrgenommen werden. Für den kommunikativpolitischen Erfolg eines „Frames“ kommt es daher nicht darauf an, ob die Fakten und Bedingtheiten eines Sachverhaltes von diesem „Frame“ stichhaltig, sachlich angemessen oder gar „richtig“ interpretiert werden. Die Durchsetzungsfähigkeit eines „Frames“ in einer Debatte hängt eher davon ab, ob er Sachverhalte in eine schlüssige „story“ einbettet und an vorhandene, allgemeinere Deutungsmuster anknüpfen kann. Die Begriffe, mit denen ein Sachverhalt bezeichnet wird, sind für die kommunikative Dominanz eines Deutungsmusters zentral. Bereits durch deren Assoziationsräume und wertende Konnotationen erfolgt ein „Framing“, und schon die Verwendung des Begriffs führt dazu, dass diese Deutungsmuster übernommen werden und „Begriffshoheit“ erzielt wird – ein in der politische Rhetorik altbekannter Umstand (Siehe z. B. Bai 2005). Auf diese Weise beeinflusst „Framing“ die Wahrnehmung, Situationsbeurteilung und das Handeln der Akteure eines Politikfelds.

Stadtumbau als politischer Begriff

Der Begriff „Stadtumbau Ost“ tauchte erstmals 2001 als Name des Bundeswettbewerbs „Stadtumbau Ost – Für lebenswerte Städte und attraktives Wohnen“ auf, der den Auftakt des gleichnamigen Städtebauförderungsprogramms markierte. Der Stadtumbau Ost soll, so war in den ersten Programmbeschreibungen zu lesen, den „räumlich gezielten Rückbau auf Dauer nicht mehr benötigter Wohnungen mit einer umfassenden städtebaulichen Aufwertung der vom Leerstand betroffenen Stadtteile und Wohnquartiere verbinden“. Übergreifendes Ziel des Stadtumbaus Ost sei es, „die ostdeutschen Städte und Gemeinden zu attraktiven Wohnorten zu entwickeln, die von den Bürgern und potentiellen Investoren gerne angenommen werden“. (BMVBW 2001, S. 3). Im grundlegenden Programmbeschluss des Bundeskabinetts vom August 2001 heißt es unter der Überschrift „Initiative der Bundesregierung zur Verbesserung der Stadt- und Wohnungsmarktentwicklung in den neuen Ländern“: „Die Bundesregierung will mit dem neuen Programm „Stadtumbau Ost“ ihren Beitrag für die Zukunftsfähigkeit der Städte und des Wohnungsmarktes leisten. (…) Die Ziele des Programms der Bundesregierung gehen deshalb weit über die Bekämpfung des Wohnungsleerstands hinaus. Das Programm dient der Stabilisierung von durch physischen Verfall und soziale Erosion bedrohten Stadtteilen ebenso wie dem Erhalt der teuer zu sanierenden und aus städtebaulicher Sicht besonders wertvollen innerstädtischen Altbaubestände, die überdurchschnittliche Leerstandsquoten aufweisen. (…) Zugleich unterstützt das Programm die nachhaltige Stadtentwicklung: Die Innenstädte mit ihrer ausgebauten Infrastruktur werden revitalisiert und der Zersiedlung im Umland entgegengewirkt. Mit dem Programm soll ferner erreicht werden, dass sich die Bürger in ihrer Stadt wohl fühlen und wieder stärker mit ihr identifizieren.“ (Bundeskabinett 2001, S. 1 – 2) Schon der kurze Auszug enthält eine wahrhaft umfassende Definition von Zielen des Stadtumbauprogramms: Zukunftsfähigkeit, physische und soziale Stabilisierung, Erhalt wertvoller Bestände, Nachhaltigkeit, Revitalisierung, Integration des Umlands, Identität.

Anlass für die Auflage des Programms „Stadtumbau Ost“ waren die Empfehlungen der Regierungskommission „Wohnungswirtschaftlicher Strukturwandel in den neuen Bundesländern“, die im Jahr 2000 angesichts erheblicher Leerstandsprobleme in Ostdeutschland ein umfangreiches Abrissprogramm zur Beseitigung des Überangebots von Wohnungen vorgeschlagen hatte. Das neue Programm Stadtumbau Ost sollte nun diese Abrissmaßnahmen so organisieren, dass sie auf Grundlage und im Rahmen eines gesamtstädtischen, integrierten Stadtentwicklungskonzepts stattfinden, also Bestandteil eines komplexen, die Gesamtstadt umfassenden baulichen Erneuerungsprozesses werden. Das Spannungsverhältnis zwischen einem Anspruch auf eine umfassendere Anpassung und Attraktivierung der Stadt einerseits und dem Abriss überschüssiger Wohnungen andererseits ist dem Programm Stadtumbau Ost somit von Beginn an inhärent.

Aus damaliger Sicht schien der Name des Programms geschickt gewählt zu sein, – verdeckte die Betonung des Umbaus mit seinen neutral bis positiv wirkenden begrifflichen Konnotationen von baulicher Veränderung, Erneuerung und Ergänzung doch das noch mit einem extremen Negativimage belegte Wort „Abriss“. Zu dieser Zeit war die Befürchtung verbreitet, die öffentliche Thematisierung von Wohnungsleerstand und eventuellen Abrissen dauerhaft nicht mehr benötigter Gebäude würde die jeweiligen lokalen Wachstums- und Entwicklungschancen beschädigen, da man den eigenen Standort so „schlechtrede“. Gleiches galt auch für den Begriff „Schrumpfung“. Der politischen Bedeutung der Begriffe waren sich die Experten dabei wohl bewusst:

„Auf die Wortwahl kommt es an. Ist das Glas halb leer oder halb voll? „Stadtschrumpfung“ oder „schrumpfende Stadt“ sind wissenschaftlich exakt und notwendig, politisch aber destruktiv und ungeeignet. Zu sagen was tatsächlich passiert, kann Fluch und Segen sein. Dabei geht es nicht um „political correctness“, sondern um die Vermeidung selbsterfüllender Prophezeiungen. Das Entstehen neuer städtebaulicher Muster oder die Entdeckung der Langsamkeit (städtische Geduldsfelder) verkörpern eine andere Schrumpfungsphilosophie als Bauruinen und Brachflächen. Eine Umdeutung der Begriffe kann hilfreich sein. Vor einer thematischen Überstrapazierung der schrumpfenden Stadt, wie sie sich in Teilbereichen abzeichnet, wird gewarnt. Der politische Umbauprozess einer schrumpfenden und alternden Stadt muss, so schwer es auch fällt, positive Botschaften enthalten. Die Vermittlung neuer Qualitäten oder der Aufbau einer neuen Stadtästhetik sollten im Zentrum stehen. Kommunikation und Partizipation sind nicht nur wünschenswert, sondern notwendiger Bestandteil einer sprachlichen und politischen Strategie, um Handlungspotenziale auszuschöpfen.“ (BMBF 2002, S. 2)

Zu unterstellen, hier habe ein reines Abrissprogramm aus Marketinggründen einen unverdächtigen Namen erhalten, es handele sich gar um eine Art begrifflichen „Etikettenschwindel“, wäre jedoch falsch. Die Programmbezeichnung „Stadtumbau“ ist sachlich treffend gewählt, denn die Intention eines komplexen, die Gesamtstadt umfassenden Umbauprozesses findet sich in Form des neu eingeführten und für das Programm zentralen Steuerungsmechanismus des „Integrierten Stadtentwicklungskonzepts“ wieder: „Städte und Gemeinden stehen beim Stadtumbau vor schwierigen Aufgaben. Um die einzelnen Maßnahmen des Stadtumbaus aufeinander abzustimmen und zu einem zukunftsfähigen, sinnvollen Ganzen zu verbinden, ist es notwendig, zügig integrierte Stadtentwicklungskonzepte zu erstellen. Sie sind notwendige Voraussetzung für die Förderfähigkeit von Stadtumbaumaßnahmen.“ (BMVBW 2001, S. 3). Ohne ein gesamtstädtisches Entwicklungskonzept keine Fördergelder, dies ist die fördertechnische Operationalisierung der umfassenden Erneuerungsziele. Es wäre ja auch denkbar gewesen, dass die Kommunen analog zu den Gebietskulissen anderer Förderprogramme „Abrissfördergebiete“ definieren, ohne jedoch solche Festlegungen in ein gesamtstädtisches Entwicklungskonzept einbinden zu müssen.

Der Begriff des Stadtumbaus hat in der Folgezeit eine außerordentliche Karriere erlebt. Die Gründe für die starke Verbreitung des Begriffs im letzten Jahrzehnt dürften zum einen in der verbreiteten Notwendigkeit städtebaulicher Anpassungen an wirtschaftlichen und demographischen Wandel liegen, zum anderen aber auch darin, dass sich das Wort „Stadtumbau“ als knappe und griffige Formel für ein komplexes Geschehen eignet. Vor allem aber sind die Konnotationen dieses Begriffs neutral bis positiv. „Umbau“ signalisiert zunächst weder Verlust noch Zugewinn, sondern nur sachlich-neutral Veränderung. Zugleich aber ist „Umbau“ auch mit Bedeutungen wie Erneuerung, Renovierung oder Investition verknüpft, enthält also auch positive Konnotationen einer (baulichen) Bemühung um eine bessere Zukunft. Eine neutral-positive Formulierung dürfte für viele Sprecher eine attraktive Begriffswahl sein, da ihr Kommunikationsgegenstand zumeist negative, mit wirtschaftlichen Verlusten belegte Entwicklungen sind. Die breite Nutzung des Begriffs ist auch als Indiz für die gesellschaftliche Akzeptanz der umfassenden gesamtstädtischen Erneuerungsziele interpretierbar, die das Stadtumbau-Programm dem begrifflichen Anschein nach zu erreichen sucht.

Das Begriffs-Paradox im Stadtumbau Ost

Gleichzeitig steht der Begriff Stadtumbau für eine Praxis des Stadtumbaus in Ostdeutschland, die gegenüber dem breit angelegten Bedeutungskontext als defizitär erscheinen muss. Diese doppelte Wortbedeutung hat kommunikativ zur Folge, dass es keine begriffliche Differenzierung mehr zwischen der Idee eines umfassenden, gesamtstädtischen Regenerationsprozesses und den im Rahmen des Stadterneuerungsprogramms Stadtumbau Ost stattfinden Maßnahmen gibt. Mit Selbstverständlichkeit wird alles das, was im Rahmen des Programms „Stadtumbau Ost“ stattfindet, „Stadtumbau“ genannt. So füllt sich die Bedeutung des gesamtstädtisch gemeinten Begriffs „Stadtumbau“ mit der als „Stadtumbau“ bezeichneten Programm-Praxis. Damit wird einerseits laufend eine Praxis, die lediglich ein Teil eines Ganzen ist, als das Ganze bezeichnet, und zum anderen das Ganze in seinem praktischen Gehalt auf ein Teilelement reduziert. Diese Begriffsparadoxie verdeckt den kommunikativen Widerspruch zwischen der im Namen geführten Zieldimension eines Programms, das einen umfassenden Umbau ostdeutscher Städte in Antwort auf Bevölkerungsverlust und wirtschaftlichen Wandel zu organisieren scheint, und einer Praxis, die diesem Anspruch nur zum Teil gerecht wird und vor allem aus dem Abbruch des DDR-Wohnungsbestands besteht. Da es aber nun an einer begrifflichen Differenz zwischen der allgemeinen Zielsetzung, nämlich „dem Stadtumbau“, und den zur Umsetzung dieses Ziels getroffenen Maßnahmen, und zwar „dem Stadtumbau“, fehlt, ist das Verhältnis zwischen Ziel und Maßnahmen kommunikativ nicht mehr fassbar. Weil für Maßnahme und Ziel die gleiche Begrifflichkeit verwandt wird, kann die Frage, ob die getroffenen Maßnahmen dazu geeignet sind, das Ziel zu erreichen, gar nicht mehr gestellt werden.

Dieses Paradox der Begriffsverwendung hat für die Wahrnehmung und Beurteilung der im Rahmen des Städtebauförderungsprogramms stattfindenden Aktivitäten Konsequenzen: Kommunikativ ist das Erreichen von operativen Zielen des Städtebauprogramms, etwa eine bestimmte Menge von Wohnungen abzureißen („Ziele des Stadtumbaus wurden erreicht“), nicht mehr davon zu unterschieden, ob der Gesamtprozess der baulichen Anpassung der Stadt an veränderte soziale und wirtschaftliche Verhältnisse erfolgreich verläuft. Somit kann Stadtumbau dann nur noch in den von der Programmpraxis vorgegebenen Konzepten, Kategorien und Strukturen gedacht werden. Im Ergebnis ist eine Kritik der Steuerungsmechanismen hierdurch kommunikativ blockiert, und ebenso eine Debatte über deren Weiterentwicklung oder Ergänzung. Wenn die Worte fehlen, um zwischen Ziel und Mitteln zu unterscheiden, um eine Dimension umfassender Erneuerung vom Förderalltag und den darin gegebenen Instrumentarien zu trennen, besteht die Gefahr, nicht über die Grenzen der Praxis hinausdenken zu können – und damit deren Probleme auch nicht überwinden zu können. Kommunikationspraxis wird so in gewissem Sinne selbst ein Element von Governance, da sie andere Regelungs- oder Steuerungsmöglichkeiten mangels geeigneter Begriffe „un-denkbar“ macht.

Zudem ist das Stadtumbau-Programm so rhetorisch gegen eventuell um Haushaltressourcen konkurrierende Programme immunisiert. Folgt man rein der sprachlichen Logik, braucht es neben einem Programm zur Durchführung des Stadtumbaus kein weiteres Programm zur Lösung der gleichen Aufgabe. Ein kleines Gedankenspiel soll diese Überlegung illustrieren: Würde das Stadtumbauprogramm als Wohnungsmarktstabilisierungsprogramm bezeichnet, könnte es von weiteren Programmen zur Infrastrukturanpassung, zur Innenstadtentwicklung und zur Quartiersaufwertung ergänzt werden, sowie weiterhin von einer Bund-Länder-Initiative zur urbanen Regeneration flankiert und von einem demographischen Strukturfonds unterstützt werden. Allein die Begriffsvielfalt würde beim außenstehenden Betrachter den Eindruck eines differenzierten Maßnahmenbündels für einen umfangreichen Problemkomplex entstehen lassen, nicht aber den Verdacht auf Doppelt- und Dreifachförderung. Dagegen würde derselbe Beobachter rasch zu der Auffassung kommen, dass für eine wichtige Aufgabe wie die „urbane Regeneration“ doch ein einziges, finanziell gut ausgestattetes „urbanes Regenerations-Programm“ ausreichen sollte. Anders formuliert: Zur kommunikativen Legitimation der Programmfinanzierung ist es erforderlich, einen umfassenden Anspruch aufrechtzuerhalten, selbst wenn für die Umsetzungspraxis andere, bescheidenere Formulierungen treffender wären.

Stadtumbau Ost: Ein alternativloses Frame?

Es ist jedoch nicht allein die vielleicht allzu erfolgreiche Karriere eines in guter Absicht gewählten Programmnamens, die zu dieser kommunikativen In- Eins-Setzung von Stadtumbau im Sinne von städtischer Regenerierung und Wohnungsmarktstabilisierung durch Wohnungsabriss geführt haben. An der fachlichen Debatte des Stadtumbau Ost erstaunt der Umstand, dass nur in Ausnahmefällen eine grundlegend kontroverse Argumentation vorgebracht wird. Ganz im Gegensatz zu Debatten in vielen anderen politischen Themenbereichen gibt es hier kaum Divergenzen in der Frage, was denn die angemessene Diagnose des von Schrumpfung, Bevölkerungsverlust und Wohnungsleerstand gekennzeichneten Problemkomplexes ist, und auch die Wahl der geeigneten Therapie ist kein Gegenstand von Kontroversen. Unterschiedliche Auffassungen bestehen allenfalls noch zum Umfang der Dosierung, die sich in der Sorge um eine Überdosis Abriss äußert und den Darreichungsformen der Therapie. Um im Bild zu bleiben: Ist der Abriss vor allem äußerlich, d.h. am Stadtrand anzuwenden oder auch innerlich? Wo soll er flächenhaft und wo punktuell aufgetragen werden? Erstaunlicherweise besteht unter den beteiligten Akteuren ein hohes Maß an Konsens in der Problemdeutung und über die daraus abzuleitenden Maßnahmen – und dies obwohl man hier einem komplexen und neuartigen Phänomen gegenübersteht. Dabei ließen gerade die Neuartigkeit und Komplexität einer Problemlage, für deren Bearbeitung erst wenige Erfahrungen vorliegen, eine Vielfalt von Diagnosen, Wertungen, Handlungsvorschlägen und Prioritätensetzungen erwarten. Und auch wenn der Stadtumbau als defizitär kritisiert wird, bleibt die Nachfrage nach gesellschaftswissenschaftlicher Analysen dieses Problemfeldes gering – allerdings ebenso das Interesse der Gesellschaftswissenschaften an diesem Problemfeld.

 Im Kontext des „Stadtumbau Ost“ haben die Schrumpfungsprobleme ostdeutscher Städte, ein Bündel aus sozialen und wirtschaftlichen Problemen, aus Bevölkerungsrückgang, Gebäudeleerstand und vielen mehr, nun ein „Frame“ erhalten, das die Komplexität der Schrumpfungsproblematik erheblich reduziert und eine einfache und geradlinige Definition von Problem (Wohnungsüberschuss) und Lösungsweg (Wohnungsabriss) bietet. Die inhaltliche Begründung des „Stadtumbau Ost“ liefert dabei ein im Sinne des theoretischen Konzeptes des „Framings“ vollständiges Interpretations- und Deutungsschema, das hier in vereinfachter Form beschrieben werden soll:

Erstens wird ein klar umrissenes Problem definiert: Für Ostdeutschland wird der Wohnungsleerstand als zentrales, zu bearbeitendes Problem aus der Gesamtheit der städtebaulichen Problemlagen herausgegriffen, mit denen eine schrumpfende, Bevölkerung verlierende Stadt belastet ist. Dadurch werden zugleich andere Problemfelder ausgeblendet oder als nachrangig eingeordnet, wie der Leerstand von Gewerbe- und Bürobauten, der Umgang mit Industriebrachen, unterausgelasteter technischer Ver- und Entsorgungsinfrastruktur und Verkehrswegen, die Nachnutzung nicht mehr genutzter öffentlicher Bauten wie Schulen usw. Ob die Betonung des Wohnungsleerstands sachlich angemessen ist, ist hier nicht die Frage. Entscheidend ist, dass es grundsätzlich denkbar wäre, andere Aspekte in den Vordergrund zu stellen – oder aber einen gänzlich anderen Interpretationsrahmen zu wählen, indem etwa der Wohnungsleerstand nicht als Belastung, sondern als Gewinn gedeutet wird, wie dies in Formulierungen wie „Leipziger Freiheit“ oder „Luxus der Leere“ anklingt. Weiterhin enthält das „Frame“ auch eine Deutung der Ursachen des definierten Problems: Dies sind der wirtschaftliche Strukturwandel und der Bevölkerungsrückgang. Durch den Verweis auf einen abstrakten, individuellen Einfluss entzogenen gesellschaftlichen Prozess enthält es keine Schuldzuweisung an einzelne Akteure oder Akteursgruppen, die durch anderes Handeln das Problem entweder hätten verhindern können oder im Nachhinein beheben könnten.

Zweitens leitet sich aus dieser Problemdiagnose eine Handlungsstrategie ab. Das Problem des Wohnungsleerstandes wird als reines Mengenproblem interpretiert: Aufgrund des allgemeinen, und nicht beeinflussbaren, Bevölkerungsrückgangs seien insgesamt wesentlich mehr Wohnungen vorhanden, als dauerhaft nachgefragt werden. Da dieses Überangebot eine erhebliche Belastung für die Quartiere und Städte darstelle, müssten die überschüssigen Bauten entfernt werden. Dieser Abriss müsse staatlich gefördert werden, da die Eigentümer dies nicht aus eigenen Kräften leisten können. Auch dieses Element des „Frames“ ist nicht alternativlos. Für ein Marktgeschehen, bei dem ein erheblicher mismatch zwischen Angebot und Nachfrage besteht, existiert noch eine Reihe anderer, vielfach benutzter Interpretationsmuster: In der Regel wird ein Überangebot als Ausdruck eines unattraktiven Preis- Leistungsverhältnisses der nicht nachgefragten Güter („das ist es nicht wert“) begriffen oder als Folge eines den aktuellen Ansprüchen nicht mehr genügenden Angebots („Ladenhüter“) gedeutet. Implizit enthalten diese Situationsinterpretationen Handlungsempfehlungen an die Anbieter, die ihre Preise reduzieren oder ihr Angebot qualitativ attraktiver machen müssten. Verbreitet ist auch die Figur des Anbieters, der „auf seiner Ware sitzen bleibt“, und damit bereits im Einkauf eine unternehmerische Fehlentscheidung an der Nachfrage vorbei getroffen hat. Etwas komplexer ist das Muster der „Überkapazitäten“, von denen dann gesprochen wird, wenn Unternehmen einer Branche mehr Güter produzieren (können), als sie tatsächlich absetzen. Typischerweise wird dies mit nicht erfüllten Erwartungen in steigende Nachfrage oder den Gewinn von Marktanteilen auf Kosten des Wettbewerbs erklärt. Das Überangebot an bestimmten Waren wird so als kollektive Folge einzelunternehmerischer Entscheidungen interpretiert. Entsprechend liegt, da nun „Überkapazitäten reduziert werden müssen“, die Verantwortung dafür in den Händen der einzelnen Unternehmer. Obgleich diese gängigen Interpretationen stets innerhalb des marktlichen Referenzrahmens von Überangebot – Unternachfrage erfolgen, liefern sie doch jeweils unterschiedliche Lösungsstrategien. Gemeinsam ist ihnen allerdings, dass diese stets auf einem Wechselspiel von Angebot und Nachfrage sowie dem Wettbewerb der Anbieter beruhen, zwei Komponenten, die im Falle des Stadtumbau-„ Frames“ nicht vorhanden sind. Und zu nochmals ganz anders gelagerten Verantwortungszuschreibungen und Handlungsstrategien käme es, wenn sich eine Interpretation des Wohnungsleerstands als Folgeerscheinung externer Ereignisse durchgesetzt hätte, wie etwa der hohen Arbeitslosigkeit.

Drittens liefert das „Frame“ auch noch ein Handlungsmotiv: Ein längerfristiger Leerstand sei nicht akzeptabel und jede künftige anderweitige Verwendung der Gebäude sehr unwahrscheinlich. Der Abriss sei daher alternativlos. Zudem werde die Situation umso belastender, je länger der Leerstand dauere.

Damit hat der „Stadtumbau Ost“ ein im Sinne des theoretischen Konzepts vollständiges und schlüssiges „Framing“ erhalten: Diagnostisch wird ein Problem identifiziert (Wohnungsleerstand), eine Ursache benannt (Bevölkerungsrückgang) und die Schuldfrage geklärt (keine Schuldigen). Prognostisch ergibt sich aus der Problemdiagnose (Mengenproblem) eine klare Lösungsstrategie (Mengenreduktion). Zudem liefert ein motivationales Element (dauerhafter Leerstand verschlimmert Situation) Gründe zum Handeln. Dank dieses Framings sind Problem und Lösung eindeutig definiert: Das Problem besteht in der Existenz einer messbaren Anzahl überschüssiger Wohnungen in Ostdeutschland, und deren baldiger Abriss ist die Lösung. Das hier beschriebene „Frame“ stellt trotz seines hohen Verbreitungsgrads nicht die einzig denkbare Interpretation der Situation dar. Es wären auch andere Problemdefinitionen möglich, zudem gibt es für vergleichbare Situationen gängige, aber andersgelagerte Deutungsmuster. Das dominante Framing des „Stadtumbau Ost“ mag eine sachlich besonders plausible Situationsdefinition liefern, doch ist diese weder von der Sache her noch deren Interpretation alternativlos. Und da es für die kommunikative Überzeugungskraft politischer Situationsdeutungen nur in begrenztem Maße darauf ankommt, ob ihre jeweiligen Interpretationen auch in jeder Hinsicht sachlich angemessen sind, ist es umso verwunderlicher, dass praktisch keine konkurrierenden „Frames“ vorkommen.

Konkurrierende Deutungen als Basis politischer Kontroversen

Ist allerdings dieses grundlegende „Framing“ des Stadtumbaus einmal akzeptiert, muss sich die weitere Diskussion nur noch auf die Frage konzentrieren, wie der Wohnungsüberschuss am besten reduziert werden kann. Wenn Problem und Lösungsweg so klar definiert sind, stellt lediglich die praktische Umsetzung des Lösungswegs noch vor Aufgaben. Demzufolge gibt es im Stadtumbau Ost auch kein Erkenntnisproblem: Im Gegenteil, das Problem ist präzise beschrieben und kann sogar relativ genau beziffert werden. Einer wissenschaftlichen oder anderweitigen Analyse, die helfen würde, die Situation, ihre Ursachen und Hintergründe besser zu verstehen, bedarf man insofern nicht. Ist also das beschriebene Interpretationsmuster erst einmal im Grundsatz akzeptiert, ergibt sich hieraus schlicht keinen Bedarf an wissenschaftlichen Analysen. Wissenschaftliche Analyse hat dann nur noch insofern Bedeutung, wenn sie dabei hilft, das wann, wo und wie der Abrissmaßnahmen zu quantifizieren und zu qualifizieren. Dagegen würden wissenschaftliche Versuche, die dem Wohnungsleerstand zugrundeliegenden Problematiken genauer zu verstehen, zur praktischen Problemlösung kaum etwas beitragen, schlimmstenfalls gar den Abrissprozess in seiner Dringlichkeit aufhalten. Es gibt auch kaum Anlass zu kontroversen Debatten: Die in anderen Kontexten oftmals intensiv diskutierte Frage, mit welchen Ansätzen, Projekten und Einzelmaßnahmen man eines definierten Problems Herr werden könnte, erübrigt sich im so „geframten“ Stadtumbau-Ost weitgehend. Da Abriss im Mittelpunkt der Maßnahmen steht, kann die Diskussion darüber, ob man für die in der Stadt Y gegebene Problemlage eher auf Maßnahmen des Typs A oder auf solche vom Typ B setzen sollte, nicht zu einer grundsätzlicheren Kontroverse geraten. Dieses bis weit in die Reihen von Kritikern des Stadtumbauprozesses akzeptierte „Framing“ des Stadtumbaus in Ostdeutschland kann somit relativ gut erklären, warum der Stadtumbau als solcher einerseits nur begrenztes öffentliches Konfliktpotential zeigt und andererseits die Debatte der damit zusammenhängenden Probleme argumentativ unkontrovers und spannungsarm ist und auf die engeren Fachkreise beschränkt bleibt. Angesichts solch fachlicher Einmütigkeit wundert es auch wenig, dass das gelegentlich geäußerte Unbehagen am Prozess des Stadtumbaus nicht zu nennenswerten politischen Debatten zum Thema führt: Mangels konkurrierender Deutungsmuster oder „Frames“ kann es keine grundlegenden politischen Kontroversen entzünden. Über die Gründe für die praktisch konkurrenzlose Dominanz dieses „Framings“ kann hier nur spekuliert werden. Mit Sicherheit hat die argumentativ vollständige, einfache und geradlinige Situationsdeutung die Verbreitung gefördert. Auch wird das Fehlen von Schuldzuweisungen für breitere Akzeptanz gesorgt haben. Und nicht zuletzt wird der Umstand ein Rolle gespielt haben, dass diese klare Situationsdeutung den lokalen Akteuren geholfen hat, in einer problematischen und komplexen Situation Handlungsfähigkeit zu erlangen.

Fazit

Die außerordentliche Reduktion von Komplexität im Rahmen des gängigen „Stadtumbau“-Deutungsmusters hat ihren Preis: Zugunsten lokaler Handlungsfähigkeit und der Orientierung auf Abriss-Mengenziele werden nicht nur die Vielschichtigkeit der Wohnungsmärkte, und damit die Anforderungen an deren Stabilisierung, sondern auch die Steuerungsprobleme einer umfassenden städtischen Erneuerung ausgeblendet. Das mono-kausale Interpretations- und Handlungsmuster „Beseitigung des Wohnungsüberschusses“ und die kommunikative In-eins-Setzung von Ziel und Mitteln bei der Diskussion des „Stadtumbaus“ schützen zwar vor Kritik, blockieren aber auch eine kritische fachliche Debatte der Governance des Stadtumbaus und damit von Steuerungsoptionen jenseits des Status Quo der heutigen Praxis. Eine solche Diskussion ist jedoch notwendig, stößt doch selbst die als defizitär kritisierte Politik umfangreicher Wohnungsabrisse in Ostdeutschland offenbar an ihre Grenzen. So ist die Rede von „Umsetzungsschwierigkeiten“ ein Indiz dafür, dass die Praxis des „Stadtumbau Ost“ sogar unter dem selektiven Blickwinkel des Steuerungsziels „Wohnungsmengenreduktion“ mit Problemen zu kämpfen hat. Und diese Schwierigkeiten dürften in Zukunft noch deutlich zunehmen. Nach Einschätzung von Beobachtern werden die künftigen Stadtumbaumaßnahmen mit wesentlich kleinteiligeren und komplizierteren städtebaulichen Situationen konfrontiert sein, da die Bestände und Akteurskonstellationen, mit denen man in der Vergangenheit beim Abriss „Masse machen“ konnte, inzwischen weitgehend abgearbeitet sind. Eine Reflexion der Möglichkeiten, Grenzen und Optionen der Governance von Stadtumbau (und zwar von Stadtumbau in einem umfassenden Sinne) ist daher eine Aufgabe von erheblicher Bedeutung für Politik und kommunale Praxis. Hier besteht aber bislang ein erhebliches Defizit, nicht zuletzt auch deshalb, weil der bislang dominierende „Frame“ weitergehenden Analyse- und Reflexionsbedarf negierte. Diesem Defizit gilt es entgegenzuwirken, und der Band „Stadtumbau komplex“ über die Governance des Stadtumbaus ist als ein Versuch zu verstehen, diese Lücke zu schließen.

Der Autor: Dr. Tobias Robischon ist Politikwissenschaftler und Wissenschaftlicher Referent der Schader-Stiftung. Sein Arbeitsschwerpunkt ist Stadtentwicklung im Kontext sozialen und demographischen Wandels. 

Literatur

Bai, Matt, 2005: The Framing Wars. New York Times, 17. Juli 2005.

Bundeskabinett, 2001: Initiative der Bundesregierung zur Verbesserung der Stadt- und Wohnungsmarktentwicklung in den neuen Ländern. Programm „Stadtumbau Ost“, Beschluss des Bundeskabinetts vom 15.8.2001.

BMBF, 2002: Zusammenfassung des BMBF-Zukunftsforums „Herausforderung Schrumpfende Stadt“ am 13.06.02 in Leipzig, Bonn: Bundesministerium für Bildung und Forschung.

BMVBW, 2001: Wettbewerb Stadtumbau Ost. Für lebenswerte Städte und attraktives Wohnen. Auslobung, Berlin: Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen.

Egner, Björn et al., 2004: Wohnungspolitik in Deutschland. Positionen. Akteure. Instrumente, Darmstadt.

Goffman, Erving, 1974: Frame Analysis: An essay on the organization of experience, Cambridge.

Kuypers, Jim A., 2009: Bush‘s War: Media Bias and Justifications for War in a Terrorist Age, Lanham.

Sabatier, Paul A. und Hank-C. Jenkins-Smith (Hg.), 1993: Policy Change and Learning. An Advocacy Coalition Approach, Boulder / San Francisco / Oxford.

Snow, David A. und Robert D. Benford, 1988: Ideology, frame resonance, and participant mobilization. International Social Movement Research, 1, S. 197 – 217.

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