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Zwischen Paternalismus und Mobilisierung

Artikel vom 16.06.2004

Soziale Einrichtungen in Deutschland haben teilweise einen starken amtlichen Zuschnitt, während soziale Dienste in Frankreich kooperativ und vernetzt sind. Im Folgenden wird am Beispiel quartiersbezogener sozialer Dienste in Frankreich erörtert, wie in Problemvierteln eine Territorialisierung querschnittsorientierter sozialer Dienste realisiert wurde und wie ihre erfolgreiche Wirkung Vorbild für das deutsche Konzept der „Sozialen Stadt” sein kann. Von Rainer Neef

Soziale Dienste in französischen Problemvierteln

Frankreich durchlief mit der Entkolonialisierung und der Entwicklung der EWG bis Mitte der 1970er Jahre ein heftiges Industriewachstum, eine tiefgehende Mo­dernisierung und eine stürmische Stadtentwicklung. Bis in die 1980er Jahre wurden in großem Umfang Sozialwohnungs-Großsiedlungen (Cités) hochgezogen, in und am Rande von Großagglomerationen1 sowie bei Mittelstädten. Dort wurden vor allem die benötigten Arbeitskräfte untergebracht - ländliche Zuwanderer, ImmigrantInnen, Be­wohnerInnen sanierter Innenstadtquartiere, junge Arbeiterfamilien. Ein Zehntel der Bevölkerung Frankreichs lebt heute in solchen Quartieren. Insbesondere Arbeiterfami­lien, die mit 40% der Bewohnerinnen weit überrepräsentiert gegenüber einem französi­schen Durchschnitt von 26% sind, leben mehrheitlich in Sozialwohnungen2 (Donnes Sociales 1996: 424f.; Neef 1986; Vieillard-Baron 2001: 136).

Diese Cités wurden seit den 1970er Jahren von der Krise der Industriebeschäftigung überrollt. Besonders betroffen waren hiervon die Jugendlichen sowie die ImmigrantIn­nen als gering qualifizierte und teilweise prekär Beschäftigte in Industrie und Dienstleis­tungen.

In den von Förderprogrammen erfassten Quartieren Frankreichs - davon 85% Sozial-wohnungs-Cités - mit 3 Mio. Bewohnerinnen lag 1990 der Anteil von Arbeitslosen dop­pelt, die Quote der Ausländerinnen1 dreimal so hoch wie im Durchschnitt; die Jugendar­beitslosen-Quote lag jedoch mit 30% „nur” wenig darüber (Vieillard-Baron 2001: 135f.).

1981 war es in vielen Cités zu Unruhen bis hin zu tagelangen Straßenschlachten ge­kommen, an denen überwiegend Immigranten-Jugendliche beteiligt waren. Eine umfang­reiche Immigrantenbewegung v.a. nordafrikanischer Beurs brachte in der Folge die Dis­kriminierung in Beschäftigung und Alltagsbegegnungen in das öffentliche Bewusstsein. Seit 1981 wurde mit massiven Förder-Programmen (Soziale Entwicklung der Quartiere -..Développement Social des Quartiers / Développement Social Urbain” - DSQ / DSU; ab 1991 „Stadtpolitik”) versucht, die in den Problemvierteln aufgestaute soziale Problema­tik zu reduzieren. In vertraglich geregelter Zusammenarbeit zwischen staatlichen Ein­richtungen, Gemeinden, Wohnungsgesellschaften und Bewohner-Vereinen wurden zu­nächst unzählige Cités baulich saniert; mit Bewohner-Partizipation wurden Kultur- und Freizeitangebote ausgebaut. Seit Ende der 1980er Jahre, und vor allem, seitdem es 1990/ 91 zu einer Welle von Unruhen, Straßenschlachten und Plünderungen gekommen war, die das ganze Land Umtrieben und die seitdem immer wieder in einzelnen Cités auf­flammen, liegt der Schwerpunkt klar auf Sozialmaßnahmen: Ausbau der beruflichen und sozialen Integration insbesondere von Jugendlichen, Beschäftigungsmaßnahmen und -förderung, Bildungsförderung in benachteiligten Gebieten („Zones d'éducation prio­ritaire” - ZEP), Verbesserung der gegenseitigen Kommunikation; hinzu kam eine präven­tive Sicherheitspolitik. Freilich konnte damit die Abwanderung sozial gesicherter Be­wohnergruppen und die Zuwanderung sozialer Problemfälle nicht umgekehrt und nur in einer Minderheit der Quartiere gestoppt werden (Dubet / Lapeyronnie 1994: 83ff. und 211ff; Neumann / Uterwedde 1993:108ff.; Vieillard-Baron 2001:129-191).

Was hat dies alles mit Deutschland zu tun? Nur eine Minderheit deutscher Problem­viertel sind Sozialwohnungssiedlungen; nicht Unruhen, sondern soziale Spaltungen und ein eher stilles Elend unter den Abgestiegenen charakterisieren sie, und das Ausmaß der Jugendarbeitslosigkeit ist (noch) kaum vergleichbar.

Hier wie dort haben wir es jedoch mit einer Verquickung von Arbeitslosigkeit, Armut und Migrantenproblemen zu tun; hier wie dort wirkt der Mechanismus selektiver Ab­wanderung der Erfolgreichen und des Einsickerns der Problemfälle (Häußermann 2000). In Deutschland nehmen derzeit in vielen Sozialwohnungs-Siedlungen die Probleme be­sonders rasch zu - sie blieben (zu) lange im Schatten der Altbaugebiete mit langer För­dergeschichte. In vielen Bereichen - der Bildungs- und Beschäftigungsförderung, der Entwicklung sozial-kultureller Infrastruktur und der Konfliktbewältigung, der quartiers­bezogenen Verwaltungs-Dezentralisierung wie des Einbezugs von Bewohner-Organisati­onen - erscheint die französische „Stadtpolitik” den Programmen „Soziale Stadt” weit vo­raus, und sie diente neben der Politik in Großbritannien und den Niederlanden als Vor­bild für deren Konzeptionierung (Sander 2002). Und schließlich hat die zwanzigjährige

Geschichte der Quartierspolitik eine umfassende Forschung hervorgebracht - umfang­reicher als etwa in Großbritannien oder den Niederlanden - die es erlaubt, die Nutzbar­keit ihrer Erfahrungen für Deutschland besser einzuschätzen.

Im Folgenden wird am Beispiel quartiersbezogener sozialer Dienste erörtert, wie in französischen Problemvierteln eine Territorialisierung staatlicher Verwaltungen und Dienste, ihre Querschnittsorientierung über verschiedene Aufgabenbereiche hinweg so­wie ihre Verschränkung mit Interessengruppen, Vereinen und Bewohnerinnen realisiert wurde, wie dies von den Bewohnerinnen angenommen wurde und inwieweit damit Er­folge erzielt wurden. Anschließend an das französische Parallelprojekt unserer Untersu­chung über Bewohnerpotentiale in zwei Kasseler Problemvierteln (vgl. den Beitrag von Rolf Keim in diesem Band) haben wir in drei französischen Problemvierteln zwölf Exper­ten befragt und zwei Koordinationsrunden besichtigt (Keim / Neef 2001); die Einsichten werden hier ergänzt um französische Untersuchungen und einige Erkenntnisse aus un­seren Kasseler Quartieren.

Das Angebot sozialer Dienste

Nach den „Ereignissen” von 1981 wurden die Verwaltungen und Organe staatlicher Sozial- und Arbeitsmarktpolitik räumlich und ressortmäßig „geöffnet”, auf Stadtbereiche und Quartiere aufgeteilt, in Kooperationssysteme nach Art Runder Tische und Koopera­tionspartnerschaften eingebaut und auf die Prinzipien einer kompensatorischen und partizipativen Politik eingeschworen. Sie sollten gezielt die Benachteiligungen von Prob­lemgruppen ausgleichen, diese nicht nur versorgen, sondern zu aktiver Mitarbeit anhal­ten und Bewohner- und Selbsthilfevereine einbeziehen (Astier 1991; Dubet 1995). Die jahrzehntelange und ausgreifende Förderungspolitik brachte seitdem eine Vielzahl sozi­aler Einrichtungen in die französischen Problemviertel. Sozialverwaltungen und große Wohnungsgesellschaften haben hier Filialen und Büros - etwa der soziale Dienst des Départements, die Familienkasse, die Sozialwohnungs - Verwaltungen, Arbeitsamtfilia­len u.a.m. Es wurden Sozial- und Kulturzentren eingerichtet, die nicht nur Leistungen an­bieten, sondern die Bewohnerinnen auch in gegenseitigen Kontakt und Aktivität brin­gen. In den meisten Quartieren wird zumindest ein Teil der Dienste und Hilfseinrichtun­gen in einem gemeinsamen Gebäude untergebracht, und Vereinen wird hier Raum gebo­ten. Die Vielfalt der Herkunftsregionen und Glaubensrichtungen zeitigt ein vielfältiges Organisations- und Vereinsleben, dessen Eigenwillen behördlich keineswegs immer ger­ne gesehen ist - viele Stadtverwaltungen wollen die Bildung von Communities (beson­ders von islamisch geprägten) vermeiden (Fayman 1995). Dennoch wird ihre Beratungs-,

Unterstützungs- und Kulturarbeit zu erheblichen Teilen nicht nur staatlich finanziert, sondern auch mit den sozialen Diensten koordiniert.

Exkurs: Das Problemviertel „ZAC La Noé”

Das Problemviertel „ZAC La Noé” in Chanteloup-les-Vignes mit 8.000 Ew. liegt am westlichen Rand der Region Paris, nahe der neuen Industriesiedlung Poissy. Ein archi­tektonisches Vorzeigeprojekt der 70er Jahre, füllte es sich mit vielen NeuTmmigrantln-nen (1987 waren 62% der Bewohnerinnen außerhalb Frankreichs geboren), Kindern und Jugendlichen (1999 40% der Bewohnerinnen - 1987: 52%), einem hohen Anteil von Un­qualifizierten und Arbeitslosen (durchschnittliche Quote der Programmviertel; vgl. Vieillard-Baron 1989; und persönliche Auskünfte) und wurde rasch eines der ganz schwierigen Viertel der Region. Ende der 1980er Jahre war nicht nur ein Großteil der so­zial gesicherten Bewohnerinnen weggezogen, und viele Läden und private Dienstleistun­gen hatten wegen schwindender Kundschaft, Diebstahl, Vandalismus und Belästigungen geschlossen. Auch viele staatliche Einrichtungen (darunter die Familienkasse, der Departement-Sozialdienst und selbst die Post) hatten sich zurückgezogen, nicht zuletzt, weil ihre Beschäftigten großenteils „von außen” kamen und die Arbeit hier „unzumut­bar” fanden. Die „Ereignisse” von 1990/91 brachten der ZAC „La Noé” Berühmtheit (und erst recht danach der Film „Hass”). Seitdem wurde eine Vielzahl sozialer Einrichtungen und Versorgungsbetriebe neu entwickelt, die ihr Personal soweit möglich vor Ort rekru­tierten und qualifizierten. Im Jahr 2000 sind verzeichnet: drei Einrichtungen der Arbeits­vermittlung und beruflichen Bildung, eine Koordinationsstelle für Beschäftigungsent­wicklung, drei Beschäftigungsgesellschaften (Kinderbetreuung, Restauration, Bau und Instandhaltung); vier Sozialzentren bzw. Sozialhilfestellen und vier Nachbarschafts- und Kulturzentren, zum Teil für einzelne Gruppen wie Immigrantinnen; fünf Einrichtungen für Kinderschutz und Elternhilfe; fünf Einrichtungen der Drogen- und Problemhilfe für Jugendliche und eine Opferhilfe; fünf Bürgerzentren und Mieter-Initiativen; sowie fünf­zehn ethnische, Schuleltern- und Sport-Vereine - unter letzteren auch Box- oder Karate­clubs mit erzieherischem Einschlag (Info-Loup, éd. 1998). Der größere Teil ist an einem zentralen Platz in leer stehenden Ladenlokalen untergebracht. Eindrucksvoll sind ihre enge Kooperation und ihr Beschäftigungspotential. Das Département übergreifende Be­ruf sförderungszentrum C.P.F. („Centre de Promotion par la Formation”) zum Beispiel bietet für Langzeitarbeitlose und schwer vermittelbare Jugendliche persönliche Be­standsaufnahme, Berufseinstiegskurse, Bewerbungshilfen und Praktikumsbegleitung. Es betreibt eine Ausbildungsküche, bringt seine Klientinnen vorzugsweise in den drei örtlichen Beschäftigungsgesellschaften unter, begleitet ihren Werdegang und vermittelt die Erfolgreichen weiter an einen örtlichen Ausleger des Arbeitsamts oder im Rahmen eines Kooperationsvertrages an die nahe gelegene Peugeot-Fabrik und ist in der lokalen Beschäftigungs-Koordinationsrunde (mission locale) vertreten. Die Mitarbeiter­innen haben viel Menschenkenntnis und einen guten Sinn für Alltagsprobleme - und zeigen einen gewissen Paternalismus („Wenn wir Kontakt zu einem gefunden haben, las­sen wir ihn nicht mehr los”).

Nicht in allen Quartieren sind Arbeitsteilung und Kooperation so wirkungsvoll orga­nisiert. Im Untersuchungsgebiet „Champs Montants” (3.100 Ew.) in Audincourt, nahe der großen Peugeot-Fabrik Sochaux in der Agglomeration Montbéliard-Belfort in Ostfrank­reich - mit einer dem Durchschnitt der Programmviertel entsprechenden Bewohnerin­nenzusammensetzung - gibt es zwar, wie überall, eine chef de projet (Quartiersmanagerin). Sie hält Kontakte zu allen örtlichen Einrichtungen, bietet Vereinen Unterstützung an, moderiert Koordinationsrunden und stellt Berichte und Daten für Evaluationszwe­cke zusammen. Aber außer dem Arbeitskreis „Sicherheit”, einem Runden Tisch „Jugend” und dem selten tagenden Quartiersbeirat gibt es nur eine Einrichtung mit übergreifen­der Aktivität: den gemeinnützigen Verein M.J.C. (Haus der Jugend und Kultur) mit vier Beschäftigten und etlichen Ehrenamtlichen, geleitet von einer im Quartier aufgewachse­nen Frau marokkanischer Herkunft. Er bietet Freizeit- und Ferienaktivitäten, Mal- und Nähkurse v.a. für Jugendliche und Migrantenfrauen, Schülerbetreuung und -nachhilfe an in Kooperation mit einem Elternselbsthilfe-Verein (fünf Beschäftigte und ein Dutzend Freiwillige), und wird von immerhin 20% der Bewohnerinnen genutzt: „Aber das Drittel der schwierigsten Bewohner erreichen wir nicht”. Die Kooperation mit der örtlichen Wohnungsgesellschaft ist gering. Die Sportvereine und die Bildungsvereinigung „Échange et savoir” verständigen sich zwar über Besprechungsrunden, kooperieren aber nicht direkt; die Filiale des Freizeitzentrums „Francas” (eine Beschäftigungsgesellschaft) und die im nächsten Ort angesiedelte Vermittlung kleiner Jobs für Frauen und Jugendli­che „Travailler ensemble” agieren weitgehend selbständig (Keim / Neef 2001; Vieillard Baronetal. 2001: 118ff).

Doch selbst hier zeigt sich die Eigenart der sozialen Dienste und Leistungen in fran­zösischen Problemvierteln: Sie sind vernetzt über Entscheidungsrunden, Arbeits-Nach­mittage und Runde Tische. Die vertraglich geregelte Finanzierung über fünf bis sieben Jahresperioden verpflichtet sie auf bestimmte Arbeitsbereiche, auf Kooperation und auf regelmäßige Berichterstattung (Ville de Valentigney 2000a und b). Sie müssen sich Selbsthilfevereine als gleichberechtigte Partner gefallen lassen und sich um Mitwirkung der Bewohnerinnen bemühen. Schwerpunkte der Tätigkeit:

  • Im Bereich Beschäftigung gibt es in der Regel eine Vielzahl von Institutionen und Projekten, zum Teil als Verbindungsstellen zwischen Arbeitsamt und Quartiers­ebene. Fast alle sind auf spezielle Arbeitslosengruppen ausgerichtet - Jugendliche, Migrantinnen, Langzeitarbeitslose mit Problemkumulationen. Wesentliche Instru­mente sind - wie in Deutschland - die Verbindung von Arbeiten und Lernen sowie Lohnkostenzuschüsse. Vermittelt wird vorzugsweise in soziale (Beschäftigungs-) Betriebe, in Quartiersbetriebe (régies de quartier), in öffentliche Dienstleis­tungen und Verwaltungen, sowie in einzelne Großbetriebe, die - wie etwa Peugeot - über Verträge einbezogen sind. Grundsätzlich werden zuerst die persönlichen Alltags- und Berufsfähigkeiten und Erwartungshaltungen diagnostiziert. Soweit nötig, werden zunächst allgemeine Fähigkeiten aufgebaut - z.B. Kalkulation, Ko­operation, Disziplin, Verstehen und Befolgen von Arbeitsvorschriften. Daran schließen sich je nach Diagnose kleine oder ausgreifende Berufsqualifikationen bis hin zum Fach-Abschluss an. Danach wird in Arbeitsstellen vermittelt, oft mit mehrmonatiger begleitender Betreuung. Für beschränkt Vermittelbare werden durch Kooperation mit anderen Einrichtungen die Rahmenbedingungen verbes­sert (z.B. Regelung von Verschuldungsproblemen, Wohnungsbeschaffung, Kinder­betreuung). Dem engen Betreuungsprogramm kann ein bevormundender Charak­ter nicht abgesprochen werden, gerade weil Beschäftigungsprojekte und soziale Dienste eng kooperieren.
  • Probleme der Kommunikation und des Zusammenlebens werden vor allem auf die gegenseitige Abkapselung verschiedener Herkunftsgruppen zurückgeführt. Die Förderung von Vereinen und Kulturprojekten, die etwa Basare, Ausflüge und Quartiersfeste organisieren, soll gegenseitige Verständigung fördern und soziale Beziehungen über Gruppen hinweg etablieren. Kulturell-künstlerische Angebote sollen die Aktivität, Artikulationsfähigkeit und das Selbstbewusstsein der Bewoh­nerinnen erhöhen - nicht zuletzt eine Bedingung für verbesserte Beschäfti­gungschancen. Als vielversprechende Neuerung der Quartierspolitik (Maguer et al. 2001: 115ff.) gilt der Einsatz örtlicher (honorierter) Vertrauensleute (adultes relais) - im Quartier bekanntere Personen, nach Herkunftsgruppe und Glaubens­richtung ausgesucht. Sie sammeln durch persönlichen Kontakt von Tür zu Tür Be­schwerden, regen selbsttätige Abhilfe an, geben Übersetzungshilfen und sorgen für eine Verständigung zwischen Konfliktparteien und für Meinungsbildung zwi­schen Herkunftsgruppen. Von Jugendlichen werden sie oft eher als Kontrollperso­nal wahrgenommen. Von der Mehrheit hingegen werden sie nicht zuletzt deswe­gen begrüßt, weil sie von der Notwendigkeit persönlicher gegenseitiger Verständi­gung entlasten - eine höchst ambivalente Folge. Zur Integration von Immigrant­Innen gibt es fein gestufte Systeme der Einführung in die französische All­tagskultur (Umgang mit Geld, Bekanntmachen mit sozialen Einrichtungen, Be­kanntschaft unter Nachbarn, Sprach- und Bildungskurse von Alphabetisierung bis Gymnasialniveau). Für Jugendliche gibt es ein breites, überwiegend offenes An­gebot - Sport, Beschäftigung mit traditionellen und neuen Technologien, Ferienla­ger, Schulnachhilfe und aufsuchende bzw. Straßen-Betreuung. Auf das immer nied­rigere Alter von Gewalt- und Straftätern und den wachsenden Anteil von beteilig­ten Mädchen sind die Dienste oft unzureichend vorbereitet. Schlecht klappt die Verständigung zwischen Schullehrerinnen, Sozialdiensten und Eltern.
  • Bereich Wohnen: Wie in Deutschland sind die Wohnungsgesellschaften an bauli­cher Sanierung und Verbesserung der Wohnumwelt finanziell und planerisch be­teiligt. Die einseitige Bewohnerstruktur soll verändert und die Abwanderung sozi­al stabiler Bewohnerinnen aufgehalten werden, durch bauliche Verbesserung, fi­nanzielle Anreize auch für Bessergestellte und flexiblen Umgang mit Regeln. Zu­nehmend gelten Gebäude-Abrisse als Mittel der Auflockerung - teils wegen „sozialer Unbewohnbarkeit”, teils zur Auflösung unerwünschter sozialer Ballun­gen, teils um für Wohnumfeldverbesserung oder Eigenheime Raum zu schaffen. Der preisgünstige Verkauf von Wohnungen an die Bewohnerinnen soll deren Ver­antwortlichkeit gegenüber „ihrem Viertel” heben. Das Zauberwort lautet Flexibili­tät: von der Handhabung von Einkommens-Obergrenzen für Sozialwohnungsbezie­her bis zu persönlicher Betreuung bei Beschwerden. Die Verwaltung ist persönli­cher als in Deutschland, mit örtlichen Büros und sozial geschulten Mitarbeiterin­nen. Andererseits ist eine Partizipation der Bewohnerinnen auf eher geringfügige Fragen der Bestandsgestaltung und des Mieter-Zusammenlebens begrenzt. Die Schwierigkeit der Lage zeigt sich im Hausmeister-Problem: Es gibt kaum noch Be­werber für diese Stellen, und niemand zieht dafür ins Quartier. Zunehmend wer­den Hausmeisterdienste aufgelöst in privatwirtschaftliche Putz- und Instandhal­tungskolonnen einerseits, bezahlte Vertrauenspersonen andererseits. Am Ort ver­bliebene Hausmeister resignieren häufig wegen der Folgenlosigkeit ihrer Bemü­hungen, oft unter dem Druck von Drohungen.
  • Sicherheitsfragen werden in allen ca. 600 Programm-Quartieren von Kooperati­onsrunden angegangen, die meist wöchentlich oder zweiwöchentlich tagen. In den untersuchten Quartieren nehmen daran teil: Orts- und Staatspolizei, technische Dienste, Wohnungsverwalter, Verkehrsbetriebe, Jugendhelferinnen und chefs de projet (QuartiersmanagerInnen) - nicht aber Jugendliche. Detailliert werden Be­schädigungen und Zwischenfälle festgehalten und durchgesprochen. Der ständige persönliche Umgang weicht die Fronten (besonders zwischen Sozialarbeiterlnnenn und PolizistInnen) auf und erleichtert rasche Regelung vieler Beschwerden - von kaputten Beleuchtungskörpern über Verkehrsrowdytum und die Sicherung leerer Gebäudeteile bis zu Anlässen von Schlägereien. Ein Teil der Polizeiarbeit wird so überflüssig oder ins Vorfeld verlagert. Sicherheitseinrichtungen und Poli­zei wurden letzthin mit Hilfe der konservativen Regierung aufgerüstet - zuneh­mend werden technische Mittel wie Stahltüren in Kellern, Magnetschlüssel an den Haustüren und Überwachungskameras eingesetzt. Zugleich wurden zusätzliche Polizistinnen eingestellt; ihre Arbeit wird aufgeteilt zwischen Fuß- und Fahrrad­streifen (die sich im Quartier weitgehend machtlos fühlen) und Einsatzkomman­dos (nur diesen wird durchschlagende Wirkung zugeschrieben). Nach einem Re­gierungsdekret von 2001 ist an einem zentralem Ort jedes Programmquartiers ei­ne Polizeiwache einzurichten. Dies stößt unter dem Personal auf hinhaltenden Wi­derstand und wird von den Bewohnerinnen kaum angenommen.

Den BewohnerInnen stehen nicht, wie in deutschen Problemvierteln, zwei bis drei übermächtige finanz- und regelungsstarke Institutionen mit ihrer Schalter-Logik gegen­über, neben denen andere Hilfsprojekte nur eine Randstellung haben, sondern eine Mehrzahl von Diensten mit großer Zugangs-Offenheit. So ist zum Beispiel das Sozialamt für Armutsgruppen in deutschen Problemvierteln die wichtigste Einrichtung. Auch in Frankreich hängt die Armutsbevölkerung überwiegend von Transfers ab, aber die - ziemlich kärgliche - Sozialhilfe steht neben anderen gleich wichtigen Quellen, und Zah­lungen sind immer verbunden mit dem Anspruch persönlicher Betreuung und Beratung (Palomares et al. 2001: 33ff. und 81 ff.). Ein Teil der Unterstützungen in Geld und Hilfen wird von Sozialzentren mit Kooperationsrunden (Gemeinde und Département, Arbeit­geberinnen und Gewerkschaften, Sozialarbeiterinnen) als „Integrations-Minimaleinkommen” (R.M.I.) für 0,9 Mio. der 2,5 Mio. in Armut lebenden Französinnen verwaltet; die Be­zieherInnen werden zu Gegenleistungen angehalten, z.B. Entschuldungsplan, Krank­heitsbehandlung und / oder berufliche Fortbildung und Praktika (Astier 1991; Dubet / Lapeyronnie 1994: 210f.). Sozialzentren verwalten auch Behinderten- und Überbrückungshilfen. Unabhängig davon leisten die Sozialarbeiterinnen von Kommunen und Departements in beträchtlichem Ausmaß Betreuung und aufsuchende Sozialarbeit. Da­neben gibt es die Familienkassen (C.A.F.) für Familien mit Kindern und besonders für Al­leinerziehende. Auch deren Zahlungen werden verbunden mit Betreuung durch Sozial­arbeiterinnen. Ein kohärentes System von der Kinderkrippe über Freizeitzentren bis zu Fortbildung erleichtert die berufliche Integration vor allem der Mütter. Alleinlebende und Paare ohne Kinder allerdings leben in Frankreich von dürftigeren Mitteln, ihre be­rufliche und kulturelle Förderung ist deutlich weniger intensiv (Becker 2000; Bode 1999). Daneben stehen wie in Deutschland die Arbeitsämter, die Arbeitslosenhilfe aus­zahlen und im Rahmen lokaler Kooperationsrunden (missions locales) Arbeit ver­mitteln - in den ersten Arbeitsmarkt freilich oft nur mit mäßigem Erfolg (Astier 1991; Palomares et al. 2001: 84 u. 95). Die Wohnungsgesellschaften sind in der Mieterbetreu­ung aktiver als in Deutschland, nicht zuletzt durch den Einsatz von Vertrauensleuten und SozialarbeiterInnen. Die Vielzahl von zielgruppenspezifischen gemeinnützigen Hilfs-Institutionen und Selbsthilfevereinen, bei denen Beratung, Grund- und Fortbil­dung und / oder Arbeitsvermittlung im Vordergrund stehen, hat durch die Kooperations­systeme ein deutlich größeres Gewicht als in Deutschland (Keim / Neef 2001).

Tatsächlich erscheint das Vereinsleben in Frankreichs Problemvierteln lebhafter als (zumindest) in unserer Vergleichsstadt Kassel.4 Es ist schwächer dort, wo Unterschich­ten dominieren (Dubet / Lapeyronnie 1994: 91ff. - in unserem Fall also in der ZAC „La Noé” - Vieillard-Baron 2001: 99f. u. 118f.). In den französischen Problemvierteln beste­hen - wie in Deutschland - gruppenbezogene Sport-, Kultur- und Religionsvereine und Selbsthilfeorganisationen. Darüber hinaus hat sich ein intermediärer Vereins-Typus ent­wickelt, der sozialstaatliche Aufgaben wie Rechtsberatung, Bildungs- und Kulturarbeit ausdrücklich mit Interessenvertretung vermischt und so als Vermittler zwischen Staat und Bewohnerinnen fungiert (Maguer et al. 2001:115ff.; Palomares et al. 2001: 69). Diese Vereine bieten Hilfen im Umgang mit Behörden und in der Ausschöpfung von Förde­rungsangeboten sowie Freizeit und Kulturaktivitäten; über-ethnisch organisierte Verei­ne wirken mit bei der Verständigung zwischen Bewohnerinnen und vermitteln in Kon­fliktfällen; Selbsthilfeorganisationen geben Hilfestellung gegenüber staatlichen und Wohnungs-Verwaltungen, Polizei und Justiz; die meisten aktiven Vereine artikulieren Forderungen und entwickeln hierfür politischen Druck (Maguer et al. 2001: 129ff.). Be­wohnerinnen halten die eigenen Vereine für erheblich hilfreicher als die offiziellen Dienste, wegen ihrer Bereitschaft, sich unterschiedlichster Anliegen anzunehmen, weil sie von den eigenen Leuten getragen sind, und weil sie auch mal in Opposition zur Ver­waltung gehen. Auch die sozialen Dienste schätzen die Vereine und tendieren dazu, die kooperationsbereiten unter ihnen zu „umarmen”, ihnen Funktionen wie professionelle Beratung und berufsnahe Bildung und entsprechende Finanzmittel zu übertragen. Da­durch verbessert sich ihre eigene Effizienz und ihre politische Absicherung (Palomares etal. 2001:26-28, 84f. u. 96).

Für die Betroffenen hat diese Vielfalt sozialstaatlicher und bürgerschaftlicher Ein­richtungen den Nachteil extremer Unübersichtlichkeit, der nur durch gute gegenseitige Abstimmung gemindert werden kann. Sie hat aber auch den Vorteil, mit den verschiedenen Institutionen bewusst und strategisch umgehen zu können. Die Einbettung in Sozial- und Kulturzentren, in denen auch Sprachkurse, gemeinsames Kochen oder Kulturabende geboten werden, ermöglicht den Nutzerinnen Abwechslung und soziale Kontak­te. Vereine und Bewohnerorganisationen erleichtern ihnen den Zugang und bieten die Chance, sich für eigene Interessen zu engagieren. Stärker als in Deutschland entwickeln sich so zwischen sozialen Diensten und Bewohnerinnen echte Beziehungen, denn es werden eben nicht nur Leistungen „rübergeschoben”, sondern persönliche Probleme geregelt.

Die Nutzung von Quartiersdiensten und -einrichtungen

Wenn man die Einsichten verschiedener Untersuchungen auf einen Nenner bringt, dann ähneln die Nutzergruppen und ihre Haltungen in einigen Punkten denen in Kassel - jedoch gibt es auch andersartige Züge. Soziale Einrichtungen haben in Deutschland teilweise einen ziemlich amtlichen Zuschnitt, teilweise als Projekte einen eher privat-bürgerschaftlichen Charakter. In Frankreich sind soziale Dienste und Vereins- und Be­wohneraktivitäten eng verschränkt, amtliche Leistungen und Vereinsangebote werden in Quartierszentren mit einer offenen Atmosphäre angeboten. So haben sich in Frank­reichs Problemvierteln neben Typen des Nutzerverhaltens, die uns (z.B. in Kassel) durch­aus vertraut sind, auch andersartige Nutzungsweisen entwickelt:

  • Distanz gegenüber sozialer Betreuung: In beiden Ländern wollen sich die meisten sozial gesicherten Bewohnerinnen nicht in örtliche Betreuungs- und Sozialakti­vitäten hineinziehen lassen und ziehen quartiersexterne Einrichtungen vor. Für Frankreich charakteristisch ist das Misstrauen eines „harten Kerns” von Ju­gendlichen, die jeden Kontakt verweigern, der Kontrollmöglichkeiten eröffnen könnte.
  • Instrumentelle Nutzung ist in Kassel die vorherrschende, in Frankreich nur eine verbreitete Haltung: In beiden Ländern findet sich besonders unter Jüngeren, prekär Beschäftigten oder kurzzeitig Arbeitslosen eine gezielte selektive Nutzung einzelner Leistungen bei Betonung der eigenen Selbständigkeit, d.h. ohne sich auf weiterreichende Betreuung einzulassen. Transferabhängige sind in der Regel gut über Anrechte informiert und nutzen diese sehr sachlich. Wegen der guten Ausstattung französischer Problemviertel mit Verwaltungs- und Sozialeinrichtungen werden diese auch von einem Teil der sozial gesicherten Be­wohnerinnen häufig und gerne
  • Die meisten marginalisierten TransferbezieherInnen sind sich ihrer Abhängig­keit bewusst. Diejenigen, die sich in ihrer Abhängigkeit eingerichtet haben, ver­suchen dabei mit Strategien des „Einwickelns” oder auch mit Elendsgeschichten, zusätzliche Leistungen herauszuholen. So entsteht zwischen Sozialarbeiterinnen und Klientinnen in Frankreich - wie in deutschen Sozialämtern - eine Stimmung dauernder Gereiztheit: „Die Sozialarbeiterin will sich nicht manipulieren lassen, der ‚Klient’ ist schnell bereit, die Willkür und Ungerechtigkeit ihrer Entscheidun­gen zu denunzieren.” (Villechaise-Dupont 2000: 172). Für Frankreich spezifisch er­scheinen zwei weitere Ausprägungen: Ein Teil der Transferabhängigen sucht die Vielfalt des Angebots im eigenen Quartier optimal zu kombinieren, um sich finan­ziell zu konsolidieren und endlich wieder auf eigene Beine zu kommen (Paugam 1993: 86ff). Daneben verbringen viele sozial Isolierte ganze Stunden in den Ein­richtungen, um den Kundenverkehr und die gute Atmosphäre zu nutzen für sozia­le Kontakte, die in ihrer Nachbarschaft fehlen. In Kassel dagegen waren zwar ein­zelne sozial isolierte Transferabhängige in Vereinen aktiv, aber nicht in den örtli­chen sozialen und Kultur-Einrichtungen.
  • Das soziale Engagement von Quartiersbewohnerinnen in Einrichtungen kam in Kassel gar nicht vor und scheint eine französische Spezialität zu sein. Einige sozial Gesicherte, Erwerbstätige wie Rentnerinnen, setzen sich ein für ihre Mitbewohne­rinnen durch Mitwirkung in den Sozialzentren und -einrichtungen; in den beson­ders schwierigen Vierteln geht es dabei vordringlich um die Wahrung eines fried­lichen Zusammenlebens. Aber auch Bedürftige, und zwar fast durchweg Frauen (d.h. 90% der Nutzerinnen sozialer Einrichtungen, Palomares et al. 2001: 103), ar­beiten in den vielfältigen Sozial- und Kulturprojekten unentgeltlich mit, gewisser­maßen als Gegenleistung für genossene Hilfen; oft ist dies ihr zentraler Sozialkon­takt (vgl. zu dieser Typisierung: Maguer et al. 2001: 82-95; Messu 1989; Paugam 1993: 50-154).

Der stark querschnittsorientierte Ausbau und die Territorialisierung sozialer und kul­tureller Dienste sowie ihre Vernetzung mit Bewohnervereinen und -Vertretern haben al­so in Frankreich einen eigenen Typus von Selbsthilfe und Sozialbeziehungen geschaffen, der sich an Sozial- und Kultureinrichtungen ankristallisiert. Bislang weitgehend igno­riert wurden in Frankreich wie in Deutschland die kleinen Gruppen von sozial stabilen Bewohnerinnen in den Quartieren, die wegen ihres Geschäfts, durch Bindungen an Mig­rantengemeinschaften sowie in Frankreich durch die gute Ausstattung von Sozial-, Kul­tur- und Verwaltungseinrichtungen nicht abwandern, sondern zum Bleiben entschlos­sen sind (Keim / Neef 2003; Vieillard-Baron et al. 2001: 113ff.). In Deutschland wie in Frankreich werden Sozialleistungen und -einrichtungen von den sozial Abgestiegenen intensiv und mit erstaunlicher Sachkenntnis genutzt; die gute und vielfältige Ausstat­tung französischer Problemviertel verbessert darüber hinaus deutlich ihre Sozialkontak­te, stärkt ihr Selbstbewusstsein und regt das Engagement zumindest transferabhängiger Frauen an. Andere Gruppen - ein Teil der arbeitslosen Jugendlichen sowie alleinleben­de, v.a. männliche Langzeitarbeitslose - bleiben jedoch in Distanz und Misstrauen. Dies nicht zuletzt wegen der beträchtlichen, aber teils selektiven, teils zwiespältigen Wirkun­gen quartiersbezogener sozialer Dienste in Frankreich.

Über Erfolge und Erfolgsmessung

Am Beispiel einiger Betroffenengruppen geht es im Folgenden um Dienste und Leis­tungen besonders in den Bereichen „Beschäftigung” und „Zusammenleben”.

Alleinerziehende in Problemvierteln sind typischerweise arbeitslos und beziehen Sozialhilfe, Familienleistungen und Wohngeld - die Sozialleistungen sind um 20 bis 25% niedriger als in Deutschland; einige jobben nebenbei, meist als Putzfrauen; sehr wenige sind ernsthaft erwerbstätig.5 Immigrantinnen in mittlerem Alter sind mehrheitlich Hausfrauen, minderheitlich erwerbstätig; die Älteren unter ihnen leben häufig mit ei­nem arbeitslosen Ehemann in Armut, besonders wenn die Kinder aus dem Haus sind. Sie sind schwer aus ihrer Häuslichkeit „herauszulocken”. (Palomares et al. 2001: 29ff. und 74ff.; Vieillard-Baron et al. 2001: 79ff.). Die meisten werden festgehalten von Familienbin­dungen - gerade Frauen im mittleren Alter konzentrieren sich eher auf das Familienle­ben (Paugam 1993: 175f.). Sozialpolitisch wird ihr (Wieder)Einstieg in Erwerbstätigkeit angepeilt. Die erste Stufe sind staatlich subventionierte Maßnahmen (CES) oder unge­lernte Jobs, die angesichts der Expansion im Dienstleistungsbereich eine Chance auf dauerhaftere Stellen eröffnen. Freilich: Je verrufener die Siedlung, desto geringer quali­fiziert sind auch die BewohnerInnen (Vieillard-Baron 2001:135f.), und desto eher bleiben die Frauen auf einfache und schlecht bezahlte Dienstleistungen verwiesen. Zentral ist die Koordination von Diensten, die Randbedingungen regeln: Ein dichtes Kinderbetreu-ungs-Netz und Bildungsangebote erleichtern das Heraustreten aus der Familie und den Berufseinstieg. Ein nicht intendierter Effekt des Ausbaus von Kommunikations-, Bildungs- und Freizeiteinrichtungen ist, dass diese für Frauen zum zweiten Lebensmittel­punkt außerhalb der Wohnung wurden, weil sie Kontakte zu MitbewohnerInnen vermit­teln und Aktivitäten eigener Wahl ermöglichen.

Die Erfolge dieser Maßnahmen sind schwer messbar: Lebensstandard und Sozialleis­tungen sind niedrig; die Zahl von Job-Vermittlungen ist angesichts hoher Fluktuation nicht aussagekräftig; die Teilnahme an Bildungskursen ist hoch, die Frauen verbinden damit aber nicht nur Qualifikationsziele, sondern ebenso Kontaktwünsche. Die Entlas­tungswirkung, die Verbesserung der Lebensqualität dieser Frauen durch Kommunikati­ons-, Bildungs und Beschäftigungsangebote ist ihren eigenen Aussagen nach groß, lässt sich aber nicht messen. Insofern hielte das entsprechende Angebot von Hilfen und Diensten in Problemvierteln keiner ernsthaften Budget-Evaluation stand - es aufrecht­zuerhalten, bleibt eine Frage der Politik und der Durchsetzungsmacht der Dienste und Vereine selbst.

Geht es um die Jugendlichen in Problemvierteln, so ist die Notwendigkeit umfas­sender Maßnahmen unumstritten. Die hohe Jugendarbeitslosigkeit ist ein Strukturprob­lem, das durch örtliche Maßnahmen nicht zu beseitigen ist. So war von Anfang an klar, dass neben der Bildungs- und Beschäftigungsförderung die Kommunikations- und Freizeitangebote sowie Gewaltprävention eine zentrale Rolle spielen mussten. Beschäft­igungsförderung, durchweg ergänzt um Begleitmaßnahmen, erscheint relativ erfolg­reich. Während im Durchschnitt nur 15% der betreuten Arbeitslosen in eine stabile, wei­tere 15% in eine unsichere Beschäftigung kommen (Castel 199 5: 374ff.), waren von sozial auffälligen Jugendlichen fünf Jahre nach Ende der Maßnahmen immerhin ein Drittel beruflich und finanziell gut etabliert, 40% hatten eine unsichere Beschäftigungs- und Lebenslage, 30% lebten weiterhin in sehr problematischen Verhältnissen (Bauer et al. 1993). Die Maßnahmewirkungen sind je nach Quartier sehr verschieden.6 Das reiche Freizeit- und Kulturangebot holt zweifellos viele „von der Straße”. Es senkt die Bereit­schaft zu Gewalt und Straftaten7, strukturiert den Alltag und vermittelt Kontakt und To­leranz gegenüber Jugendlichen anderer Herkunft. Hinter den zum Teil messbaren und sorgfältig gemessenen Erfolgen verbergen sich jedoch tiefere und allgemeinere Proble­me. Die verstärkten Bildungs- und Ausbildungsanstrengungen, das umfassende Angebot an Kultur- und Freizeitaktivitäten, die sorgfältig und sehr persönlich ausgerichteten Be­schäftigungs-Vermittlungen fischen die disziplinierteren Jugendlichen mit den besseren Voraussetzungen gewissermaßen heraus und leiten sie in einen stabilen Lebensverlauf. Dieser führt sie wie ganz selbstverständlich heraus aus dem Problemviertel. „Sobald ich eine Festanstellung habe, in zwei oder drei Jahren, ziehe ich weg in ein ruhigeres Ge­biet.” (Vid'da aus der ZAC „La Noé”, 22 Jahre, nachgeholter Ausbildungsabschluss, befris­tet beschäftigt - zit. in Vieillard-Baron et al. 2001: 102) Zurück bleiben die schwierigen, misstrauischen, häufig in Banden zusammenhaltenden Jugendlichen mit den Bildungs­defiziten und schwierigen Familienverhältnissen. Sie leben in der „Galeere” des Wech­sels zwischen Arbeitslosigkeit, Beschäftigungsschleifen und Kleinkriminalität (Dubet / Lapeyronnie 1994: 198f; Jaillet / Peraldi 1997). Und auf sie sind die Scheinwerfer des öf­fentlichen Interesses gerichtet. Je schwieriger das Quartier, je höher die darauf ruhende Medien-Aufmerksamkeit, desto größer das Stigma, das besonders auf den Immigranten-Jugendlichen ruht, und desto energischer die Absetzbewegung der Erfolgreichen.

Trotz der unbestreitbaren und objektiv messbaren Erfolge der intensiven Jugendar­beit und -beschäftigungspolitik in den französischen Problemvierteln kann der Fortbestand des Jugendlichen-Problems täglich auf ihren Straßen besichtigt werden, und vielfältige Zeitungsmeldungen und Fernsehberichte verweisen auf seine Persistenz. Das Gewaltniveau ist in den letzten Jahren gar gestiegen, jedenfalls nach Daten des ständig verfeinerten Beobachtungssystems für Programmsiedlungen der „Stadtpolitik”8. Das be­stätigt den Diskurs und den Druck der sog. Öffentlichkeit, und dieser zählt für die Poli­tik. So hat die konservative Regierung in den letzten Jahren das „Sicherheitsproblem” in den Vordergrund gerückt. Die Aufrüstung und verstärkte Präsenz der Polizei in den Problemvierteln erscheint bislang als kontraproduktiv - aber als Geste gegenüber der „Öffentlichkeit” nicht in den Quartieren, sondern „draußen im Lande” wird sie fortbetrie­ben.

Die sonstigen Problemfälle - abgestiegene Alleinlebende oder Paare, Arbeitslosen-Familien vor allem aus Immigrantenkreisen - werden nicht nur von Diensten und Ver­einen (und Sozialforschern) schlechter erreicht. Sie finden, nicht zuletzt wegen ihres Misstrauens, auch ein dürftigeres Förderangebot (Palomares et al. 2001: 37ff. und 86ff.). Nicht zu vergessen sind die „NormalbewohnerInnen”: Ein Teil von ihnen ist auf dem Sprung zum Auszug, insbesondere alteingesessene Französinnen und viele beruflich etablierte Immigrantinnen, von denen sich ein Teil jedoch in der Nähe der Siedlung Wohneigentum erwirbt, um in Kontakt mit den Landsleuten zu bleiben (Keim / Neef 2001). Andere „NormalbewohnerInnen”, vor allem in den besseren, weniger „heißen” Problemvierteln bleiben wohnen aufgrund sozialer Bindungen, geräumiger Wohnungen, gut geführter Sozial- und Verwaltungszentren, eines lebhaften Kulturangebots, und nicht zuletzt aus persönlichem Engagement (Maguer et al. 2001: 70 ff. und 86 ff.).

Das Personal der Dienste, die Forschung, die Politik-Evaluation und nicht zuletzt die Öffentlichkeit bleiben fixiert auf sichtbare Problemgruppen in diesen Vierteln. Die gänz­lich zurückgezogen lebenden Problemfälle - etwa Langzeitarbeitslose ab 40 bis 45 Jah­ren, in Deutschland eine der Haupt-Problemgruppen, in Frankreich nur eine unter vielen (Lompe et al. 1987:135ff.; Palomares et al. 2001: 37ff. und 86ff.) - werden von den Diens­ten und den Berichtssystemen kaum erreicht. Die „NormalbewohnerInnen”, denen im­merhin eine stabilisierende Wirkung auf die Quartiere nachgesagt wird, bleiben sozial und politisch eine unbekannte Größe.

Was ist die Perspektive?

Für Deutschland interessant sind natürlich die Erfolge. Zwiespältig bleiben sie im Be­reich der Beschäftigungsförderung. Eindrucksvoll sind die Beschäftigungswirkungen von Baumaßnahmen, Einrichtungen und Projekten, für die vor Ort Arbeitskräfte ausge­bildet und rekrutiert wurden; im Großraum Toulouse mit seinen 920.000 Ew. waren dies 1992 immerhin 10.000 „CES”-Stellen9 (Jaillet / Peraldi 1997). Die Befristungen führen nur zum kleineren Teil weiter - v.a. in den öffentlichen Dienst, in dem die Beschäftigungs­aussichten für ImmigrantInnen expandieren. Ansonsten ist der Begriff „Maßnahmen­schleife” auch in Frankreich ein geflügeltes Wort. Beschäftigungschancen in der Privat­wirtschaft sind abhängig von der Konjunkturentwicklung und von der Haltbarkeit der Kooperationsabmachungen mit den Quartiersdiensten - kurz gesagt: schwankend. Ein­drucksvoll sind auch die Breite (siehe den Exkurs zur ZAC „La Noé” im Kasten) und die Akzeptanz der Angebote für Freizeit und Kommunikation, die - wie im Fall des MJC in Audincourt - aus der Kooperation mit den Vereinen und Bewohnerinnen resultiert. Diese erhöhen die Attraktivität der Quartiere, strukturieren den Alltag der Arbeitslosen (v.a. Jugendlichen), und sollten zur Gewaltprävention und Verbesserung der Sicherheit beitragen. Für letztere ist richtungsweisend die Konstruktion der Kooperationsrunden und der Anspruch, eine Justiz der „Bürgernähe” (proximité) im Vorfeld von Polizei und Justiz zu schaffen. Nicht richtungsweisend ist die dennoch zu verzeichnende Zunahme von Vandalismus, Aggressionen und Gewalttaten in den Quartieren, insbesondere ge­genüber jungen Männern und zunehmend gegenüber jungen Frauen. Im Bereich Woh­nen ist auf die Verbesserung und Expansion der Sozialwohnungsbestände zu verweisen; bei - allerdings rückläufigen - Bauleistungen haben sich diese in den letzten zehn Jah­ren um 0,6 Mio. erhöht (Ann. Stat. Fr. 1996 u. 2003). Umstritten und zwiespältig sind hin­gegen die in den Problemvierteln geplanten Abrisse, die meist die „schlimmsten” Blocks betreffen. Bislang 5.000 Wohnungsabrisse pro Jahr (geplant sind Steigerungen bis 10.000 bzw. 15.000) erzwingen die Umsiedlung von Problemgruppen - aber diese finden meist nur in anderen Cités ein Unterkommen (Lelévrier 1999). Beachtliche Wirkungen hatte schließlich die Ausweisung von „Z.E.P” (Zones d'Éducation Prioritaire) in den Quartieren als Beitrag zur deutlichen Verbesserung des Bildungsstandes von Problemju­gendlichen und Immigrantinnen. Deren Bildungsniveau liegt mittlerweile im französi­schen Mittelfeld, Kinder - d.h. vorwiegend Mädchen - nordafrikanischer Herkunft sind hier überdurchschnittlich erfolgreich. Vielen wurde damit der Weg in technische und so­ziale Berufe geebnet; der Übergang in das Beschäftigungssystem bleibt dennoch die Haupt-Barriere für eine Integration der Problemgruppen (Lapeyronnie 1998).

Die Persistenz der Gebiete und damit eine Kritik der Quartiers- bzw.„Stadtpolitik”, stehen im Zentrum der Diskussion in Frankreich. Mit hohem Aufwand wurden die Wohn-, Versorgungs-, Bildungs- und Zusammenlebensbedingungen in den Quartieren verbessert. Aber aus den Problem-Cités verschwinden die erfolgreich Geförderten schnellstmöglich (eine Art brain drain), Problemfälle strömen nach, die Bewohner­schaft ist eher stärker gespalten als früher, Gewalttätigkeiten nehmen zu. Hier sind die sozialen Dienste überlastet. „Wegen der stetig zunehmenden Zahl von Fällen extremer Armut tendiert das Sozialzentrum [in der Problemsiedlung „Les 4000” bei Paris, Anm. d. Verf.] zur Konzentration auf Verwaltungs zulasten von Förderungsaufgaben, und das frustriert die Sozialarbeiter.” (Palomares et al. 2001: 67). Trotz besserer Bezahlung in die­sen Vierteln entstehen Vakanzen, durch die wiederum die Überlastung wächst. Die Ba­sisdienste der „Stadtpolitik” befinden sich so in einer Art Sisyphos-Situation, zumal sie an der Jugendarbeitslosigkeit nur marginal etwas ändern können; diese bleibt ein Struk­turproblem der Diskriminierung von Immigranten-Jugendlichen einerseits, eines staatli­chen Berufsbildungssystems ohne Betriebskontakte andererseits.

Die konservative französische Regierung hat seit 1998 die Vielfalt der Maßnahmen und Programme (1994 gab es 1.300 Quartiers-Förderungsprogramme) neu geordnet. Sie setzt verstärkt auf De-Segregation: Die von Wohnungsabrissen in den Problem-Cités betroffenen Bewohnerinnen sollen umgesetzt werden in neue Sozialwohnungen anderer Gemeinden, welche durch Finanzstrafen zum Bau von Sozialwohnungen genötigt wer­den sollen, und der Bau von Eigenheimen in Problem-Cités soll Mittelschichten für eine „soziale Mischung" anlocken. Dies war bislang geradezu hervorragend erfolglos. Die Quartiersförderung wird insgesamt fortgeführt, sie wird in 50 besonders benachteiligten Quartieren (Grands projets urbains - darunter auch die ZAC „La Noé”) intensiviert und um 40 „Freie Wirtschaftszonen” ergänzt.10

Zwanzig Jahre Quartierspolitik haben die Verhältnisse für viele Betroffene verbessert - aber soziale Marginalisierung bleibt ein dauerhaftes Sozialproblem und sichtbares po­litisches Ärgernis. Robert Castel kommentiert die zwei Hauptinstrumente einer Integra­tion - die „Stadtpolitik” und die Bemühungen der Berufseingliederung kritisch. In einem viel gelesenen Buch hat er aufgezeigt (1995: 336ff.), wie über die letzten Jahrzehnte die Situation eines erheblichen Teils der Arbeiterschaft immer instabiler wurde, wie immer mehr einfache Arbeitskräfte im Bereich der „Prekarität” arbeiten und leben und wie sich quasi als Bodensatz eine Schicht der „Überzähligen” entwickelt, für die keine Wirtschaft liehe Verwendung mehr gefunden wird. Da seitens der Wirtschaft keine Abhilfe zu er­warten ist, wird einer querschnittsorientierten partizipativen „Stadtpolitik” eine gesell­schaftliche (Re-) Integration der Betroffenen abgefordert. Über die hier entwickelten „neuen Formen des Einbezugs der Bürger" sind aber nur „Räume für Geselligkeit" ent­standen, in denen diejenigen, die vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen sind, in - immerhin sinnvoller und oft für sie befriedigender - Aktivität gehalten wurden (373ff.).

Diese Sichtweise, nach der die QuartiersbewohnerInnen durch soziale Dienste und „Stadtpolitik” nur wie in einem Hamsterrad am Laufen gehalten werden, erscheint zu pessimistisch. Sie ignoriert die hiervon bewirkte Neuverteilung sozialer Chancen, von denen die gering qualifizierten und diskriminierten Bewohner bislang ausgeschlossen waren: Eine starke Minderheit profitiert tatsächlich davon - aber die meisten verlassen alsbald ihre Cité. Für die Mehrheit der Sitzengebliebenen verbessern sich die äußeren Lebensumstände, die sozialen Beziehungen bleiben häufig angespannt, eine Integration in Normal-Erwerbsarbeit und in die Mehrheitsgesellschaft misslingt. Mit realitätsfrem­den Konzepten sozialer Mischung wehrt sich französische Regierungspolitik noch gegen die Einsicht, die Integration dieser Bewohnermehrheit nicht bewirken zu können, aber der Verdacht, das Integrationsziel könnte verfehlt werden, bahnt sich an. Dennoch hat die Regierung bislang nicht nachgelassen in ihren Anstrengungen, die Lebenssituatio­nen in Problemquartieren durch qualitativ gute Versorgung zu verbessern.

Der Autor: Dr. Rainer Neef, Jahrgang 1946, akad. Oberrat am Soziologischen Seminar der Universität Göt­tingen. Arbeitsbereiche: Stadtsoziologie - insbesondere städtische Lebensverhältnisse, Prob­lemquartiere, Stadtentwicklung in Deutschland und Frankreich. Gesellschaftliche Transforma­tion in Osteuropa - insbesondere soziale Lagen, Schattenwirtschaft.

Literatur

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  • Neumann, Wolfgang / Uterwedde, Henrik, 1993: Soziale und stadtstrukturelle Wirkungen der Wohnungs- und Städtebaupolitik in Frankreich am Beispiel der Großsiedlungen. Stuttgart: Deutsche Verlags-Anstalt
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  • Paugam, Serge, 1993: La disqualification sociale. Essai sur la nouvelle pauvreté. Paris: P.U.F. (zweite überarbeitete Auflage)
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  • Ville de Valentigney, 2000a: Contrat de Ville 1994/1999
  • Ville de Valentigney, 2000b: Contrat de Ville 2000/2006

1 So entstanden etwa in der Region Paris binnen 25 Jahren 156 Grands Ensembles (Siedlun­gen mit mehr als 1.000 Wohnungen) mit 550.000 Wohnungen für 12% der Bevölkerung des Großraums, 60% davon in von der politischen Linken regierten Arbeitergemeinden; davon wur­den 145 in Förderungsprogramme einbezogen (Vieillard-Baron 2001: 80-82 u. 93; Louchart 1999).

2 Ein Viertel aller Arbeiter und einfachen Angestellten und ein Drittel aller Immigranten (je­doch die Hälfte der Nordafrikaner als größter Gruppe) sind Sozialwohnungsmieter (Ann. Stat. Fr. 2003:169; Donnes Sociales 1996:424f.); Letztere stellen wiederum die Mehrheit der Ci'fe-Be-wohnerlnnen (in einer Auswertung der Volkszählung 1990 waren 55% der Bewohnerinnen von über 500 Quartieren Sozialmieterinnen - Vieillard-Baron 2001: 136).

3 Das französische ius solis gibt jedem im Land Geborenen das Staatsbürgerrecht; zu den knapp 6% rechtlichen Ausländern (zu 60% Nicht-EU-Bürger) kommen noch 4,5% Eingebürgerte sowie ca. 1-2% zugewanderte Staatsbürger aus den Überseegebieten (Ann. Stat. Fr. 2003: 72f.; Dirn 1998: 59f.).

4 In den beiden Kasseler Problemvierteln ist die Aktivitätsquote in Vereinen mit 17% weit un­terdurchschnittlich - v.a. durch das mit 9% sehr geringe Engagement von Transferabhängigen; bezieht man allerdings Moscheen und Kirchen ein, so ist die Aktivität mit 30% deutlich höher - auch und gerade unter Transferabhängigen und Erwerbshaushalten und insbesondere durch die Aktivität der türkischen Immigrantinnen. Extrem wenige Immigrantinnen aus Osteuropa sind hier in Vereinen und sonstigen Organisationen aktiv.

5 Bei RMI-Bezieherlnnen machen Erwerbseinkommen 10% des Gesamteinkommens aus - Donnés Sociales 1993: 550 u. 552.

6 Dies gilt selbst für die als verheerend gebrandmarkten Viertel. Während etwa in den „4000" in La Courneuve bei Paris 37% der Jugendlichen arbeitslos sind und ein Teil explizit Beschäfti­gungsmaßnahmen zurückweist (Palomares et al. 2001:60 und 95ff.), lag die Quote im kaum we­niger berüchtigten Mantes-la-Jolie unter dem Durchschnitt (Vieillard-Baron 2001:138).

7 Die Sicherheitsrunden der beiden untersuchten Problemviertel bei Montbéliard verzeich­nen ein „gemäßigteres Verhalten" als früher. Auch in der ZAC „La Noé" sind die Jugendlichen gegenüber Mitbewohnerinnen und Arbeitskräften „von draußen" weniger aggressiv als noch vor einigen Jahren; die Quartiersmanagerin führt dies allerdings eher zurück auf das Wachs­tum der organisierten Kriminalität, deren Geschäfte durch unruhige und unkontrollierbare Ju­gendliche geschädigt werden.

8 Es reicht von Stufe 1.: einfacher Vandalismus und Bandendelinquenz und 2.: kurzfristige verbale oder gestische sowie 3.: physische Angriffe gegen Autoritätspersonen (bemerkenswert die Reihenfolge!) über 4.: Zusammenrottungen und Provokationen sowie 5.: physische Angriffe gegen Polizisten und 6.: verschärfte physische Angriffe und „Spiele" mit Risiko von Todesfällen bis zu 7.: punktuellem und 8.: tagelangem Aufruhr (systematische Plünderung, Brandstiftun­gen). Die Stufen 3-6 wurden 1991 in 40 der 800 Berichtsquartiere, 1998 in 174 von 1.200 Be­richtsquartieren notiert. Freilich werden pro lahr 50-100 Quartiere aus dem System gelöscht, weil es keine Gewalttaten mehr gab (Vieillard-Baron 2001: 163).

9 Contrats Emploi Solidante, die einen Großteil der ABM in Frankreich ausmachen; davon wa­ren ein Drittel in Vereinen, ein weiteres Drittel in der sozio-kulturellen Animation, ein Viertel in der öffentlichen Verwaltung und ein Sechstel im Bereich Bau / Instandhaltung tätig. Ein Fünftel dieser Stellen war hochqualifiziert (ebda.).

10 In diesen wurden bislang zu zwei Dritteln neue Arbeitsplätze geschaffen - in Kleinbetrieben mit durchschnittlich 3,6 Beschäftigten (Lelevrier et al. 1999). Wie weit diese den Bewohnerinnen zugute kommen, ist bislang nicht klar - neben High-Tech-Stätten finden sich viele prekäre Kleinunternehmen, welche vielleicht adäquate Arbeitsplätze, aber wenig langfristige Sicherheit bieten können.

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