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Pioniere der Nordweststadt: Was tun in alternden Wohngebieten?

Artikel vom 04.11.2002

Erstbezug ab 1963: Die Nordweststadt in Frankfurt am Main. Foto: privat

Wohngebiete mit älter werdender Bewohnerschaft sind eine besondere Herausforderung für Wohnungsunternehmen, Kommunen und Wohlfahrtsorganisationen. Welche Handlungsansätze können dort die Wohnbedürfnisse älterer Menschen und junger Familien gleichermaßen besser erfüllen?

Handlungsansätze für älter werdende Wohngebiete

Die Nordweststadt ist Musterbeispiel für viele ähnliche Wohngebiete mit älter werdender Bewohnerschaft in Deutschland. In den 1960er Jahren am Stadtrand vom Frankfurt am Main für 25.000 Menschen gebaut, wurde die Nordweststadt  überwiegend von jungen Familien bezogen. Jahrzehnte später sind die Kinder schon lange aus dem Haus und die jungen Eltern von damals im Rentenalter.  Am Beispiel dieses Frankfurter Stadtteils suchte eine von der Schader-Stiftung initiierte Projektgruppe bereits von 1998 bis 2001 nach Wegen, wie die Wohnbedürfnisse von älteren Menschen und jungen Familien gleichermaßen besser erfüllt werden können.

Es beteiligten sich unter anderem öffentliche Wohnungsunternehmen, Ämter der Stadt Frankfurt, der Verband der südwestdeutschen Wohnungswirtschaft und der Deutsche Städtetag. Als Ziele hatte sich die Gruppe gesetzt: eine bessere Wohnungsversorgung von älteren Bürgerinnen und Bürgern sowie von jungen Familien, bessere soziale Durchmischung, zusätzliche beschäftigungspolitische Effekte, bessere Nutzung des Wohnungsbestands, sozial bedarfsgerechte bauliche Ergänzung und auch eine Verbesserung des Wohnumfelds

Ein Abgleich der Daten der Wohnungsunternehmen und der amtlichen Statistiken  bestätigte die Vermutung, dass der Anteil der älteren Bewohner in den kommenden Jahren deutlich steigen wird: Die Hälfte der Wohnungen über 75 qm (50%) wurden im Jahr 1998 von Mietern über 55 Jahren bewohnt, 25% der Wohnungen über 75 qm von Mietern über 65 Jahren. Ein Fünftel der Einfamilienhäuser (18%, ca. 190 Häuser) wurden von 1- und 2-Personenhaushalten bewohnt, deren Mitglieder älter als 65 Jahre sind. Bereits jeder Zehnte Haushalt in der Nordweststadt war ein „älterer Kleinhaushalt“, der mit 1 oder 2 Personen familiengeeigneten Wohnraum bewohnen (zur Miete oder im Eigenheim). Das waren ca. 900 Haushalte.

Angesichts dieser bevorstehenden Entwicklung überlegten die Wohnungsunternehmen, ob es sinnvoll für sie ist, ein Umzugsmanagement als neues Dienstleistungsangebot einzuführen. Die Unterstützung älterer Menschen beim Wohnungswechsel könnte, so ein Gedanke, auch ein Instrument der Kundenbindung sein. Langjährige Mieter könnten gehalten, andere ältere Mieter gewonnen werden. Umzugsmanagement wurde bereits erfolgreich von Kommunen (z.B. als Teil der Wohnberatung für ältere Bürger) und als Dienstleistung von Wohnungsunternehmen realisiert. Es kann beschäftigungsfördernd wirken, z.B. Beauftragung von Beschäftigungsgesellschaften. Die Erfahrung zeigt zudem, dass das Angebot eines Umzugsmanagements die Umzugsbereitschaft älterer Menschen erhöht. Mitarbeiter der Wohnungsunternehmen entwickelten Konzepte für die Einführung dieser Dienstleistung in den Unternehmen.

Eine Arbeitsgemeinschaft aus Architekten, Stadtplanern und Landschaftsplanern ging der Frage nach, welche städtebaulichen Möglichkeiten einer altersgerechten Weiterentwicklung der Nordweststadt es gibt. Immerhin wurde das Nachfragepotential auf rund 250 altersgerechte Wohnungen geschätzt. Neubauten sind ebenso wie eine „Aufwertung und Aufrüstung“ des Bestands durch Anbau von Aufzügen, Aufstockungen etc. denkbar.

Die Analysen und Diskussionen der Stadtplaner haben gezeigt, dass in der Nordweststadt Standortpotentiale für bauliche Ergänzungen (Neubau, Erweiterungsbauten) vorhanden sind. Die Entwicklung eines ergänzenden Angebots altersgerechten Wohnens kann sogar Entwicklungsperspektive für „Problemkinder“ im Baubestand wie  Einkaufssubzentren sein. Studenten identifizierten möglicher Ergänzungsstandorte in der Nordweststadt, entwickelten Ideen für altersgerechte Gebäudetypen und dazu, wie die vielen grünen Freiräume in der Nordweststadt altersgerecht gestaltet werden können.

Als weiteren Arbeitsschritt wurden die Wohnwünsche und Wohnbedürfnisse älterer Menschen in der Nordweststadt untersucht. Die qualitative Studie diente dazu, das Nachfragepotential nach altersgerechten Wohnmöglichkeiten und wohnbegleitenden Dienstleistungen abzuschätzen. Für ältere Menschen, die umziehen wollen, ist  langfristige Vorsorge durch Wechsel in eine altengerechte Wohnsituation der wichtigste Umzugsgrund. Wo ein attraktives Wohnangebot für Ältere entstand, überstieg die Nachfrage das Angebot (über 340 Bewerbungen auf 80 Wohnungen für Betreutes Wohnen in einem Neubauvorhaben in der Nähe der Nordweststadt). Die Wohnpräferenzen der älteren Menschen in der Nordweststadt waren eindeutig. Gewünscht wurden normale, altersgerecht ausgestattete 2-Zimmer-Wohnungen, die mit einem Serviceangebot verknüpft sind und in kleinen, überschaubaren Wohnanlagen liegen.

Das Kernergebnis der Studie jedoch lautete „Es besteht deutliches Interesse an Wohnalternativen fürs Alter, doch jenseits des Horrorbilds Altersheim sind noch kaum Alternativen bekannt.“

Dies zeigte, dass neben den praktischen Fragen des Wohnungsbaus, der Umzugsorganisation und der Etablierung eines Dienstleistungsangebots auch kommunikative Aufgaben gelöst werden müssen: Veränderungen müssen Unterstützung im Wohnquartier erfahren, vor allem durch die älteren Bewohner selbst. Oftmals leben sie seit Jahrzehnten im Quartier, haben es geprägt und sind mit ihm emotional verbunden. Ihr Altwerden ist ein sehr persönliches, heikles Thema. Veränderungen im Quartier mit der sich abzeichnenden sozialen Problemlage „Vergreisung“ zu begründen, wird schnell auf Ablehnung stoßen. Vermittelt dies doch die Botschaft, die Bewohner würden zum Problem, nur weil sie älter werden. Zudem führt die häufige Rede von „Problemen“ rasch zu einer Stigmatisierung von außen („Greisenghetto“) oder zu Abwehrreaktionen von Bewohnern, die eine Stigmatisierung befürchten.

Die Selbsterkenntnis, dass man älter geworden ist, die persönlichen (Wohn-) Bedürfnisse sich gewandelt haben und es daher folgerichtig ist, wenn sich im Wohngebiet etwas für die eigene, inzwischen ältere Generation tut, wurde in der Nordweststadt über einen Umweg erreicht: Die Organisation einer Fotoausstellung mit privaten Bildern aus den „Gummistiefeljahren“ bildete den Rahmen eines Kommunikationsprozesses mit über das Älterwerden im Stadtteil. Wie „Pioniere der Nordweststadt“ fühlten sich die ersten Bewohner dieser in den 60er Jahren entstandenen Großsiedlung in Frankfurt am Main. Bilder aus privaten Fotoalben und persönliche Erinnerungen der ersten Bewohner berichten von den Gummistiefeljahren, als man noch im Schlamm der Großbaustelle wohnte, von Kindheit in der überwältigend kinderreichen Nordweststadt, vom Einkaufen und Miete zahlen, von Spielplätzen und dem Weg zur Arbeit. Die Erinnerung an das verbindende Erlebnis ihrer Pionierzeit bot den älteren Bewohnern zugleich Anlass, über die persönliche Zukunft nachzudenken.

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