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Davon geht die Welt nicht unter!

Artikel vom 12.09.2023

Klimaterroristen, Klimakommunikation und Apokalypse. Ein Beitrag von Philipp Schrögel

Klimaterroristen – Unwort des Jahres 2022

Das Unwort des Jahres 2022 – Klimaterroristen – hat Folgen für die Klimakommunikation. „Die Forderungen der Klimaaktivist:innen, die Klimakrise durch wirksame politische Maßnahmen zu bewältigen, treten im öffentlichen Diskurs [durch die Bezeichnung] ebenso in den Hintergrund wie die globale Bedrohung durch den Klimawandel“, so die Unwort-Jury. Und diese Bedrohung ist existenziell: Der letzte Bericht des Weltklimarates IPCC hat Anfang 2023 eine drastische Prognose beschrieben, doch eine lebenswerte Zukunft für alle sei noch im Bereich des Möglichen, eine „Klima-Apokalypse“ ist noch vermeidbar, wie die Presse titelte.

Doch wie kommuniziert man dazu? Erst kürzliche mahnte Jim Skea, der neue Vorsitzende des IPCC, eine positive Klima-Kommunikation an: „Wenn man ständig nur die Botschaft aussendet, dass wir alle dem Untergang geweiht sind, dann lähmt das die Menschen und hält sie davon ab, die nötigen Maßnahmen zu ergreifen.“

Andererseits verwenden Forderungen nach politischen Maßnahmen drastische Formulierungen – mit Verweis auf die lange Geschichte wirkungsloser Vereinbarungen und ausbleibender Maßnahmen. Am bekanntesten ist vielleicht das Zitat von Greta Thunberg aus dem Jahr 2019: „Ich will, dass ihr in Panik geratet“ (an untätige Entscheidungsträger gerichtet, und nicht als allgemeine Forderung nach mehr Panik, wie oft fälschlicherweise dargestellt). Und aktivistische Gruppierungen tragen das mögliche Ende der Welt bereits im Namen: „Extinction Rebellion“ oder „Letzte Generation“.

Hoffnung auf einer unbewohnbaren Erde?

Die Kontroverse ist nicht neu. David Wallace-Wells entfachte in seinem Artikel „The Uninhabitable Earth“ im Jahr 2017 eine Debatte über Klimawandel und „Doomism“ – Untergangsstimmung. Aber sowohl reiner Optimismus als auch Pessimismus sind letztlich beides passive Positionen. Ersterer vertraut darauf, dass sich die Dinge schon regeln werden, letzterer sagt, dass wir ohnehin nichts tun können. Die in der positiven Kommunikation adressierte Hoffnung kann damit als aktivistische Haltung verstanden werden.

Die Frage ist jedoch nicht, ob man hoffen sollte oder nicht, sondern worauf, wie Tommy Lynch argumentiert. Und über wessen Hoffnungen wir sprechen. Wie Rob Nixon in „Langsame Gewalt und der Umweltschutz der Armen“ argumentiert, sollten wir jenen zuhören, die bereits unmittelbar vom Klimawandel betroffen sind. Dabei wird eine ganz andere Dringlichkeit offenbar als in den genauso wohlmeinenden wie wohlhabenden westlichen akademischen Milieus.

Angst alleine führt nicht weiter

Daneben stellt sich auch die empirische Frage, welche psychologischen Auswirkungen apokalyptische Verweise in der Klimakommunikation haben. Bereits 2009 kam eine experimentelle Studie zu dem Schluss: Dramatische, schockierende Darstellungen des Klimawandels können die Aufmerksamkeit der Menschen auf das Thema lenken. Aber, wie auch als Titel für die Publikation gewählt wurde: Mit Angst ist es nicht getan – sie kann auch das Gefühl vermitteln, hilflos und überfordert zu sein. Auch spätere Forschung bestätigt dieses ambivalente Bild: beide Effekte sind vorhanden, aber es lässt sich bisher kein eindeutiger Schluss treffen, weder für noch gegen die Wirksamkeit von Furchtappellen in der Klimakommunikation.

Werturteilsfrei oder nicht – aber symbolkräftig

In der Debatte zum Klimaaktivismus und dessen engen Wissenschaftsbezügen, bis hin zur szientistisch anmutenden Forderung „Follow the Science!“, spiegelt sich die alte Debatte um die Werturteilsfreiheit der Wissenschaft wider, wie sie schon Max Weber geführt hat. Auch wenn es in den heutigen Diskussionen nicht mehr nur um die Frage geht, ob und wie (politische) Handlungsempfehlungen zulässig sind, sondern ob Wissenschaftler:innen in dieser Rolle selbst aktivistisch tätig werden dürfen, gar wie bei „Scientist Rebellion“ mit der Teilnahme an Blockade-Aktionen.

Jenseits der normativen Bewertung dieses Vorgehens lässt sich aus Kommunikationsperspektive ein interessanter Aspekt hervorheben: Wie sich schon in den frühen Aktionen von beispielsweise Greenpeace gezeigt hat: spektakuläre Protestaktionen erzeugen Bilder, die im medialen und politischen Diskurs hängenbleiben – oft wichtiger als die unmittelbare Wirkung. So wie die Bilder mit schwarzer Farbe verschmierter Aktivist:innen, die an ikonische Motive ölverschmierter Vögel erinnern. Derartige Symbole können als Anknüpfungspunkte für Debatten dienen – auch wenn die Herausforderung besteht, dass die Diskussion über die Aktionsform diese nicht überschatten, wie die Unwort-Jury bereits anmerkte.

Ein Symbol, das dies in einem gesetzteren Wissenschafts- und Politik-Umfeld schon länger tut, ist die „Doomsday Clock“, die neben der existenziellen Bedrohung durch Atomkriege auch seit 2007 den Klimawandel in der Risikobetrachtung berücksichtigt. Trotz der vergleichsweise wenig krawallträchtigen Form wird auch hier öfters unwissenschaftlicher Aktivismus vorgeworfen. Gegenwärtig steht die Uhr übrigens bei „90 seconds to midnight“.

Literatur

Edenhofer, O., Kowarsch, M. (2015). Ausbruch aus dem stahlharten Gehäuse der Hörigkeit: ein neues Modell der wissenschaftlichen Politikberatung. In: Wissenschaftliche Politikberatung im Praxistest. Hrsg. von Peter Weingart und Gert G. Wagner unter Mitarbeit von Ute Tintemann, 83-105. Weilerswist: Velbrück Wissenschaft.

Lynch, T. (2017). Why Hope Is Dangerous When It Comes to Climate Change: Global warming discussions need apocalyptic thinking. Slate.

Nixon, R. (2011). Slow Violence and the Environmentalism of the Poor. Harvard University Press.

O'Neill, S., & Nicholson-Cole, S. (2009). “Fear won't do it” promoting positive engagement with climate change through visual and iconic representations. Science communication, 30(3), 355-379.

Reser, J. P., & Bradley, G. L. (2017). Fear appeals in climate change communication. In: Oxford research encyclopedia of climate science.

Wallace-Wells, D. (2018). The uninhabitable earth. In: The Best American Magazine Writing 2018, 271-294. Columbia University Press.  


Philipp Schrögel ist Akademischer Mitarbeiter in der Wissenschaftskommunikation am Käte Hamburger Kolleg für Apokalyptische und Postapokalyptische Studien (CAPAS) in Heidelberg.                                                                                              

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