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Wie sich Kommunen finanzieren und wie sie sich finanzieren sollten

Artikel vom 02.09.2019

Einige Bemerkungen aus verfassungsrechtlicher Sicht. Von Christian Waldhoff 

Die Kommunen im Staatsaufbau

Die Kommunen sind nach heutigen verfassungsrechtlichen Verständnis Teil des Staates. Das war im 19. Jahrhundert noch nicht der Fall; seinerzeit wurden sie der Sphäre der Gesellschaft zugeordnet. Sie ordnen sich als Träger kommunaler Selbstverwaltung nahtlos in die staatliche Binnenorganisation ein, üben Staatsgewalt aus und müssen folglich demokratisch legitimiert sein. Die deutsche bundesstaatliche Doktrin geht von einem zweistufigen Staatsaufbau aus: Dem Bund als zentraler Einheit werden die Länder als Gliedstaaten gegenübergestellt. Gleichwohl bilden die Landkreise und Gemeinden eine eigene Verwaltungsebene, und neben dem zweistufigen Staatsaufbau gibt es einen drei- oder sogar mehrstufigen Verwaltungsaufbau. Daraus ergibt sich eine eigentümliche Doppelrolle, in der sich die mit Selbstverwaltungsrecht ausgestatteten Kommunalkörperschaften in der grundgesetzlichen Verfassungsordnung befinden. Einerseits sind sie Teil der administrativen Dezentralisation, andererseits prägen sie den Staatsaufbau politisch-demokratisch. Das Bundesverfassungsgericht hat hieraus die spezifische Funktion entwickelt, die die Gemeinden im Staatsaufbau erfüllen.

Von der kommunalen Selbstverwaltung zur Finanzautonomie der Kommunen

Finanzautonomie wird in Deutschland traditionellerweise im Sinne einer ausreichenden Finanzausstattung zur autonomen Erfüllung von Sachausgaben verstanden. Finanzautonomie ist so also die aufgabenadäquate, verfassungsrechtlich abgesicherte Finanzausstattung, die vornehmlich durch die Zuweisung von Ertragshoheit gewährleistet wird.

Finanzautonomie erweist sich dann als ein Verteilungsproblem im Gesamtfinanzaufkommen. Diese meines Erachtens von vornherein verfehlte Verortung, die auf dem problematischen Gedanken der Entkopplung von Sachpolitik und Finanzpolitik beruht, existiert auf der hier interessierenden Ebene der Gemeinden glücklicherweise nur abgeschwächt. Die Gemeinden haben auf der Einnahmenseite immerhin größere Gestaltungsspielräume als die rhetorisch stets ihre Staatsqualität hochhaltenden Länder. Eine Verfassungsergänzung wie GG Art. 28 Abs. 2 Satz drei verdeutlicht dies.

Nun wird jedoch die traditionell überwiegende Betonung der Finanzausstattung gegenüber den finanziellen Gestaltungsmöglichkeiten dann zum Problem, wenn weitere Einnahmemöglichkeiten wie die Verschuldung aus guten Gründen verschlossen oder doch entscheidend verengt werden. Das Stichwort hierzu sind Anforderungen der Schuldenbremse im Mehrebenensystem. Eine ausreichende Finanzausstattung auf kommunaler Ebene mag ein finanzwirtschaftliches Korrelat für die zahlreichen Pflichtaufgaben der Gemeinden sein, bei denen sie zwar als Selbstverwaltungskörperschaften auftreten, jedoch eigentlich staatliche Aufgaben dem Bürger gegenüber erfüllen. Für den Bereich autonomer Gestaltung ist das nicht angemessen. Einnahmen und Ausgaben sind auf sämtlichen staatlichen Ebenen durch das Gesamtdeckungsprinzip zwar zunächst weitgehend getrennt: Alle Einnahmen decken alle Ausgaben. Der Zusammenhang zwischen Nehmen und Geben wird dann jedoch politisch manifestiert im Haushalt hergestellt. Das gilt für den Bund, für das Land und die Kommune. Von Autonomie kann sinnvollerweise nur dann gesprochen werden, wenn diese politische Vermittlung auch zu Stande kommen kann, nur so kann Finanzverantwortung hergestellt werden. Diese bildet den zentralen demokratischen Legitimationsmechanismus bei jeglicher Abgabenerhebung.

Verantwortungszusammenhänge bauen in der Demokratie, auch auf kommunaler Ebene, auf Zurechenbarkeit und Verantwortung auf. Um die demokratische Rückkopplung herzustellen, müssen diese Verantwortlichkeiten dafür sichtbar, d.h. identifizierbar sein. Auf die Finanzierung der Kommune bezogen ist das nicht nur ein finanzpsychologisches Postulat zur Vermeidung von Abgabenwiderstand und damit zur Hebung der Steuermoral, sondern Kernbestandteil demokratischer Legitimationsstiftung. Kommunale Selbstverwaltung fordert insofern die Kopplung und Rechtfertigung von Sachentscheidungen und Finanzentscheidungen. Dieser demokratische Zusammenhang wird von finanzwissenschaftlicher, also volkswirtschaftlicher Seite als institutionelle oder fiskalische Äquivalenz, als Einheit von Kostenträgern und Nutznießern beschrieben und positiv gewürdigt. Er ist mit dem hier vorgetragenen Ansatz juristisch reformuliert.

Die hier vorgetragene Sichtweise kommunaler Finanzautonomie als Basis für die juristische Behandlung kommunaler Finanzierungsfragen wird durch zwei rechtsdogmatische Erwägungen gestützt. Die kommunale Selbstverwaltung erweist sich in ihrer demokratischen Legitimationsstruktur, anders als die funktionale Selbstverwaltung (etwa das Kammerwesen) als repräsentative Demokratie im Kleinen. Vor allem bringen den hier entwickelten Gedanken auch mehrere Grundgesetzergänzungen zum Ausdruck. In der sogenannten großen Finanzreform von 1969, der grundlegenden Umgestaltung der bundesstaatlichen Finanzverfassung, wurde den Gemeinden das Hebesatzrecht für die Realsteuern gesichert und deren Ertragshoheit auch in der Verfassung festgeschrieben. Die Begründung des Verfassungsänderungsgesetzes bringt die Intention mustergültig zum Ausdruck: Die Regelungen dienen der Sicherung des für eine eigenverantwortliche Selbstverwaltung unentbehrlichen Spannungsverhältnisses zwischen dem Streben nach einem möglichst hohen Niveau der öffentlichen Leistungen auf der einen Seite und einer möglichst niedrigen Steuerbelastung auf der anderen Seite. Rein klarstellender Natur war dann die Einführung des heutigen Art. 28 Abs. 2 Satz 3 GG, wonach die finanzielle Eigenverantwortung zur kommunalen Selbstverwaltung gehört. Im Zuge der Abschaffung der Gewerbekapitalsteuer und der Einführung der Beteiligung der Kommunen an der Umsatzsteuer wurde noch ein zweiter Halbsatz ergänzt, der vor dem Wegfall des Objekts des wichtigsten Hebesatzrechtes schützt. Danach muss es eine wirtschaftskraftbezogene Steuerquelle geben.

Sieben Spannungsverhältnisse in der Kommunalfinanzordnung

Die Ordnung der Kommunalfinanzen ist durch Spannungsverhältnisse geprägt. Diese sind:

Erstens: Kommunale Finanzautonomie versus Finanzierungsicherheit und Nivellierung durch den kommunalen Finanzausgleich.

Zweitens: Ein Spannungsverhältnis besteht auch zwischen den kommunalen Gestaltungsmöglichkeiten bei der Mittelgenerierung und dem Ziel der Steuervereinfachung.

Drittens: Finanzdemokratische Transparenz einerseits versus Misch- und Kooperationselemente im kommunalen Finanzsystem andererseits.

Viertens: Kommunaler Abgabenwettbewerb über Hebesätze, Gebühren und ähnliches versus Gleichheitserwartungen in der Fläche.

Fünftens: Einerseits staatliche Aufgabenzuweisung, andererseits finanzielle Mindestausstattung der Kommunen.

Sechstens: Das Spannungsverhältnis zwischen kommunaler Finanzautonomie einerseits und der Finanzaufsicht, die in diesem Bereich eine besonders große Rolle spielt.

Siebtens: Das Spannungsverhältnis Steuern versus Gebühren und Beiträge.

Zur Abgabenrechtfertigung

Die theoretische Zentralfrage der Finanzierung der öffentlichen Hand ist die Entscheidung zwischen dem Leistungsfähigkeitsprinzip einerseits und dem Äquivalenzprinzip als Grundlage andererseits. Dies ist die Entscheidung zwischen Gemeinlast versus Vorzugslast, zwischen Steuern versus Gebühren, Beiträgen und ähnlichem.

Das Steuerstaatsprinzip beherrscht nicht nur die verfassungsgerichtliche Judikatur, es ist meines Erachtens auch weder theoretisch noch rechtsdogmatisch widerlegt. Steuerstaatlichkeit in diesem normativen Sinne bedeutet nicht mehr und nicht weniger als dass nicht-steuerliche Abgaben einem besonderen Rechtfertigungsbedarf unterliegen. Die überkommenen kommunalen Vorzugslasten, Gebühren und Beiträge halten einem solchen Test freilich regelmäßig stand. Auch hier werden die Besonderheiten der kommunalen Ebene, als derjenigen Verwaltungsebene, die die Hauptlast des Verwaltungsvollzugs dem Bürger gegenüber trägt, deutlich. Wer konkrete Verwaltungsleistungen erbringt, kann auch den „Verwaltungspreis“ erheben. Welche Leistungen freilich derart bepreist werden und welche nicht, fällt unter den Vorbehalt des Gesetzes. Damit ist dies zunächst politisch zu entscheiden und zu verantworten. Der Übergriff in die allgemeine Staatsfinanzierung, d.h. in den Bereich der Steuer wird in der Rechtsprechung dadurch abgewehrt, dass über die Gebührenprinzipien (Äquivalenzprinzip oder Kostendeckungsprinzip) der kausale Bezug dieser Abgaben erhalten bleibt.

Insofern ist auch die Entscheidung des ersten Senates des Bundesverfassungsgerichts zur sozialen Staffelung von Kindergartengebühren richtig. Diese ist danach nur insofern statthaft, als dass noch keine Kostendeckung in Bezug auf die Finanzierung der Sachaufgabe erreicht wurde. Ein höherer Anteil an Abgaben mit im Prinzip konkreten Äquivalenzfolgen ist somit auf der kommunalen Ebene grundsätzlich legitim. Kommunalabgabenrechtlich herrschte lange (und existiert teilweise auch heute) eine steuerliche Subsidiaritätsklausel. In vielen Gemeindeordnungen der Länder steht, dass die Gemeinden nur Steuern erheben dürfen, sofern andere Einnahmequellen bereits ausgeschöpft sind. In Anlehnung an heute zumeist  überholte historische Vorbilder normieren die meisten Gemeindeordnungen insofern einen Vorrang von Entgelten für erbrachte Leistungen in Form von Gebühren und Beiträgen. Mehrfach wird die Steuererhebung ausdrücklich als nachrangig angesehen, sie soll nur zulässig sein, soweit die sonstigen Einnahmen nicht ausreichen. Regelmäßig subsidiär ist auch die an spezielle Restriktionen gebundene Kreditaufnahme. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage nach einem etwaigen Rangverhältnis der verschiedenen Einnahmearten der Gemeinden. Der tatsächlichen Bedeutung entspricht eine solche Anordnung der Einnahmearten schon lange nicht mehr. Grund- und Gewerbesteuer sind die zentralen Einnahmearten. Das Bundesverwaltungsgericht hat kommunalrechtliche Rangordnungen am Beispiel der nordrhein-westfälischen Regelung gebilligt, hat sie als Rechtssatz, nicht jedoch als Programmsatz qualifiziert. Gleichzeitig wurde den Gemeinden hinsichtlich des Grades der Ausschöpfung der einzelnen Einnahmearten ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Entscheidungsspielraum eingeräumt. Auch hierin verwirklicht sich ein Stück Finanzautonomie. Im Ergebnis wurde damit ein einklagbarer Anspruch eines Gewerbesteuerpflichtigen zurückgewiesen, der auf eine Senkung des gemeindlichen Hebesatzes wegen mangelnder Ausschöpfung vorrangiger Einnahmequellen geklagt hatte. Eine anderslautende Entscheidung hätte zu einer Aufspaltung der kommunalen Finanzhoheit in einen individuell einklagbaren Teil und einen verbleibenden Teil geführt und die Finanzautonomie aus Sicht der Kommune letztlich geschwächt. Der in den einschlägigen Finanzvorschriften der Gemeindeordnungen zum Ausdruck kommende Subsidiaritätsgedanke hat somit keine unmittelbare, individualschützende Wirkung.

 

Christian Waldhoff ist Professor für Öffentliches Recht und Finanzrecht an der Humboldt-Universität zu Berlin.

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