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Das Beispiel der Wasserversorgung in der Diskussion um Daseinsvorsorge

Artikel vom 15.08.2001

Foto: Alexander Mak/shutterstock.com

Kritik am zu hohen Staatsanteil, Privatisierungsforderungen und die strikte Brüsseler Wettbewerbspolitik haben die öffentliche Wirtschaft insgesamt in eine Legitimationskrise gestürzt. Die kommunale Wirtschaft ist davon akut betroffen und wirkt verunsichert. Das Fundament „Daseinsvorsorge“ als bewährtes Argument für kommunalwirtschaftliche Aktivitäten wird brüchig. Vor allem um die kommunale Dominanz in der Wasserversorgung werden große Schlachten geschlagen. Von Michael Schöneich

Einleitung

In diesem vor allem ideologisch und ordnungspolitisch geführten Streit wird anhand des Beispiels Wasserversorgung für eine vermittelnde Lösung geworben: Neudefinition der Daseinsvorsorge bzw. des öffentlichen Auftrags, Anpassung der nationalen Rechtsgrundlagen kommunalwirtschaftlicher Tätigkeit vor dem Hintergrund Brüsseler Wettbewerbsprinzipien und schließlich Sicherung der Spielräume kommunaler Wirtschaft im gleichberechtigten Nebeneinander mit Dienstleistern der privaten Wirtschaft.

Die Daseinsvorsorge ist ins Gerede gekommen und die kommunalen Unternehmen befinden sich in einer Legitimationskrise. Mit diesem knappen Befund lässt sich der gegenwärtige Zustand eines Wirtschaftszweiges beschreiben, dessen Wurzeln angeblich schon in der Antike liegen und dessen wirtschaftliche Bedeutung ganz erheblich ist: Insgesamt beschäftigen die kommunalen Unternehmen, deren Prototyp das „Stadtwerk“ mit den Versorgungssparten Strom, Gas, Wärme und Wasser ist, derzeit etwa 130.000 Personen; sie investieren jährlich mehr als 11 Mrd. DM und erzielen Umsatzerlöse von mehr als 72 Mrd. DM pro Jahr. Dieser Teil der öffentlichen Wirtschaft wurde in einer langen Entwicklung aufgebaut und unterhält heute einen beträchtlichen Teil unserer lokalen Ver- und Entsorgungs-Infrastruktur. Das hat zur Akkumulation eines wertvollen und technisch anspruchsvollen Anlagenbestandes geführt und sichert ein zuverlässiges Funktionieren für die Bevölkerung.

Viele dieser Stadtwerke können zur Zeit auf eine 100-jährige oder noch längere Unternehmensgeschichte zurückblicken: Bei den anstehenden Jubiläumsfeiern kommt zur Sprache, dass sich der Wind gedreht und in der Bundesrepublik Deutschland eine neoliberale Orientierung an Boden gewonnen hat, die einen Vorrang privater Wirtschaftstätigkeit postuliert und bei deren Ideologieprägung die gesamte öffentliche Wirtschaft generell „schlechte Karten“ hat.1 Was ist passiert und warum haben sich auf einmal die ordnungspolitischen Leitvorstellungen geändert?

Da ist zunächst der Zeitgeist, der den Rückzug des Staates und die Vorfahrt der Privatwirtschaft fordert. Ferner ist die Liberalisierungspolitik der EU zu nennen, die strikt das Ziel verfolgt, dass jedwedes wirtschaftliche Handeln in Europa primär am Maßstab des freien, von keinerlei Verzerrungen, Beihilfen oder Vorrechten verfälschten Wettbewerbs gemessen wird. Dies stellt überkommene Rechte und Pflichten vieler öffentlicher Unternehmen auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene in Frage und behandelt auch diese wie ganz gewöhnliche Wirtschaftssubjekte, zumal sie ebenfalls in der Rechtsform von Kapitalgesellschaften agieren. Schließlich ist da der Rückzug des Bundes aus vielen seiner Unternehmen wie Lufthansa, Deutsche Telekom, Deutsche Post u.a. Dieser hat den Eindruck entstehen lassen, dass wirtschaftliches Handeln grundsätzlich Sache der „privaten“ Wirtschaft sei und öffentlichen Unternehmen allenfalls eine Ausnahmerolle zukomme. Der mehrfache Paradigmenwechsel hat viele Folgen, u.a. auch die, dass kommunale Eigentümer erheblich verunsichert sind, was die Perspektiven ihrer Unternehmen angeht. Dies wiederum befördert die zahlreichen public-private-partnership-Projekte bzw. Teil- oder sogar Totalverkäufe von kommunalen Unternehmen.

Insgesamt lässt sich die eingetretene Situation als Umbruchphase bezeichnen, die keineswegs in eine „Alles-oder-nichts-Lösung“ münden muss. Die Geschichte von über 100 Jahren Stadtwirtschaft hat gelehrt, dass das Pendel zwischen privater und öffentlicher Aufgabenerfüllung immer wieder hin und her schwingt und davon beeinflusst wird, ob Marktversagen festzustellen ist, Krisensituationen gemeistert werden müssen, bzw. ob lauter oder leiser nach gemeinwohlorientierten Leistungen gerufen wird. Unabhängig von dieser Einschätzung erscheint es aber ratsam, den gegenwärtigen Standort der kommunalen Wirtschaft näher zu bestimmen, ihren Auftrag zu hinterfragen und den bisher gültigen Legitimationsgrund „Daseinsvorsorge“ zu überprüfen. Nachdem inzwischen auch die Strom- und Gasliberalisierung neue Entwicklungslinien erkennen lässt und sich die Stadtwerke-Landschaft in diesen klassischen Versorgungsbereichen erheblich verändert hat, bietet es sich an, aus Anlass der jetzt beginnenden Wasser-Liberalisierungsdiskussion in Deutschland ein Zwischenfazit zu wagen und eine Antwort auf die Frage zu versuchen: Daseinsvorsorge - quo vadis?

1. Die Liberalisierung der Strom- und Gasmärkte - Erste Folgen für die kommunalen Unternehmen

Mit der einheitlichen europäischen Akte von 1986 wurde die Vollendung des Binnenmarktes zu einem Hauptanliegen der Europäischen Union. Seitdem wurden wichtige öffentlich regulierte Dienstleistungsbranchen für den Wettbewerb geöffnet. Neben den sektoralen Maßnahmen stehen allgemeine branchenübergreifende Maßnahmen zur Stärkung des Wettbewerbs wie Richtlinien und Verordnungen zur Transparenz, Ausschreibung und Vergabe. Durch diese Politik haben sich die Bedingungen für die kommunalen Unternehmen grundlegend verändert. Am bislang folgenreichsten für die kommunalen Unternehmen war die Liberalisierung der Strom- und Gasversorgung, auf welche die EU-Kommission über 10 Jahre lang hingearbeitet hat. Der Durchbruch zu einem wettbewerbsorientierten Ordnungsrahmen kam mit der Verabschiedung der Binnenmarktrichtlinie Strom 1996 und einer entsprechenden Richtlinie für die Gasversorgung 1998.

Die Strom-Richtlinie führte Wettbewerb auf der Grundlage dreier Elemente ein: freie Erzeugung, freier Zugang zum Netz und freier Bau von Direktleitungen. Die Gas-Richtlinie verlangte ebenfalls Regelungen über Netzzugang und Direktleitungsbau. Die Binnenmarktrichtlinie Strom musste bis Februar 1999 in nationales Recht umgesetzt werden, die Binnenmarktrichtlinie Gas bis August 2000. Die Umsetzung erfolgte in der Bundesrepublik weitgehend mit der Reform des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG), die im April 1998 abgeschlossen war. Mit dem novellierten Gesetz wurde die kartellrechtliche Freistellung von Demarkationsverträgen und ausschließlichen Konzessionsverträgen aufgehoben, das heißt, der Gebietsschutz beseitigt und damit auch der Bau von Parallelleitungen möglich. Außerdem besteht ein Rechtsanspruch auf Durchleitung.

Aufgrund der beschriebenen deutschen Regelungen und der Attraktivität des hiesigen Marktes hat sich der Wettbewerb - und zwar zunächst im Stromsektor – auf Deutschland konzentriert. Bevor die Voraussetzungen dafür geschaffen waren, begann 1998 der Wettbewerb um die Haushaltskunden. Der heftige Preiskampf führte dazu, dass die Strompreise auf breiter Front fielen (für Industriekunden um bis zu 50 %, für Haushaltskunden um bis zu 20 %). Entsprechend schrumpften die Margen der Versorgungsunternehmen. Die Situation ist jetzt nach der ersten Runde im Wettbewerb keineswegs einheitlich: Es gibt Gewinner und Verlierer. Zu den Verlierern gehören die Stromerzeuger und zum Teil auch die kleinen Händler. Die kommunalen Verteilerunternehmen haben sich dagegen gut im Wettbewerb behauptet. Sie konnten wettbewerbsfähige Preise bieten und ihre Kunden zum überwiegenden Teil mit flexiblen Angeboten halten. Die Wechselquote bei Privatkunden liegt deshalb bislang unter 5 %. Die positiven Wirkungen des Wettbewerbs sind jedoch in Gefahr. Durch Fusionen und Beteiligungen ist in der Branche ein Konzentrationsprozess in Gang gekommen, der zu einer oligopolistischen Struktur mit nur wenigen beherrschenden Marktakteuren führen könnte. In der Stromerzeugung kontrollieren beispielsweise die beiden Konzerne E.ON und RWE allein 70 % des Marktes. Unabhängige Stadtwerke werden damit zu Garanten für Wettbewerb in einem zum Oligopol tendierenden Markt.

Mit dem Wettbewerb verändern sich aber auch die kommunalen Unternehmen. Konnten sie sich bislang darauf berufen, für die Versorgung der Einwohner ihrer Städte allein zuständig zu sein, müssen sie sich nun in der Konkurrenz behaupten. Um sich im Markt zu positionieren, sind nicht nur strikte Wirtschaftlichkeit und strategisches Denken gefragt. Es muss das Unternehmen auch auf Markt und Kunden ausgerichtet werden. Eigner und Unternehmensleiter müssen entscheiden, welche Geschäfte sie in Zukunft mit Erfolg betreiben können und in welchen Märkten sie aktiv sein wollen. Der Wandel durch den Wettbewerb ist erheblich und insgesamt vielfältig. Hier soll insbesondere auf drei Entwicklungen aufmerksam gemacht werden: Zum einen geraten die kommunalen Unternehmen, deren Hauptgeschäftsfelder die Strom- und Gasversorgung sind, immer mehr in das Spannungsverhältnis zwischen Gemeinwohlorientierung und Wettbewerb. Das Primat der Wirtschaftlichkeit bei allen Entscheidungen führt nicht nur dazu, dass Personal abgebaut wird, sondern auch, dass immer mehr der Unternehmensertrag in den Vordergrund rückt und die Stadtwerke einen Kommerzialisierungs-Prozess durchlaufen. Dadurch werden sie den gemeinen (privaten) Wirtschaftsunternehmen immer ähnlicher, andererseits tritt ihr ursprünglicher öffentlicher Auftrag immer mehr in den Hintergrund. Diese Entwicklung führt zu der Frage: Was rechtfertigt öffentliche Trägerschaft bzw. öffentliche Unternehmen überhaupt, wenn den öffentlichen Unternehmen allmählich die öffentlichen Aufträge abhanden kommen?2 Und schließlich drittens: Wenn sich kommunale Unternehmen im Wettbewerb behaupten sollen, dann muss überprüft werden, welche Behinderungen im Wettbewerb ihnen das Gemeindewirtschaftsrecht noch auferlegen darf.

2. Die Wasserversorgung in der Diskussion

Eine Liberalisierung der Wasserversorgung durch die EU entsprechend der Strom- bzw. Gasliberalisierung ist bislang nicht geplant. Allerdings wird derzeit auf nationaler Ebene leidenschaftlich über Vor- und Nachteile von Wettbewerb und Marktöffnung in der Wasserversorgung diskutiert. Die Bundesregierung hat eine Überprüfung des derzeitigen Ordnungsrahmens angekündigt.

Blicken wir zunächst auf die rechtlichen Grundlagen in den Kommunalverfassungen bzw. Gemeindeordnungen der Länder. Nach ihnen ist die Wasserversorgung seit jeher klassischer Bestand der kommunalen Daseinsvorsorge, deren Zweck nach Forsthoff die „Befriedigung allgemeiner Bedürfnisse zu sozial angemessenen Bedingungen ist.“3 Die Versorgung mit Trinkwasser taucht also stets auf im Kanon der Selbstverwaltungsangelegenheiten, wenn diese mehr oder weniger konkret in den einzelnen Gemeindeordnungen aufgeführt werden (vgl. § 3 Abs. 2 Kommunalverfassung des Landes Brandenburg oder als „Pflichtaufgabe“ in § 57 Abs. 2 Gemeindeordnung von Bayern).

Weitere Rechtsquellen befinden sich in den Wassergesetzen der Länder. Zum Beispiel ist gemäß § 59 Abs. 1 des Wassergesetzes für das Land Brandenburg die öffentliche Wasserversorgung in Brandenburg eine Pflichtige Selbstverwaltungsaufgabe der Gemeinden. Regelungen darüber, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang diese Aufgabe auf andere übertragen werden kann, bestehen im Gegensatz zu entsprechenden Regelungen für die Abwasserentsorgung in diesem Wassergesetz nicht. Die strenge Festlegung führt zu der Auffassung der Landesregierung, dass in die Aufgabenerledigung eingebundene Private, einschließlich kommunal bestimmter Gesellschaften des privaten Rechts, gegenüber den Kunden der Wasserversorgungseinrichtung nicht in eigenem Namen und nicht für eigene Rechnung auftreten dürfen. Diese Rechtsauffassung führt in der aktuellen Diskussion in Brandenburg zu Auseinandersetzungen mit kommunalen Unternehmen, die - wie in den alten Bundesländern üblich - eine unmittelbare Leistungsbeziehung zwischen Unternehmen und Bürgern, einschließlich der Erhebung privatrechtlicher Entgelte, begründet haben.

Darüber hinaus wird geltend gemacht, es sei bundesweit ständige Übung, dass die Aufgabe der Wasserversorgung - ungeachtet ihrer gemeindeverfassungsrechtlichen Bewertung im jeweiligen Bundesland - auf kommunale Gesellschaften des privaten Rechts übertragen, ja sogar im Wege der materiellen Privatisierung auf Private verlagert werden kann (z. B. Gelsenwasser AG). In diesem Zusammenhang wird selbstverständlich die Leistungsbeziehung unmittelbar zwischen Unternehmen und Kunden begründet.

Die rechtspolitische Diskussion in Brandenburg gibt Anlass, einen Blick auf die bestehenden Marktstrukturen in der Bundesrepublik insgesamt zu werfen: Die deutsche Wasserversorgung ist durch die Existenz weniger großer und einer Vielzahl sehr kleiner Versorgungsunternehmen geprägt, die in unterschiedlichen Rechtsformen geführt werden. Wasserversorgung und Abwasserentsorgung erfolgen in der Regel durch getrennte Unternehmen. Auf der Versorgungsseite existieren ca. 6.600 Wasserversorgungsunternehmen. Auf 1 Mio. Einwohner entfallen in Deutschland 88 Wasserversorger, was im Vergleich zu den europäischen Nachbarstaaten eine Rekordmarke bedeutet. Rund 60 % der Wassermenge entfällt auf 3,6 % der Unternehmen. Dagegen versorgen rd. 4.500 Wasserversorgungsunternehmen zwischen 50 und 3.000 Einwohner. Auf sie entfallen 8,2 % der Wassermenge.

Das Eigentum an den Unternehmen liegt überwiegend bei den Kommunen. Rund 85 % der Wasserversorgungsunternehmen werden in öffentlich-rechtlicher Form betrieben. Auf sie entfallen 52 % der Wasserabgabemenge. Bei 15 % der Unternehmen handelt es sich um privatrechtliche Gesellschaften, die 48 % der Wasserabgabemenge bereitstellen. Nur 1,6 % der Unternehmen befinden sich vollständig in privatem Eigentum. Allerdings zeichnet sich in den letzten Jahren ein Trend ab, verstärkt private Dritte bei der Wasserversorgung in Form von Minderheitsbeteiligungen oder von zeitlich befristeten Betreiberverträgen einzubeziehen (BMWi-Forschungsvorhaben 11/00, vorläufiges Thesenpapier vom 21. Februar 2001).

Angesichts dieser zweifellos kleinteiligen und überwiegend öffentlich-rechtlich dominierten Marktstrukturen verfolgt nun der Bundeswirtschaftsminister das Ziel, durch Streichung des § 131 Abs. 8 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) die gegenwärtige Sonderstellung des Bereichs Wasser im Kartellrecht zu beseitigen. Gemäß § 131 Abs. 8 GWB gelten die §§ 103, 103 a und 105 GWB alter Fassung fort, welche die geschlossenen Versorgungsgebiete im Bereich der Wasserversorgung und damit zugleich die ausschließlichen Wegerechte der Kommunen abstützen. Ausgehend von den Prämissen, dass die deutsche Wasserwirtschaft mit Rücksicht auf ihre breit gefächerte Struktur von ca. 6.600 überwiegend öffentlich-rechtlich geprägten Unternehmen unterschiedlicher Rechts- und Organisationsformen international nicht konkurrenzfähig sei, betrachtet das Bundeswirtschaftsministerium die Beseitigung der geschlossenen Versorgungsgebiete im Bereich Wasser als Voraussetzung dafür, den Anreiz für die Optimierung effizienter Unternehmens- und Versorgungsstrukturen mit hiermit verbundenen Vorteilen für die gewerbliche Wirtschaft und auch zugunsten der Bürger zu schaffen und damit die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wasserwirtschaft insgesamt zu stärken.

Auf die erklärten Absichten des Bundeswirtschaftsministers folgte vehementer Widerspruch. Der Protest veranlasste den Minister im Sommer 2000, zunächst auf ein umfangreiches Forschungsvorhaben zur Liberalisierung der Wasserversorgung auszuweichen mit der Zielsetzung, die Wirkungen einer Streichung der §§ 103, 103 a und 105 GWB alter Fassung und damit einer eventuell kartellrechtlichen Öffnung auf die derzeitigen Strukturen der Wasserversorgungswirtschaft unter Beachtung der besonderen gesundheitlichen und ökologischen Aspekte der Ressource Wasser untersuchen zulassen. Die zentrale Frage des vergebenen Gutachtens lautet:

„Wären bei einer Streichung des kartellrechtlichen Ausnahmebereichs für Trinkwasser Begleitregelungen erforderlich, um eine nachhaltige Wasserversorgung sicherzustellen, und wenn ja, welche?“

Das Gutachten wurde unter der Leitung des Wirtschaftsprofessors Dr. Ewers (TU Berlin) erstellt.4 Die in Aussicht genommene Zeitachse sah vor, dass der Entwurf des Gutachtens unter Einbindung und Beteiligung der Fachverbände am Jahresbeginn 2001 zum Gegenstand eines umfangreichen Workshops gemacht werden soll. Alsdann wäre unter Auswertung der Ergebnisse dieser Veranstaltung die endgültige Fassung des Forschungsvorhabens fertig zu stellen. Der Workshop hat am 27. März 2001 in Berlin stattgefunden. Die vorläufigen Ergebnisse der Gutachter lassen sich wie folgt zusammenfassen:

„Die vergleichsweise hohe Qualität des Leistungsangebots deutscher Wasserversorger ist weitestgehend unumstritten. Anreize für eine effiziente Leistungserstellung werden über den bestehenden Ordnungsrahmen hingegen kaum gesetzt. Eine stärkere Marktöffnung in der Wasserversorgung soll die Anbieter zwingen, Rationalisierungspotentiale zu nutzen und die Kostenvorteile in Form von niedrigen Preisen an die Verbraucher weiterzugeben, Größen- und Verbundvorteile zu nutzen, Entscheidungen über den Zuschnitt von Versorgungsgebieten unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu treffen und die Kosten verursachergerecht bei den Verbrauchern anzulasten. Schließlich soll die internationale Wettbewerbsfähigkeit deutscher Anbieter von Wasserversorgungsleistungen verbessert werden. Sofern eine stärkere Marktöffnung dazu führt, dass umwelt-, gesundheits- oder verteilungspolitische Ziele schlechter erfüllt werden als dies bislang der Fall ist, müssen flankierende Maßnahmen ergriffen werden. Eine stärkere Marktöffnung kann zum einen darauf gerichtet sein, den Wettbewerb um Endverbraucher zu ermöglichen, in dem rechtliche Regelungen, die den Zutritt zu Versorgungsgebieten anderer Anbieter behindern, aufgehoben werden (Wettbewerb im Markt), zum anderen kann sie zum Ziel haben, die Anbieter im Wettbewerb um das zeitlich befristete Recht zur Wasserversorgung in einem Versorgungsgebiet zur Abgabe innovativer kostengünstiger Angebote anzuhalten (Wettbewerb um den Markt).“5

Gegen diese Vorschläge, die insbesondere auf eine stärkere Marktöffnung abzielen, wurden in dem Workshop im Wesentlichen folgende Argumente ins Feld geführt:

  • Die Lebensmittelqualität des Wassers, der vorsorgende und nachhaltige Umgang mit dieser Ressource sowie die notwendige Versorgungssicherheit gebieten eine eingehende und umfassende Prüfung sämtlicher Vor- und Nachteile im Fall einer grundlegenden Veränderung der Rahmenbedingungen (Warnung vor einem „Schnellschuss“).
  • Vor dem Hintergrund, dass die Versorgung mit Trinkwasser in Deutschland auf einem außerordentlich hohen und beispielhaften Niveau stattfindet, verbietet sich ein radikaler Kurswechsel hin zu einer Liberalisierung oder gar Privatisierung der Wasserversorgung.
  • Wasser ist kein beliebiges Wirtschaftsgut, sondern ein hochwertiges und äußerst sensibles Lebensmittel. Wasserversorgung ist damit elementare Daseinsvorsorge.
  • Wasserversorgung ist eine gemeindliche Pflichtaufgabe. Den Gemeinden obliegt damit die Aufgabenträgerschaft - eine Verpflichtung, die sie im Einzelfall in unterschiedlicher Rechtsform und Organisationsstruktur erfüllen können. Eine Marktöffnung mit dem Ziel eines teilweisen oder gar vollständigen Aufgabenentzuges ist jedenfalls mit der Selbstverwaltungsgarantie unvereinbar.
  • Europarechtlich steht eine „Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ infrage, die nicht nur durch Art. 86 Abs. 2 EGV, sondern insbesondere durch die zum Ol. Mai 1999 infolge des sog. „Amsterdamer Vertrages“ neu in das europäische Primärrecht eingefügte Regelung des Art. 16 EGV eine besondere Hervorhebung erfährt.

Nach dem Workshop spiegeln sich in öffentlichen Reaktionen die verschiedenen Meinungen wider. „Die kommunal getragene Wasserversorgung ist und bleibt ein essentieller Bestandteil der öffentlich-rechtlichen Daseinsvorsorge und die beste Alternative zum privaten Kommerz“, erklärt der Verband kommunaler Unternehmen (VKU-Sonderveröffentlichung „Stadtwerke im Wettbewerb“ vom April 2001). Auf der anderen Seite ist der Standpunkt vertreten: „Eine unheilige Allianz wehrt sich gegen Pläne des Wirtschaftsministers, die Wasserversorgung zu liberalisieren“ (Wirtschaftswoche Nr. 13 vom 22.03.2001, S.36).

Wie wird es weitergehen? So lautet die Frage angesichts der konträren Interessen. Die Antwort ist deshalb besonders schwierig, weil der Bundeswirtschaftsminister inzwischen hat erkennen lassen, dass er in dieser Legislaturperiode keine gesetzlichen Initiativen zu diesem Thema entwickeln wird. Dennoch wird das Thema Wasser höchst aktuell bleiben, denn der Bundesverband der deutschen Industrie6 und die großen (privaten) Versorgungsunternehmen werden dafür sorgen, dass die Debatte erst richtig beginnt. Wo sie enden wird, ist deshalb auch schwierig abzusehen, weil im Gegensatz zu Strom und Gas das Trinkwasser tatsächlich nicht als gewöhnliches Handelsgut angesehen werden kann und diese Sonderrolle eine Marktöffnung genau wie in anderen Versorgungsbereichen ausschließt. Andererseits ist festzustellen, dass bereits jetzt private Wasserversorger am bundesdeutschen Markt operieren und es muss davon ausgegangen werden, dass durch freiwillige Zusammenschlüsse öffentlich-rechtlicher Wasserversorger, ferner durch formale Privatisierung und schließlich auch durch weitere public-private-partnerships der Anteil Privater sich in diesem „Kernbereich“ der Daseinsvorsorge vergrößern wird. Marktöffnung allein infolge faktischer Entwicklungen dürfte also mit der Zeit eine zwangsläufige Folge sein. Fraglich ist nur, ob parallel dazu, etwa durch die EU und deren Ausschreibungs- und Vergaberegelungen, die Marktöffnung noch befördert werden wird. Weil auch mit dieser Entwicklung zu rechnen ist, bringen sich schon jetzt die großen Unternehmen aus der (Strom-)Versorgungsbranche in Stellung, erweitern ihre Geschäftsfelder auf den Bereich Wasserversorgung oder kaufen sich bei privatisierten europäischen Wasserversorgern ein (siehe das Beispiel RWE, die die Mehrheit eines privatisierten britischen Wasserversorgers übernommen hat). All dies zeigt, dass mit folgender Entwicklung zu rechnen ist:

Auch im Bereich der Wasserversorgung wird es in einigen Jahren - weit stärker als jetzt - ein plurales Wirtschaftssystem im Sinne eines Nebeneinanders zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Versorgern geben. Mit einem „Wettbewerb um den Markt“ muss ebenfalls gerechnet werden. Das Fortbestehen der kommunalen Aufgabenträgerschaft wird durch diese Entwicklung im Kern nicht berührt, die Art und Weise der Aufgabenerfüllung hingegen sehr; desgleichen mit Sicherheit auch die gesamte Versorgungslandschaft.

3. Das Kardinalproblem

Was ist der „richtige Weg“ zur bestmöglichen Erfüllung öffentlicher Aufgaben und zur Durchsetzung gemeinwohlorientierter Ziele in einer Marktwirtschaft? Diese Kernfrage ist ordnungspolitisch heftig umstritten, weshalb auch zwei konträre Antworten gegeben werden: Den einen erscheint die strikte Privatisierung aller wirtschaftlichen Tätigkeiten, die Rückführung des Staates auf hoheitliche Kernaufgaben und der Wettbewerb privater Unternehmen als die beste Lösung. Den anderen erscheint es richtig, den kommunalen Unternehmen, die sich seit langem als bürgerfreundliche Einrichtungen bewährt haben, auch unter gewandelten Rahmenbedingungen eine gute Basis zu geben und ihnen - nun im Wettbewerb - Wachstumsmöglichkeiten, z.B. durch Arrondierung ihrer Dienstleistungspalette, zuzugestehen.7

Bedenkt man, dass auch die strikten Privatisierungsbefürworter einräumen müssen, dass ihr Weg nur in Begleitung eines Systems von staatlichen Regulierungs-, Kontroll- und Wettbewerbshüter-Instanzen gegangen werden kann (nach dem Motto: Je stärker die Privatisierung, desto intensiver muss die staatliche Regulierungs- und Wettbewerbskontrolle sein), dann erscheint es sinnvoll, schon zum Erhalt eines funktionierenden Wettbewerbs und zur Durchsetzung von vielen gemeinwirtschaftlichen Zielen, die nicht primär auf Gewinnerzielung ausgerichtet sind, auch kommunale Wirtschaftsunternehmen als Marktteilnehmer zu bejahen. Ein solcher Weg könnte als „mittlere Lösung“ bezeichnet werden, denn dann wäre Daseinsvorsorge nicht nur das exklusive Privileg der öffentlichen Hände, es gäbe also kein „Zurück zu den alten Monopol-Zeiten“. Auf der anderen Seite müsste man sich in einem solchen pluralen System nicht allein auf private Dienstleister verlassen und könnte bei den staatlichen Regulierungsinstanzen und der Wettbewerbskontrolle mit weniger Aufwand auskommen.

Der EU-Vertrag gibt zu diesen Erwägungen keine direkte Antwort, durchaus aber eine indirekte. Er respektiert das öffentliche Eigentum und stellt unsere Wirtschaftsordnung nicht in Frage. Andererseits verfolgt er eine strikte Wettbewerbspolitik und unterwirft auch die Kommunen und ihre unternehmerische Tätigkeit der Beihilfeaufsicht der Kommission. Letzteres hat im Bereich der Daseinsvorsorge, z.Z. insbesondere im Sparkassenwesen, schwierige Probleme aufgeworfen. Generell ist so für die Bundesrepublik Deutschland ein starkes Spannungsverhältnis zwischen Daseinsvorsorge in herkömmlicher Form und Erfüllung der EU-Wettbewerbsprinzipien entstanden. Bei dem notwendigen Versuch, dieses Spannungsverhältnis aufzulösen, bietet es sich an, auf die inzwischen formulierten Grundsätze der EU zu den „Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ zurückzugreifen.

Nach Artikel 16 EGV haben Gemeinschaft und Mitgliedstaaten dafür Sorge zu tragen und die Grundsätze und Bedingungen für das Funktionieren der Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse so zu gestalten, dass diese ihren Aufgaben nachkommen können. Dies entbindet jedoch nicht von der Beachtung der Regeln des Wettbewerbsrechts, wie sich gleichfalls aus Artikel 16 EGV ergibt. Danach bleiben die Vorschriften über die Gewährung staatlicher Beihilfen und das Wettbewerbsrecht unberührt. Nach Artikel 86 Abs. 2 EGV gelten die Wettbewerbsregeln auch für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut sind, allerdings nur, soweit die Anwendung dieser Vorschriften nicht die Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindert. Inwieweit der erst mit dem Vertrag von Amsterdam eingefügte Artikel 16 EGV die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Artikel 86 Abs. 2 EGV beeinflussen wird, bleibt abzuwarten.8 Hieraus lässt sich die Lösung unseres Daseinsvorsorge-Problems ableiten und eine Antwort gewinnen auf die Frage: Was ist Daseinsvorsorge heute?

4. Der Lösungsweg

In ihrer „Mitteilung zu den Leistungen der Daseinsvorsorge in Europa“ vom 20. September 2000 hat die Kommission ihren rigiden ökonomischen Standpunkt in den Feldern der Daseinsvorsorge modifiziert und anerkannt, dass vielfach Aspekte der Grundversorgung der Bevölkerung betroffen sind und eine Aufwertung der öffentliehen Dienste, bzw. der „Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ im Sinne des neuen Artikels 16 EGV notwendig ist. Gelingt es also, hinreichend Klarheit zu schaffen über die Abgrenzung von wirtschaftlichen und nicht-wirtschaftlichen Tätigkeiten, dann gilt für die Daseinsvorsorge im wirtschaftlichen Bereich: Die Mitgliedstaaten haben Gestaltungsfreiheit bei der Definition von Leistungen der Daseinsvorsorge. Außerdem müssen die betreffenden staatlichen Behörden, um ihre Aufgaben wahrnehmen zu können, völlig transparent vorgehen und möglichst genau ermitteln, welchen Bedarf die Leistungen der Daseinsvorsorge aus der Sicht der Verbraucher decken sollen, wer für die Einführung und Durchsetzung der einschlägigen Verpflichtungen zuständig ist und wie diese Verpflichtungen erfüllt werden sollen. Schließlich:

„Die Neutralität in Bezug auf die Form der Unternehmensorganisation - öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich - wird durch Artikel 295 EGV gewährleistet. Die Kommission macht also keine Vorgaben dahingehend, dass Leistungen der Daseinsvorsorge von öffentlichen oder privaten Unternehmen zu erbringen sind, und verlangt auch nicht die Privatisierung öffentlicher Unternehmen.“9

Auf diesem von der EU gewiesenen Weg ist es möglich, öffentliche Aufgabenerfüllung und Gemeinwohlorientierung mit den Wettbewerbsprinzipien zu versöhnen. Er lautet kurz gefasst: Daseinsvorsorge sollte konkret definiert werden und ist sowohl Sache der privaten als auch der öffentlichen Wirtschaft. Das heißt, Dienste von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse können sowohl von öffentlichen als auch von privaten Unternehmen erbracht werden und je nach den Umständen und entsprechend den konkreten Marktsituationen muss unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit sichergestellt werden, dass Einschränkungen des Wettbewerbs und Begrenzungen der Freiheiten im Binnenmarkt nicht über das zur wirksamen Erfüllung der Aufgabe notwendige Maß hinausgehen.10 Letzteres bedeutet praktisch, dass sich die Mitgliedstaaten unter bestimmten Voraussetzungen für Sonderrechte oder Ausnahmen vom Beihilfe-Verbot zugunsten von „Daseinsvorsorge-Unternehmen“ entscheiden können.

Das Fazit aus diesen Überlegungen lautet also wie folgt:

  • Es bleibt bei dem Grundsatz der Gemeindeordnungen der Länder, wonach der öffentliche Zweck bzw. die öffentliche Aufgabe das kommunale Unternehmen rechtfertigen muss.
  • Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 38, 258, 270ff) gehört die Durchführung der Wasser- und Energieversorgung zu den typischen, die Daseinsvorsorge betreffenden Aufgaben der kommunalen Gebietskörperschaften und stellt somit eine öffentliche Aufgabe dar.
  • Die Bejahung einer öffentlichen Aufgabe im Bereich Daseinsvorsorge bzw. synonym einer „Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse“ begründet eine Verantwortung der Kommune zur Aufgabenerfüllung und gibt ihr auch das Recht, die Aufgabe unter freier Wahl der Rechtsform selbst zu erfüllen. Die öffentliche Aufgabe begründet aber keine Verpflichtung, z.B. zur Eigenerfüllung, sondern die Städte und Gemeinden können sich entscheiden, wie sie die Ver- und Entsorgung der Bevölkerung zukünftig sicherstellen wollen. Nach neuester Auffassung des Deutschen Städtetages können die Städte in etlichen Fällen ihren Sicherstellungsauftrag auch dann erfüllen, wenn am Allgemeininteresse orientierte Ziele in die Ausschreibungsbedingungen aufgenommen werden, die Einhaltung dieser Ziele kontrolliert und die Nichteinhaltung sanktioniert wird. Damit verweist nun der Deutsche Städtetag auf die alternative Möglichkeit für die Städte, sich auf eine Gewährleister-Rolle zurückzuziehen.“11
  • Wenn die Kommunen nach dieser Opportunitätsentscheidung über das „Wie“ der Aufgabenerfüllung sich für die Eigenerfüllung durch kommunale Unternehmen entscheiden, dann muss sichergestellt sein, dass diese Unternehmen, die regelmäßig im Wettbewerb mit privaten Unternehmen stehen werden, auch Teil einer pluralistischen Ver- und Entsorgungslandschaft sind und deshalb zwangsläufig gleiche Wettbewerbsbedingungen beanspruchen müssen.
  • Gleiche Wettbewerbsbedingungen verlangen, dass die kommunalen Unternehmen von unangemessenen Einschränkungen des Gemeindewirtschaftsrechts befreit werden. Dies gebietet, an das Vorliegen eines „öffentlichen Zwecks“ künftig weniger oder andere strenge Anforderungen zu stellen, das Örtlichkeitsprinzip zu lockern und die Subsidiaritätsklauseln einzelner Gemeindeordnungen zu streichen.
  • Rechtspolitisch ist schließlich geboten, dass der nationale Gesetzgeber entsprechend Artikel 16 EGV und gemäß den Grundsätzen der zitierten Mitteilung vom 20. September 2000 die Bereiche der Daseinsvorsorge klarer definiert, damit transparent gemacht und legitimiert wird, wann und wie Sonderrechte und Beihilfen an öffentliche und private Unternehmen der   Daseinsvorsorge gewährt werden.

Abschließend sei angemerkt, dass gerade die aktuelle Diskussion über die Wasserversorgung paradigmatisch ist und zu dem Plädoyer für die Aufrechterhaltung eines öffentlichen Sektors in der Wirtschaft beigetragen hat. Betont sei allerdings noch einmal, dass, auch wenn dies keine exklusive Veranstaltung der öffentlichen Hand mehr ist, das alte „Eigenerfüllungs-Dogma“ nun nicht durch ein „Privatisierungs-Dogma“ und „Subsidiaritäts-Dogma“ zu Lasten der kommunalen Unternehmen ersetzt werden darf. Das damit angestrebte plurale und auch dezentrale Wirtschaftssystem setzt allerdings neben den geforderten Anpassungen der Gemeindeordnungen voraus, dass genügend Kommunen weiterhin mit ihren Unternehmen aktive Marktteilnehmer bleiben. Sollte der häufig fiskalisch bedingte Trend zu Verkäufen von Stadtwerken anhalten, dann wäre dieses Nebeneinander von privater und öffentlicher Wirtschaft beseitigt und die so wichtige Wettbewerbs-Regulativ-Funktion, die Stadtwerke gerade im Energiesektor haben, geschwächt. Es drohten dann Oligopol-Strukturen und außerdem kämen die Kommunen an breiter Front in eine Gewährleisterrolle, deren praktische Konsequenzen noch nicht geklärt sind. Fest stünde nur, dass dann die Kommunen im Bereich der Daseinsvorsorge keine aktiven Mitgestalter mehr wären, sondern nur noch Beobachter der Daseinsvorsorge und bloße Ausfallbürgen.

Der Autor: Michael Schöneich ist Jurist und Hauptgeschäftsführer des Verbandes kommunaler Unternehmen in Köln.

Literatur

  • Bundesregierung: Antwort auf die Anfrage „Sicherung des Bestandes und Fortentwicklung der kommunalen Selbstverwaltung in Deutschland im Rahmen der Rechtssetzung der Europäischen Union, BT-Drucksache 14/5636, S. 5.
  • Deckmantel Daseinsvorsorge, BDI-Broschüre, 12/2000, S. 47.
  • Eichhorn, Peter: Kundenorientierung und Personalmanagement in Unternehmen der Daseinsvorsorge, in: Zeitschrift für öffentliche und gemeinwirtschaftliche Unternehmen, Heft 25. Baden-Baden 2000, S. 2.
  • Ewers, Hans Türgen et al.: Optionen, Chancen und Rahmenbedingungen einer Marktöffnung für eine nachhaltige Wasserversorgung, in: BMWi Forschungsvorhaben 11 (2000), S. 7.
  • Forsthoff, Ernst: Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Bd.l, München und Berlin 1966, S. 531.
  • Kommission der Europäischen Gemeinschaften: Leistungen der Daseinsvorsorge in Europa, Mitteilung der Kommission (KOM (2000) 580 endg. vom 20.09.2000).
  • Leipziger Resolution der Hauptversammlung des Deutschen Städtetages vom 10. Mai 2001, S. 9.
  • Reichard, Christoph: Kommunale Wirtschaft unter Anpassungsdruck, Bd. 48 der Schriftenreihe der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft. Baden-Baden 2000.
  • Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft e.V. zur Weiterentwicklung des Gemeindewirtschaftsrechts, Berlin, April 2001, S. 2.

1)    Reichard, Christoph, Kommunale Wirtschaft unter Anpassungsdruck, Bd. 48 der Schriftenreihe der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft, Baden-Baden 2000, S. 22.

2)    Eichhorn, Peter, Kundenorientierung und Personalmanagement in Unternehmen der Daseinsvorsorge, Heft 25 der Zeitschrift für öffentliche und gemeinwirtschaftliche Unter nehmen, Baden-Baden 1999, S. 20.

3)    Forsthoff, Ernst, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 1. Band, München und Berlin 1966, S. 531.

4)    Ebenfalls in die Erstellung des Gutachtens eingebunden waren Prof. Dr. Salzwedel, das Ecologie-Institut Berlin und das Tübinger Hygieneinstitut. Schwerpunkte des Gutachtens sind u.a. der internationale Vergleich, europäische Entwicklungen, die Marktöffnung bei gleichzeitiger Sicherstellung einer nachhaltigen Wasserwirtschaft, einschließlich der Folgeabschätzung für die dezentrale Struktur der Trinkwasserversorgung, die Umwelt und die Gesundheit sowie Modellvorstellungen für eine etwaige Novellierung des geltenden Rechts.

5)    Ewers u.a., Optionen, Chancen und Rahmenbedingungen einer Marktöffnung für eine nachhaltige Wasserversorgung, BMWi-Forschungsvorhaben (11/00), S. 7.

6)    Deckmantel Daseinsvorsorge, BDI-Broschüre, 12/2000, S. 47.

7)    Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats der Gesellschaft für öffentliche Wirtschaft e.V. zur Weiterentwicklung des Gemeindewirtschaftsrechts, Berlin, April 2001, S. 2.

8)    Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage „Sicherung des Bestandes und Fortentwicklung der kommunalen Selbstverwaltung in Deutschland im Rahmen der Rechtsetzung der Europäischen Union“, BT-Drucksache 14/5636, S. 5.

9)    Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Veröffentlichung der deutschen Fassung des Mitteilungstextes, Brüssel, 20.09.2000, S. 11.

10)   Kommission der Europäischen Gemeinschaften, Veröffentlichung der deutschen Fassung des Mitteilungstextes, Brüssel, 20.09.2000, S. 4.

11)   Leipziger Resolution der Hauptversammlung des Deutschen Städtetages vom 10. Mai 2001, S. 9.

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