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Die große Gereiztheit

Artikel vom 04.05.2021

Foto: Shutterstock

Konflikte in der Kommune. Ein Blogbeitrag von Tobias Robischon

Stellenbeschreibung: Dickes Fell

Kommunalpolitiker*innen sind laut Medienberichten einer Welle von Hass und Gewalt ausgesetzt. 72 % der Bürgermeister*innen in Deutschland sind im Rahmen ihrer Tätigkeit bereits beleidigt, beschimpft, bedroht oder sogar tätlich angegriffen worden, ergab eine Umfrage. Die Fachzeitschrift Kommunal hatte dazu 1611 Bürgermeister*innen befragt. Die Aggressionen richten sich nicht nur gegen die Amtsinhaber*innen, sondern auch gegen Verwaltungsmitarbeitende und ehrenamtliche Gemeindevertreter*innen. 79 % der Teilnehmenden der Umfrage berichten von Beleidigungen und Übergriffen gegen diese Personengruppen. Ähnliche Werte wurden schon in den letzten Jahren erhoben.

Anfeindungen gegen Politik und Verwaltung sind keine neue Erscheinung. Ausfälligkeiten gegen Verwaltungsmitarbeitende, bösartige Auftritte vor politischer Prominenz oder wütende Protestschreiben sind seit Jahrzehnten bekannte Phänomene. So manche Verwaltungsentscheidung lässt die Emotionen hochkochen: Inobhutnahmen von Kindern durch das Jugendamt, existenzbedrohend empfundene Straßenausbaubeiträge oder scheinbar willkürliche, teure Bauauflagen. Das dicke Fell, so sagen erfahrene Bürgermeister*innen, sei schon immer Teil ihrer Stellenbeschreibung gewesen. Zum Glück berichten lediglich zehn Prozent der Befragten davon, körperlich angegriffen oder geschlagen worden zu sein. Aber immerhin die Hälfte wurde schon einmal persönlich beleidigt oder bedroht, nicht ganz so viele berichten von solchen Äußerungen in Mails, Briefen und den sozialen Medien.

Reizbar mit kurzer Zündschnur

Das gesellschaftliche Klima hat sich in den letzten Jahren deutlich verändert. Dies ist das übereinstimmende Urteil einer vertraulichen Gesprächsrunde hessischer Bürgermeister*innen. Zwar sind Anfeindungen nichts Neues, doch es kommt heute viel schneller zu aggressiven Äußerungen und Beleidigungen. Die Bürger*innen sind sehr dünnhäutig geworden und reagieren schnell äußerst gereizt. Oft braucht es nur kleine Anlässe, wie den Wegfall eines Parkplatzes, um einen Sturm der Empörung, von Unterstellungen und Beleidigungen zu entfachen. Bei größeren Bauvorhaben sind solche heftigen Auseinandersetzungen schon fast die Regel, heißt es. Fehlende Kitaplätze können Mütter in wahre Furien verwandeln, erzählt der Bürgermeister einer südhessischen Kleinstadt. Anders als früher, da ist man sich einig, gibt es kaum noch Hemmschwellen in den Anfeindungen. Die Klageführenden neigen zu exzessiver Beschimpfung, die rasch zu Forderungen nach beruflicher und sozialer Vernichtung der Angegriffenen eskaliert oder gar in den Ruf nach Gewalt münde. Die Kommunikationsdynamik in den „a-sozialen Medien“ befeuert und beschleunigt das noch. Im Ernstfall ist die Unterstützung durch Polizei, Justiz und Beratungsstellen gut und hilfreich, darauf kann man sich verlassen.

Ratlos stehen die Bürgermeister*innen der Frage nach den Ursachen dieser Entwicklung gegenüber. Was führt dazu, dass neuerdings Auseinandersetzungen um so ordinäre kommunalpolitische Fragen wie ein Bauvorhaben mit unerbittlicher Schärfe geführt werden? Das wäre noch nachvollziehbar, wenn das Konfliktpotential größer geworden wäre, also stärkere Nutzungskonkurrenzen bestünden oder es um gravierendere Eingriffe ginge. Das ist aber nicht der Fall, der Sachverhalt selbst erklärt die Schärfe des Konflikts nicht – so jedenfalls die Verwaltungsperspektive. Eher kann man sich die Wutausbrüche der Anlieger*innen und ihre aggressiven, hochemotionalen Reaktionen damit erklären, dass der nun fehlende Parkplatz nur ein Zündfunke ist. Es genügt ein mehr oder weniger geringfügiger Anlass, um lange angestaute Verärgerungen und negative Emotionen zum Ausbruch zu bringen. Doch woher kommt die Gereiztheit, die Dünnhäutigkeit, die Wut?

Was kann hier helfen? Fragen über Fragen

Wie kann die große Gereiztheit auf kommunaler Ebene überwunden werden? Gerade in kleineren Kommunen, in denen die Menschen sich kennen und in verschiedenen Kontexten immer wieder begegnen, ist ein friedliches und möglichst freundliches Miteinander elementar. Kann eine aktive kommunale Kommunikationsarbeit vorbauen, oder befeuert sie nur die medialen Dynamiken? Sind die typischen Formen von Bürger*innenbeteiligung bei größeren Projekten noch geeignet, den Konflikt zu zivilisieren, oder sind sie nur noch Brandbeschleuniger der Feindseligkeiten? Was bewirkt die gezielte Ausgrenzung von Personengruppen, die feindselig auftreten? Vertieft eine solche Polarisierung Gereiztheit und Aggressionen oder bewirkt sie das Gegenteil? Und schließlich bleibt die Frage, wie denn in einem positiven Sinne das zivile Miteinander in einer Kommune gefördert werden kann.

Von Tobias Robischon

 

 

Link zur Umfrage: https://kommunal.de/attacken-kommunalpolitiker-corona .Die Umfrage wurde von KOMMUNAL im Auftrag des ARD-Politmagazins „Report München“ unter 1.611 Bürgermeister*innen in der Zeit vom 08. bis zum 20. April 2021 durchgeführt.

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