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Ombudsleute für künftige Generationen

Artikel vom 21.02.2022

Foto: shutterstock

Wie Medienhäuser die Klimakrise ernst nehmen können. Ein Blogbeitrag von Uwe Krüger

Die Demokratie, der Journalismus und die Klimakrise

Der Journalismus und die Klimakrise passen nicht zusammen. Dies ist schon häufig festgestellt worden: Die Erderhitzung ist ein „super-wicked problem“ mit langem Zeithorizont, eine schleichende Katastrophe – die Medienlogik dagegen fokussiert auf den Moment, die neuesten Neuigkeiten, die Sinndifferenz zu gestern (jour = der Tag). Der Klimawandel verlangt nach sofortigen, radikalen Kurswechseln in Wirtschaft und Gesellschaft, Technologie und kulturellen Mustern – vom Journalismus wird neutrales Beobachten des Geschehens erwartet.

Die Berichterstattung ist zudem hochgradig abhängig von Informationsquellen in der politischen Elite einerseits, die oftmals die Themenagenda und das Framing in den aktuellen Medien (mit)bestimmen, und vom Zuspruch des zahlenden Publikums andererseits – und auf beiden Seiten wirken starke Beharrungskräfte aufgrund von Verdrängung, Bequemlichkeit und Angst. Der Klimaforschungs-Titan Hans Joachim Schellnhuber und die Klimaaußenpolitik-Expertin Kira Vinke von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik konstatierten im Februar 2022 in „Der Freitag“ eine „unausgesprochene Komplizenschaft zwischen Politik und Wahlvolk: Wessen Programm die geringsten Zumutungen verspricht, der wird zur Belohnung ins Amt gehoben“. Diese Ängste vor Stimmverlusten in einer auf 4-Jahres-Zyklen geeichten Demokratie und vor Wohlstands- und Konsumoptionsverlusten würden in der Summe zu „Verantwortungslosigkeit gegenüber unseren Nachkommen“ führen, so die Autor*innen.

Institutionelle Aufmerksamkeit

Der Journalismus als Selbstbeobachtungsinstanz der Gesellschaft muss von dieser verhängnisvollen Gemengelage unabhängiger werden und ein Großes Gesellschaftliches Gespräch (3G) über die nötige sozial-ökologische Transformation moderieren. Er muss stärker als bisher mit fundiertem Fachwissen über langfristige Umweltveränderungen und Klimarisiken aufklären, kritisch-investigativ zu klimaschädlichen Akteuren, Strukturen und Prozessen recherchieren, und er muss in konstruktiv-lösungsorientiertem Sinn alternative Ideen, ökosoziale Innovationen und erfolgversprechende Ansätze für eine enkeltaugliche Gemeinwohlökonomie vorstellen. Er muss ein „Transformativer Journalismus“ werden.

Dies könnte unterstützt werden durch Veränderungen in medienrechtlichen und -ethischen Regelwerken (etwa: Programmauftrag der Öffentlich-Rechtlichen, Pressekodex des Deutschen Presserats) und durch medienpolitische Fördermaßnahmen, die die skizzierten Marktmechanismen abschwächen. Aber auch die Medienhäuser selbst können aktiv werden, sich inhaltlich entsprechend ausrichten (wie die Wochenzeitung Der Freitag mit ihrem neu gegründeten Ressort „Grünes Wissen“, aus dem obiges Zitat stammt) und innovative Institutionen schaffen, die die Interessen zukünftiger Generationen gegen die transformationshemmenden Dynamiken der aktuellen Generation(en) verteidigen.

Ombudsleute am Redaktionstisch?

Bereits länger bekannt ist das Konzept des „Leseranwalts“ bzw. der Ombudsperson innerhalb von Redaktionen, die die Anliegen und Interessen von Rezipient*innen aufnehmen und redaktionsintern stark machen. Medienhäuser könnten auch eine Ombudsstelle einrichten, die konsequent die Perspektive(n) der nächsten sieben Generationen einnehmen, in Redaktionskonferenzen mitdiskutieren und die aktualitätsgetriebenen Kolleg*innen immer wieder daran erinnern, was bestimmte Entwicklungen, Entscheidungen und Ereignisse langfristig bedeuten.

Aus Politik und Verwaltung gibt es entsprechende Vorbilder für eine solche Institution, so den früheren parlamentarischen Kommissar für zukünftige Generationen in Ungarn, die Kommission für zukünftige Generationen in Israel oder der Kommissar für nachhaltige Zukunft in Wales, wie Maja Göpel schon vor Jahren ausführte. Analog dazu könnte eine redaktionsinterne Ombudsperson für die nächsten sieben Generationen, die sich vor allem mit langfristigen Trends, mit Ergebnissen von Erdsystemwissenschaft  und Zukunftsforschung und mit Ideen und Experimenten zu alternativer Gesellschaftsgestaltung beschäftigt, als stete Mahnung mit am Redaktionskonferenztisch sitzen: Was würden eure Urenkel in 75 Jahren im Rückblick zu euren heutigen Publikationsentscheidungen sagen?

Von Dr. Uwe Krüger, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft und Forschungskoordinator des Zentrums Journalismus und Demokratie der Universität Leipzig.

Der Blogbeitrag bezieht sich auf die gemeinsame Tagung der Schader-Stiftung und der Universität Leipzig „Die Medien und die Nachhaltigkeitsrevolution. Was bedeutet das Klima-Urteil des Bundesverfassungsgerichts für den Journalismus?“ am 18. März 2022 online aus dem Schader-Forum.

Weiterlesen

  • Maja Göpel: Ombudspersonen für zukünftige Generationen: Diktatoren oder Bürgervertreter? In Bernward Gesang (Hrsg.): Kann Demokratie Nachhaltigkeit? (S. 89–108). Springer VS, Wiesbaden 2014.
  • Uwe Krüger: Geburtshelfer für öko-soziale Innovationen: Konstruktiver Journalismus als Entwicklungskommunikation für westlich-kapitalistische Gesellschaften in der Krise, in Nils S. Borchers, Selma Güney, Uwe Krüger und Kerem Schamberger (Hrsg.): Transformation der Medien – Medien der Transformation. Verhandlungen des Netzwerks Kritische Kommunikationswissenschaft (S. 356–380). Westend, Frankfurt am Main 2021 (Open Access), https://doi.org/10.53291/SDTM5470
  • Hans Joachim Schellnhuber und Kira Vinke: Die Aufklärung fängt erst an. Der Freitag vom 17.2.2022, S. 13

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