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Soziales Stadtmangement in den Niederlanden

Artikel vom 16.06.2000

Nach den großen Stadterneuerungsoperationen der 70er und 80er Jahre sahen sich die niederländischen Städte gegen Ende der 80er Jahre vor eine neue Herausforderung gestellt: Wie kann ein erneutes Abgleiten der gerade erneuerten Quartiere verhindert werden? Wie kann überhaupt verhindert werden, dass sich erneut rückständige Quartiere bilden, mit der Folge, dass in einigen Jahren wiederum umfangreiche (und teure) Stadterneuerungsmaßnahmen erforderlich werden. Von Jürgen Rosemann

Stedelijk Beheer

Mit dem Stedelijk Beheer wurde ein Konzept entwickelt, das nicht die Erneuerung der alten Quartiere, sondern die Vermeidung nachholender Erneuerungsmaßnahmen zum Ziel hat. Stedelijk Beheer - mit Begriffen wie „städtisches Management” oder „Quartiersmanagement” nur unzureichend zu übersetzen - entwickelte sich rasch von der Nachsorge in ehemaligen Stadterneuerungsgebieten über die - schon breiter angelegte - Prävention in tendenziell gefährdeten Gebieten hin zu einem umfassenden Instrument kommunaler Entwicklungssteuerung, das die klassischen Felder der Raumordnung und Stadtplanung mit anderen raumrelevanten Bereichen der Kommunalpolitik integriert.

Nachsorge

Die Erneuerung der alten Quartiere, die in den 70er Jahren in nahezu allen niederländischen Städten begonnen wurde, war mehr als in anderen Ländern von der Zielsetzung geprägt, Verdrängungsprozesse zu vermeiden und die Wohn- und Lebensverhältnisse der ansässigen Bevölkerung in den heruntergekommenen Stadtvierteln zu verbessern. Bouwen voor de Buurt (Bauen fürs Quartier) hieß das Motto, und unter diesem Motto wurden nicht nur umfangreiche Mittel für den Sozialen Wohnungsbau und für die Wohnungsmodernisierung zur Verfügung gestellt; die baulichen Maßnahmen wurden von einem ganzen Bündel von Sozialmaßnahmen begleitet, die die Unterstützung der betroffenen Bevölkerung zum Ziel hatten. Die Mitbestimmung und die Aktivierung der betroffenen Bevölkerung wurde in diesem Zusammenhang als ein wesentliches Mittel der sozialen Stabilisierung gesehen. In einigen Gemeinden wurde den Bewohnerorganisationen in den Stadterneuerungsgebieten sogar ein mehrheitliches Mitbestimmungsrecht eingeräumt. 1

Gegen Ende dieser Stadterneuerungsoperation erwies sich, dass das Konzept des Bouwen voor de Buurt in den meisten Fällen sehr erfolgreich realisiert worden war: Noch immer wiesen die Bevölkerungsdaten der inzwischen attraktiv gewordenen innerstädtischen Viertel jene Merkmale auf, die auch zu Beginn der Stadterneuerung bestanden hatten: einen hohen Anteil ethnischer Minderheiten, Arbeitsloser und anderer Bewohner mit niedrigen Einkommen. Erneut drohte deshalb jener vitiöse Zirkel von Armut und Verfall in Gang zu kommen, der die Quartiere auch vor der Stadterneuerung gefangen gehalten hatte.

Um dieser Entwicklung zu begegnen, wurde 1987 in Rotterdam in zunächst fünf ehemaligen Stadterneuerungsgebieten auf experimenteller Basis das WijkOverleg Beheer (WOB)2 eingeführt, eine Art „Nachsorge-Organisation”, die an die Organisationsstruktur der Stadterneuerung anschloss und in der alle Gruppierungen vertreten waren, die etwas mit der Quartiersentwicklung zu tun hatten. Ständige Mitglieder in dem WOB waren von Beginn an:

  • die Bewohnerorganisationen,
  • die Vertreter anderer Nutzergruppen wie Gewerbetreibende, Ladenbesitzer etc.,
  • verschiedene Wohnungsbaugesellschaften und andere Träger, die Bestände im Quartier verwalten,
  • das Amt für Raumordnung, Wohnungswesen und Stadterneuerung,
  • die Quartierseinheit „Außenraum" mit Straßenreinigung, Müllabfuhr, Außenraumgestaltung etc.

Daneben wurden im Laufe der Zeit von Fall zu Fall auch Vertreter anderer Dienststellen und Organisationen in das WOB berufen wie z.B. die Polizei, Sozialverwaltungen, spezielle Nutzergruppen, private Investoren etc.

In jedem der fünf Quartiere wurde zu diesem Zweck von der Gemeinde ein so genannter Quartierskoordinator angestellt, der die Aufgabe hat, die Aktivitäten der verschiedenen Dienststellen und Organisationen aufeinander abzustimmen und regelmäßige Versammlungen zu organisieren, auf denen Probleme des Quartiers besprochen werden. Anfänglich gehörte es auch zu seinem Aufgabenbereich, dafür zu sorgen, dass noch erforderliche Stadterneuerungsmaßnahmen abgerundet wurden.

Zu den Aufgaben des WOB gehören u.a.

  • das Funktionieren als Beratungs- und Abstimmungsorgan (was in den Niederlanden schon ein wichtiges Ziel für sich ist);
  • die Qualität des Quartiers und insbesondere die Qualität des öffentlichen Raumes instand zu halten;
  • Missstände und Fehlentwicklungen im Quartier, Probleme des Unterhalts etc. zu signalisieren und Lösungen zu entwickeln;
  • die Unterhalts- und Instandhaltungspläne der verschiedenen Träger aufeinander abzustimmen;
  • Verträge über spezielle Projekte der Quartiersverwaltung abzuschließen.

Das Konzept des WOB in Rotterdam wurde sehr schnell auch von anderen Gemeinden aufgegriffen, erfuhr jedoch bald eine Erweiterung, die eine neue Dimension ins Gespräch brachte:

Prävention

Sehr bald wurde nämlich deutlich, dass nicht nur die ehemaligen Stadterneuerungsgebiete von einem erneuten Niedergang bedroht waren, sondern dass auch andere Gebiete (z.B. Hochhaussiedlungen am Stadtrand) in eine negative Spirale geraten können. Wenn es jedoch möglich wäre, abwärts weisende Entwicklungen rechtzeitig zu signalisieren, müsste es auch möglich sein, mit Hilfe präventiver Maßnahmen einen weiteren Rückgang zu verhindern. In verschiedenen Gemeinden wurden zu diesem Zweck Berechnungen angestellt, die auswiesen, dass auch umfangreiche präventive Maßnahmen in potenziellen Rückstandsgebieten immer noch erhebliche Kostenvorteile gegenüber einer umfassenden Stadterneuerung erbringen würden. Zudem würden die Bewohner dieser Quartiere von langdauernden Degradationsprozessen verschont.

Als Konsequenz dieser Überlegungen wurde in verschiedenen Gemeinden das Stedelijk Beheer über die ehemaligen Stadterneuerungsgebiete hinaus auch auf jene potenziellen Rückstandsgebiete ausgedehnt, die bisher noch nicht in das Stadterneuerungsprogramm einbezogen waren. Zugleich war damit jedoch auch eine Ausweitung des Instrumentariums notwendig geworden. Um nämlich nicht überall zugleich mit großem Kostenaufwand ein Quartiersmanagement einrichten zu müssen, wurden in den meisten Gemeinden Monitoring-Systeme entwickelt, die - zumeist unter Benutzung von geographischen Informationssystemen (GIS) - Daten aus den entsprechenden Gebieten zusammenfassen und auswerten. Mit Hilfe dieser Monitoring-Systeme sollen Fehlentwicklungen rechtzeitig aufgespürt und frühzeitige Interventionen möglich gemacht werden. Erst wenn die Daten problematische Entwicklungen signalisieren, wird ein entsprechendes Quartiersmanagement eingerichtet.

Integrale Entwicklungssteuerung

Inzwischen sind einige Gemeinden noch einen Schritt weiter gegangen, indem sie das Stedelijk Beheer zum Instrument integraler kommunaler Entwicklungssteuerung gemacht haben, bei dem das gesamte Gemeindegebiet in das Konzept des Stedelijk Beheer eingebunden ist. Das Quartiersmanagement richtet sich nicht mehr nur allein auf (potenzielle) Rückstandsgebiete, sondern umfasst auch Citygebiete, randstädtische Gewerbegebiete und Umstrukturierungsgebiete. Selbstverständlich werden in den einzelnen Gebietskategorien sehr unterschiedliche Formen des Quartiersmanagements angewendet: Ein zentraler Geschäftsbezirk erfordert andere Maßnahmen, als ein randstädtisches Wohngebiet aus der Nachkriegszeit mit einer einseitigen Bevölkerungsstruktur.

Ein Beispiel für die Entwicklung des Stedelijk Beheer zu einem Instrument integraler Entwicklungssteuerung ist der Stadsbeheerplan der Gemeinde Tilburg, der in seinen Grundzügen erstmals 1989 aufgestellt wurde, um den traditionellen Strukturplan (Allgemeiner Bauleitplan) zu ersetzen. Die Ziele des Stadsbeheerplan wurden dabei folgendermaßen definiert:

„Stadsbeheer will die Qualität der Stadt erhalten und verbessern und zugleich neue Entwicklungen stimulieren. Soweit zum Inhalt. Stadsbeheer ist darüber hinaus auch eine Strategie, dass heißt ein rationeller Ansatz, um die definierten Ziele der Gemeinde über Maßnahmen zu verwirklichen."3

Der Stadsbeheerplan bildet in Tilburg den Integrationsrahmen für die Koordination aller raumwirksamen Bereiche der Kommunalpolitik. Er besitzt die Rechtsverbindlichkeit eines Strukturplans, umfasst jedoch über die Raumordnung hinaus auch Bereiche der Wirtschaftspolitik (u.a. Gewerbeförderung und Arbeitsbeschaffungsprogramme), der Sozialpolitik, der Schulpolitik und der Wohnungspolitik. Er formuliert die langfristigen Ziele der Kommunalentwicklung und weist deren räumlich relevanten Konsequenzen aus. Zugleich bestimmt der Stadsbeheerplan auf gesamtstädtischer Ebene die Leitlinien für die Entwicklung der einzelnen Quartiere und setzt damit den Rahmen für das Quartiersmanagement.

Konkretisiert wird der Stadsbeheerplan in zwei weiteren Plandokumenten. In einer Broschüre mit dem Titel Basisqualiteit Woonbuurten (Basisqualität Wohnquartiere) werden im Wesentlichen die Daten des Monitoring-Systems wiedergegeben, von dem schon die Rede war. Sie enthält eine Vielzahl von Daten über die einzelnen Wohnquartiere, die in unterschiedlichen Karten zusammengefasst werden. Die Wiedergabe enthält zugleich eine Wertung: Die Karten geben in unterschiedlichen Farben die Abweichungen von einem gewünschten Normniveau wieder, das der kommunalen Zielbestimmung zugrunde liegt. Die Gemeinde sieht in der Darstellungsweise einerseits ein Messinstrument, mit dem Qualitätsunterschiede zwischen den Quartieren und Entwicklungen innerhalb der Quartiere sichtbar gemacht werden können; andererseits sollen auf diese Weise Themen und Problemkategorien benannt werden, die im Maßnahmeprogramm ihren Niederschlag finden müssen.

Die Maßnahmen selbst sind schließlich in dem so genannten Stadsprogramma (Stadtprogramm) zu finden, das jährlich fortgeschrieben wird und in dem für jedes der 35 Quartiere der Stadt alle geplanten Maßnahmen des jeweiligen Jahres sowie die verfügbaren Mittel aufgeführt werden. Das Stadtprogramm umfasst so unterschiedliche Themen wie Stadtplanung, Stadterneuerung, Wohnen, Verkehr, aber auch Maßnahmen im Hinblick auf das Gaststättengewerbe, die Altenfürsorge und den Arbeitsmarkt. Es unterscheidet sich von der herkömmlichen Stadtplanung in zweierlei Hinsicht: Zum einen ist es thematisch breiter und damit integrativer, zum anderen benennt es konkrete Maßnahmen (einschließlich deren Finanzierung) und einen konkreten Zeithorizont, innerhalb dessen die Maßnahmen realisiert werden sollen, nämlich ein Jahr.

Durch die Verknüpfung von Strukturplan und Stadsprogramma trägt das Konzept des Stedelijk Beheer wesentlich zur Politisierung der städtebaulichen Planung bei: Räumliche Planung wird unmittelbar mit Realisierungsschritten verbunden, deren Realitätsgehalt für jeden Bürger innerhalb eines Jahres überprüfbar (und kommunalpolitisch einklagbar) ist. Zugleich stellt das Stadsprogramma einen konkreten Handlungsrahmen für das Quartiersmanagement dar, der einerseits Ziele und Aufgaben auf Quartiersebene definiert, andererseits aber auch Ressourcen und Rahmenbedingungen festlegt und somit Planungssicherheit ermöglicht.

Elemente des Stedelijk Beheer

Trotz der inzwischen mehr als 10-jährigen Praxiserfahrung ist das Stedelijk Beheer noch immer ein sehr junges Instrument der Kommunalpolitik in den Niederlanden, das in den einzelnen Gemeinden sehr unterschiedliche Ausprägungen erfahren hat. Dennoch lassen sich aus der bisherigen Praxis einige gemeinsame Elemente destillieren, die für das Konzept des Stedelijk Beheer als typisch bezeichnet werden können.

Ein Element, das in nahezu allen Gemeinden anzutreffen ist, die mit Stedelijk Beheer arbeiten, ist das Monitoring-System. Mit diesem System wird (mehr oder weniger kontinuierlich) eine Vielzahl von Daten gesammelt und ausgewertet, die auf einer vergleichbaren Ebene Zustand und Entwicklung in den einzelnen Gebieten beschreiben. Zumeist geht es dabei nicht um spezielle Datenerhebungen, sondern um die (gebietsbezogene) Auswertung von Informationen, die den einzelnen Ressorts der Gemeindeverwaltung sowieso schon vorliegen, die aber zumeist nicht im Zusammenhang betrachtet wurden: Informationen über die physische Qualität der Gebiete (Qualität und Zustand von Wohnungen und öffentlichem Raum, Grünflächen, Spielplätze, Infrastruktur und öffentliche Einrichtungen), über die Sozialstruktur (einschließlich Haushaltseinkommen, Arbeitslosigkeit, Sozialhilfeempfänger und Mobilität), über die soziale Sicherheit im Quartier (Vandalismus / Kriminalität) und über die Beliebtheit und den sozialen Status der Quartiere. Zur gebietsbezogenen Auswertung werden die Daten zumeist in so genannten GIS-Beständen zusammengefasst.

Ein zweites Element des Stedelijk Beheer ist die Gebietstypologie. Hierbei werden die verschiedenen Quartiere der Stadt in unterschiedliche Typen eingeteilt, die sich aus den Entwicklungsbedingungen und Eingriffsarten dieser Gebiete ableiten lassen. Eine häufig verwendete Einteilung geht z.B. von folgenden Gebietstypen aus:

  • stagnierende bzw. rückläufige Gebiete, in denen besondere Stützungsmaßnahmen erforderlich sind, um einen weiteren Rückgang zu verhindern;
  • stabile Gebiete, in denen (zumindest vorläufig) keine besonderen Maßnahmen erforderlich sind;
  • expandierende Gebiete, in denen Expansions- bzw. Umstrukturierungsprozesse stattfinden, die einer besonderen Überwachung bedürfen.

Mit der Einteilung in verschiedene Gebietstypen soll vor allem verhindert werden, dass überall dieselbe Form des Quartiersmanagements zur Anwendung kommt. In so genannten „stabilen Gebieten" ist in der Regel überhaupt keine spezielle Organisation auf Quartiersebene nötig; hier genügt es, wenn die Entwicklung des Gebietes über das Monitoring-System überwacht wird. In „rückläufigen Gebieten" sind dagegen in der Regel vielfältige bauliche und Sozialmaßnahmen für die ansässige Bevölkerung aufeinander abzustimmen, so dass hier der Einsatz eines Quartierskoordinators sinnvoll ist. Ganz anders stellt sich das Problem in so genannten „expandierenden Gebieten", in denen häufig wirtschaftliche Umstrukturierungsprozesse stattfinden, in die andere Partizipanten einbezogen sind und die deshalb auch eine andere Form der Koordination erfordern. In all diesen Fällen ist die Gebietstypologie ein hilfreiches Mittel, um die Vielfalt der Problemstellungen in den einzelnen Gebieten kategorial zu bündeln und auf diese Weise verwaltungstechnisch zugänglich zu machen.

Mit der Gebietstypologie eng verbunden sind die Interventionskategorien des Stedelijk Beheer. Hierbei hat sich die Einteilung in folgende Kategorien eingebürgert:

  • Technische Maßnahmen:

Das Technische Beheer bezieht sich auf die technische Instandhaltung und Modernisierung von Wohnungen, öffentlichem Raum und öffentlichen Einrichtungen. Als besonderer Bereich hat sich in den letzten Jahren das umwelttechnische Beheer herausgebildet. Hierzu zählen Maßnahmen der Energieeinsparung, des Wasserhaushaltes sowie der Immissions- und Lärmbekämpfung. In allen diesen Aufgabenbereichen ist in der Regel die Zusammenarbeit von öffentlichen und privaten Institutionen sowie die Mitwirkung der betroffenen Bewohner notwendig.

  • Soziale Maßnahmen:

Das Soziale Beheer bezieht sich auf die Erhaltung und Verbesserung des sozialen „Klimas" in einem Quartier. Zu den wichtigsten Instrumenten zählen die Wohnungszuweisung, soziale Unterstützung, Kriminalitätsbekämpfung, Minderheitenpolitik, Vermittlung von Arbeitsplätzen sowie schulpolitische Maßnahmen (insbesondere die Aufwertung von Schulen in so genannten benachteiligten bzw. rückläufigen Gebieten).

  • ökonomische Maßnahmen:

Wirtschaftspolitische Maßnahmen im Rahmen des Stedelijk Beheer finden in den letzten Jahren immer mehr Beachtung. Dazu zählen die Bekämpfung des sozial-ökonomischen Rückstandes und der Arbeitslosigkeit bei bestimmten Bevölkerungsgruppen (u.a. bei jugendlichen Ausländern), Maßnahmen zur Stimulierung der Quartiersökonomie und zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit sowie die Unterstützung von großmaßstäblichen Entwicklungsprojekten, die die wirtschaftliche Position des Quartiers verbessern können.

  • Räumlich-funktionale Maßnahmen:

Die räumlich-funktionalen Maßnahmen im Rahmen des Stedelijk Beheer stellen den Übergang zur Raumordnung und zur städtebaulichen Planung dar. Mit ihnen werden alle Maßnahmen bezeichnet, die darauf abzielen, die räumliche Struktur des Gebietes zu verbessern und an neue Erfordernisse anzupassen.

Stedelijk Beheer kennt keine einheitliche Methode oder Organisationsstruktur. Vielmehr haben die einzelnen Gemeinden jeweils ihre eigenen Schwerpunkte gesetzt, Vorgehensweisen entwickelt und Organisationsformen daraus abgeleitet. Zu den gemeinsamen Merkmalen zählen jedoch:

  • Integration:

Anders als die traditionelle Bauleitplanung, die sich ja im Wesentlichen auf die räumliche Ordnung des Gemeindegebietes beschränkt, integriert Stedelijk Beheer unterschiedliche Bereiche der Kommunalpolitik und schafft damit ein komplexes Instrumentarium kommunaler Entwicklungssteuerung. Der gebietsbezogene Ansatz dient dabei als Integrationsebene.

  • Koordination:

Stedelijk Beheer sorgt nicht nur für den koordinierten Einsatz öffentlicher Mittel, sondern auch für die Abstimmung von Mitteln und Maßnahmen zwischen öffentlichen und privaten Trägern. Ein wesentlicher Effekt des Stedelijk Beheer wird in der Synergie gesehen, die aus dieser Abstimmung entsteht.

  • Dezentralisierung:

Ein wichtiges Merkmal des Stedelijk Beheer besteht darin, dass Entscheidun-gen auf die Quartiersebene verlagert werden. Unterstützt wird diese Dezentralisierung durch eine entsprechende Anpassung des Finanzierungssystems: Zumindest die öffentlichen Mittel für die Aufgaben des Stedelijk Beheer werden in der Regel auf Quartiersebene bereitgestellt (und auch auf dieser Ebene abgerechnet).

  • Bürgerbeteiligung:

Zu den Hauptzielen des Stedelijk Beheer gehörte von Anfang an, die Bürger mehr an den Vorgängen im Quartier zu beteiligen. In der Praxis zeigen sich hier jedoch Ermüdungserscheinungen. Gerade in gut funktionierenden Quartieren sind die Bürger immer weniger bereit, ihre Zeit in Beteiligungsformen zu investieren. Bürgerbeteiligung beschränkt sich inzwischen zumeist auf Bürgerprotest, mit dem Fehlentwicklungen und Probleme angezeigt werden.

Die Umstrukturierung des Wohnungsbestandes

Wie aus den Interventionskategorien zu ersehen ist, beschränkt sich das Stedelijk Beheer keineswegs nur auf die Erhaltung des Bestehenden und auf die Bekämpfung von Rückständen. In der kommunalen Praxis der letzten Jahre hat sich das Stedelijk Beheer immer mehr von der Erhaltungsaufgabe auf die so genannte Erneuerungsaufgabe verlagert, die darauf gerichtet ist, die einzelnen Quartiere an veränderte Bedingungen sowie an neue Anforderungen und Bedürfnisse der Gesellschaft anzupassen. Eine der wichtigsten Aufgaben dieses auf Erneuerung und Umstrukturierung gerichteten Konzeptes von Stedelijk Beheer wird in den nächsten Jahren die Umstrukturierung des niederländischen (Sozial)-Wohnungsbestandes sein.

Die Niederlande verfügen mit ca. 36 % des Gesamtwohnungsbestandes relativ über mehr soziale Mietwohnungen als alle anderen Länder der Europäischen Gemeinschaft. In den großen Städten beträgt dieser Anteil teilweise sogar über 60 %. Über ein ganzes Jahrhundert war dieser Sozialwohnungsbestand mit der Idee entwickelt worden, Wohnraum für die breiten Schichten der Bevölkerung zur Verfügung zu stellen und somit zur sozialen Integration beizutragen. Und ebenso war dieser Wohnungsbestand von der Vorstellung geprägt, dass für das Wohnen ein mehr oder weniger einheitlicher Qualitätsstandard anzulegen sei, eine Art Normqualität für jedermann, die sich aus der Verpflichtung des Niederländischen Wohnungsgesetzes ableitet.4 Dem Ideal einer Normwohnung für eine Normfamilie verdanken wir umfangreiche Wohnquartiere aus den 50er, 60er und frühen 70er Jahren, die im allgemeinen eine durchaus akzeptable Bauqualität besitzen, deren Homogenität und Einseitigkeit inzwischen jedoch in zunehmendem Maße Vermietungsprobleme entstehen lassen.

Diese Probleme in vielen ehemals gut funktionierenden Quartieren des sozialen Wohnungsbaus finden ihren Grund in einer Reihe von gesellschaftlichen Entwicklungen, die die Niederlande spätestens seit den 80er Jahren kennzeichnen. Eine vielfach genannte Ursache ist die zunehmende Individualisierung und damit einhergehend die wachsende Vielfalt von Lebensformen in der niederländischen Gesellschaft. Die Normfamilie der 60er Jahre ist bereits seit langem zu einer Minderheit geworden; an ihre Stelle ist eine Vielzahl von Lebensstilen getreten, die mit sehr unterschiedlichen Ansprüchen an Wohnung und Wohnumgebung verbunden sind. Viele Quartiere des sozialen Wohnungsbaus können diesen neuen Ansprüchen nicht mehr gerecht werden.

Ein weiterer Faktor ist der steigende Wohlstand als Folge einer seit vielen Jahren prosperierenden Wirtschaft, die Arbeitslosigkeit beinahe zu einem marginalen Problem hat werden lassen. Begünstigt durch die wirtschaftliche Situation und unterstützt durch staatliche Förderung erwerben immer mehr ehemalige Mieter Wohnungseigentum, durch das sie glauben, ihre individuellen Ansprüche besser verwirklichen zu können. Nahezu 55 % aller Wohnungen gehören inzwischen dem Eigentumssektor an. Als Folge entstehen in vielen Quartieren des sozialen Wohnungsbaus erstmals deutlich segregative Tendenzen: Diejenigen, die sich eine Eigentumswohnung leisten können, wandern ab, während vor allem diejenigen zurückbleiben, die keine Wahlmöglichkeit haben. In der Konkurrenz mit dem Eigentumssektor droht der soziale Sektor erstmals seine integrative Funktion zu verlieren.

Wie aus einer Untersuchung der Dachorganisation der niederländischen Wohnungsbaukorporationen AEDES hervorgeht, sind - unterstützt durch zunehmende Sättigungserscheinungen auf dem Wohnungsmarkt - ca. 1 Million der insgesamt 2,4 Millionen Sozialwohnungen von sozialer Degradation bis hin zu Leerstand bedroht. Ein besonderes Problem stellen hierbei die schlecht ausgestatteten Siedlungen aus der Wiederaufbauphase nach dem Zweiten Weltkrieg sowie die Hochhaussiedlungen aus den 60er Jahren dar. Hinzu kommt, dass die Kernstädte insgesamt sich einer zunehmenden Konkurrenz mit den Umlandgemeinden ausgesetzt sehen: Die Wanderungsbewegungen zwischen Stadt und Umland zeigen inzwischen deutliche Anzeichen einer sozio-ökonomischen Segregation.5

Angesichts dieser Entwicklungen hat die niederländische Regierung die Umstrukturierung des Wohnungsbestandes zur vorrangigen Aufgabe der Wohnungspolitik in den nächsten 10 Jahren erklärt. Die Vorbereitung dieser Umstrukturierungsaufgabe ist typisch dafür, wie in den Niederlanden eine derartige Aufgabe in Gang gebracht wird. Im Dezember 1998 wurden von der Regierung vorläufige Verträge mit insgesamt 25 Gemeinden geschlossen, die in besonderem Maße über sogenannte gefährdete Bestände verfügen. In den Verträgen wurden die allgemeinen Ziele des Umstrukturierungsprogramms festgelegt und die Bedingungen für deren Umsetzung definiert. Unter anderem wurden in diesem Zusammenhang Förderungsmittel der Regierung von insgesamt 4 Milliarden Gulden in Aussicht gestellt. Die Gemeinden wurden aufgefordert, innerhalb eines Jahres konkrete Umstrukturierungspläne einschließlich eines Finanzierungskonzepts auszuarbeiten und der Regierung zur Genehmigung vorzulegen.

Die Ziele des Umstrukturierungsprogramms lassen sich am einfachsten mit dem Leitgedanken der kompletten Stadt zusammenfassen: Anstelle der einseitigen und homogenen Siedlungen des sozialen Wohnungsbaus tritt die gleichgewichtige Entwicklung aller städtischen Funktionen. Wohnquartiere müssen so ausgestaltet werden, dass sie wieder verschiedene soziale Gruppen integrieren können. Unter den heutigen Bedingungen bedeutet dies, dass in all diesen Quartieren eine Mischung von (sozialen) Mietwohnungen und Eigentumswohnungen angestrebt wird. Zudem soll die Erreichbarkeit und Erschließung sowie die infrastrukturelle Ausstattung dieser Gebiete verbessert werden, um die Standortvorteile städtischer Wohngebiete gegenüber den suburbanen Gebieten zum Tragen zu bringen. Und schließlich soll die Durchmischung mit anderen Funktionen gefördert werden. Die Ansiedlung von (Klein-)Gewerbe und Büros sowie die Schaffung von wohnungsnahen Arbeitsplätzen bis hin zu Wohn-Arbeits-Einheiten, die dem Trend des neuen Dienstleistungsgewerbes und des Arbeitens zu Hause entgegenkommen, sind ein wichtiger Bestandteil des Umstrukturierungsprogramms. Neben der wohnungspolitischen Dimension hat das Programm also auch eine deutliche wirtschaftspolitische Dimension, weshalb ein Teil der Förderungsmittel auch vom Wirtschaftsministerium finanziert wird.

Als Voraussetzung für die Aufnahme in das Umstrukturierungsprogramm und für die Zuerkennung von Förderungsmitteln müssen die kommunalen Pläne eine Reihe von Kriterien erfüllen. Dazu zählen:

  • Die Umstrukturierung muss im Rahmen öffentlicher und privater Zusammenarbeit stattfinden, d.h. neben der Kommunen müssen private Investoren und Wohnungsbaukorporationen in das Konzept eingebunden sein. Öffentliche Mittel müssen dabei so eingesetzt werden, dass sie einen Multiplikatoreffekt im Hinblick auf private Investitionen erzielen.
  • Der Prozess der Vorbereitung und Durchführung muss so organisiert werden, dass eine ständige Abstimmung zwischen den verschiedenen Verwaltungsebenen, zwischen Gemeinde, Provinz und Reichsregierung, gewährleistet ist.
  • An dem Prozess der Umstrukturierung muss die betroffene Bevölkerung beteiligt werden.

Ende 1999 haben die beteiligten Gemeinden ihre Pläne bei der Reichsregierung eingereicht. Inzwischen wurden bereits erste Maßnahmen eingeleitet. Dabei ist deutlich geworden, dass das Gesamtvolumen des Umstrukturierungsprogramms ein Vielfaches dessen ausmachen wird, was die Regierung als Förderung in Aussicht gestellt hat. Allein die Wohnungsbaukorporationen werden nach Aussage ihres Gesamtverbandes AEDES zwischen 18 und 22 Milliarden Gulden in die Umstrukturierung investieren.

Dabei wird davon ausgegangen,

  • dass ca. 25.000-30.000 Sozialwohnungen abgerissen werden, da sie wirtschaftlich nicht länger zu unterhalten sind;
  • dass 65.000 - 75.000 soziale Mietwohnungen neu gebaut werden, um die Qualität der bestehenden Wohnquartiere zu erhöhen;
  • dass ca. 65.000- 80.000 Sozialwohnungen an ihre Bewohner verkauft und somit in Eigentumswohnungen umgewandelt werden.

Daneben soll eine noch unbekannte Zahl von Eigenheimen und Eigentumswohnungen in ehemals reinen Sozialwohnungsquartieren geschaffen werden, um die soziale Durchmischung zu verstärken.

Für die Realisierung eines derartigen Umstrukturierungsprogramms bieten die entwickelten Strukturen des Stedelijk Beheer eine hervorragende Ausgangsbasis. Mit der dezentralen Organisation auf Quartiersebene lassen sich die Forderungen der Reichsregierung nach Integration und Koordination zwischen verschiedenen öffentlichen und privaten Trägern leicht erfüllen. Bürgerbeteiligung war sowieso schon von Anfang an in das Konzept des Stedelijk Beheer eingebunden. Das Monitoring-System bietet zudem die Möglichkeit, die Entwicklungen in den einzelnen Quartieren sorgfältig zu beobachten und externe Auswirkungen wie die Verdrängung von Problemgruppen frühzeitig zu signalisieren.

Vor allem aber zeigt die Vorgehensweise bei der Verwirklichung des Umstrukturierungsprogramms geradezu exemplarisch die Philosophie des Stedelijk Beheer auf: Globale Entwicklungsziele werden auf zentraler Ebene festgelegt; deren Konkretisierung und Realisierung erfolgt jedoch soweit wie möglich auf dezentraler Ebene, unter Einbeziehung aller Beteiligten und Betroffenen.

Beispiel: die Umstrukturierung des Bijlmermeer im Süden von Amsterdam

Als ein Umstrukturierungsgebiet avant la lettre kann das Bijlmermeer im Süden von Amsterdam bezeichnet werden. Dieses Gebiet mit ca. 15.000 Wohnungen wurde in den 60er Jahren als Stadterweiterungsgebiet von Amsterdam geplant und zu Beginn der 70er Jahre fertig gestellt. Mit der Planung waren hohe Ansprüche verbunden: Das Bijlmermeer sollte die Stadt der Zukunft werden, in der Werte wie sozialer Ausgleich, die Verbindung von Urbanität und Landschaft, ein auf die Bedürfnisse abgestimmtes Versorgungsniveau und die Trennung der verschiedenen Verkehrsträger verwirklicht werden. Alle Wohnungen wurden im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus errichtet und weisen eine vergleichsweise hohe technische Qualität auf, das Sechseck-Raster war geradezu ein Symbol für die angestrebte Gleichheit der Wohnqualität, im ersten Obergeschoss verfügten die Gebäude über eine interne Wohnstraße, die zudem über Brücken mit den angrenzenden Gebäuden verbunden war, die äußere Erschließung erfolgte über hochgelegte Autostraßen, an denen große Parkhäuser gelegen waren. Große Grünflächen zwischen den Hochhäusern, die vom Autoverkehr völlig frei gehalten wurden, sollten den Traum vom „Wohnen im Grünen" verwirklichen.

In der Realisierung verkehrte sich das idealistische Konzept jedoch bald in sein Gegenteil: Das städtebauliche Konzept wurde von den meisten Bürgern als kalt und unheimisch erfahren, mit der Folge, dass die Wohnungen an die autochthone Bevölkerung kaum zu vermieten waren. Stattdessen wurden die Wohnungen vornehmlich an Immigranten aus den ehemaligen Kolonien vergeben, die damals massenhaft in das Land strömten. Als Folge wies das Bijlmermeer von Anfang an eine für die Niederlande außerordentlich einseitige Bevölkerungszusammensetzung auf: eine zu 70 % farbige Bevölkerung, von der ein großer Teil zudem mit dem doppelten Kulturschock zu kämpfen hatte, vom Land in die Stadt und von einem Kulturkreis in den anderen versetzt worden zu sein, einen hohen Anteil von Bewohnern mit niedrigstem Ausbildungsniveau, einen hohen Anteil Arbeitsloser und einen hohen Anteil sozialer und psychischer Problemfälle.

Die Konsequenzen lassen sich leicht ausmalen: Konflikte zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen als Folge unvereinbarer Verhaltensformen und Lebensstile, Vandalismus, Kriminalität und Wohnungsleerstand. Das städtebauliche Konzept hatte dem wenig entgegenzusetzen: Die Grünflächen entwickelten sich bald zu No-Go-Areas, die man zumindest abends kaum passieren konnte, die Parkhäuser konnten kaum als solche genutzt werden, da geparkte Autos sich in kürzester Zeit in nichts auflösten, die Wohnstraßen, Treppenhäuser und Laubengänge erwiesen sich als optimales Arbeitsgebiet für Einbrecher und Gewalttäter.

Lange Zeit hat man versucht, diese Missstände vor allem mit sozialen Maßnahmen zu bekämpfen: soziale und psychische Betreuung, Ausbildungsprogramme, Arbeitsbeschaffungsprogramme, mehr Aufsicht (u.a. durch die Polizei) und mehr Unterhalt. Die Effekte blieben jedoch beschränkt; die Situation schien sich immer mehr zu verschlechtern. Die hohe Leerstandsquote von 20 - 30 % brachte zudem die Wohnungsbewirtschaftung strukturell in die roten Zahlen. In den 90er Jahren wurde die „sanfte" Vorgehensweise daher durch ein Konzept der Umstrukturierung ersetzt, das seither die Diskussion um das o.g. Umstrukturierungsprogramm der Regierung erheblich beeinflusst hat.

Das neue Konzept stellt geradezu einen Paradigmawechsel dar. Nicht mehr die Probleme des Bijimermeer stehen dabei im Mittelpunkt, sondern die Potenzen des Standortes, seine gute Erschließung, die gute Anbindung an das Zentrum von Amsterdam über Metro und Eisenbahn sowie seine Nähe zum nationalen Flughafen Schiphol. Diese Potenzen bieten die Voraussetzung, um das Wohnungsangebot im Bijimermeer radikal umzustrukturieren. Ca. 50 % der Hochhauswohnungen sind inzwischen abgerissen worden. Ein weiterer Teil der Wohnungen wird (zu niedrigen Preisen) an seine Bewohner verkauft, unter der Voraussetzung, dass sie an der Umstrukturierung und Aufwertung des entsprechenden Blocks mitwirken.

Insgesamt werden die verbleibenden Hochhausblöcke modernisiert und vor allem in ihrem Erscheinungsbild aufgewertet. Die Erdgeschosszone und das erste Obergeschoss werden vorrangig in Büroflächen umgewandelt (Funktionsmischung). Die (zuvor frei zugänglichen) Grünflächen werden aufgeteilt in öffentliche Zonen (das öffentliche Fußgänger- und Fahrradwegenetz), halböffentliche Grünflächen (die den einzelnen Wohnhäusern zugeordnet sind) und private Bewohnergärten. Die durch Abriss frei gewordenen Flächen werden vorrangig mit zwei- bis viergeschossigen Reihenhäusern bebaut, um auf diese Weise ein Wohnungsangebot auch für höhere Einkommensgruppen zu integrieren. Die hochgelegten Autostraßen werden abgerissen und durch normale Stadtstraßen ersetzt, die Raum für alle Verkehrsteilnehmer vom Auto bis zum Fußgänger bieten. Die berüchtigten Parkhäuser werden abgerissen und durch normale Parkplätze und Parkstreifen in den Wohngebieten ersetzt.

Diese durchgreifenden räumlichen und baulichen Maßnahmen werden ergänzt und begleitet von einer Reihe von Sozialmaßnahmen, mit denen jedoch ebenfalls ein neues Konzept verfolgt wird. Dabei wird die bisher vorherrschende soziale Unterstützung zunehmend durch Hilfe zur Selbsthilfe (Empowerment) ersetzt. Neben den bereits genannten Möglichkeiten, als Bewohner billig Wohnraum zu erwerben, sind in diesem Zusammenhang spezielle Maßnahmen im Ausbildungsbereich sowie Hilfen bei Betriebsgründungen im Quartier zu nennen. Darüber hinaus wurden mit einem in der Nähe gelegenen Gewerbegebiet Vereinbarungen getroffen, um verstärkt Arbeitsplätze für arbeitslose Jugendliche aus dem Bijimermeer anzubieten.

Die Umstrukturierung des Bijimermeer hat gegenwärtig etwa die Halbzeit erreicht. Die ersten Ergebnisse können durchaus als positiv bewertet werden. Für die ersten erneuerten Wohnblöcke gab es genügend Nachfrage aus dem Gebiet, um eine nahezu vollständige Belegung zu erreichen. Als ein Risiko wurde der Neubau der Reihenhäuser angesehen, da man befürchten musste, dass das negative Image des Bijimermeer auf potenzielle Käufer abschreckend wirken würde. Doch auch hier hat sich bei den ersten realisierten Projekten ein positives Ergebnis gezeigt. Die Nachfrage war auch hier überraschend groß, wobei der gegenwärtige allgemeine Boom im Eigentumssektor sowie das relativ günstige Preisniveau im Bijlmermeer sicherlich unterstützend gewirkt haben. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass eine große Zahl der Käufer bereits zuvor Bewohner des Bijlmermeer waren, die auf diese Weise eine Wohnkarriere verwirklichen. Offensichtlich war bei diesen Bewohnern die Gebietsbindung groß genug, um sich für eine Wohnung im Gebiet zu entscheiden, obwohl sie sich vom Einkommen her auch eine Wohnung in einem anderen Gebiet hätten erlauben können.

Auf der anderen Seite bringt eine derartig groß angelegte Umstrukturierungsmaßnahme auch die nötigen Probleme mit sich. Dabei hat sich herausgestellt, dass der jahrzehntelange Prozess der Degradation nicht nur eine Konzentration von chancenarmen Gruppen mit niedrigen Einkommen bewirkt hat, sondern auch eine besondere Häufung von Menschen, die aufgrund von psychischen Problemen, Alkohol- und Drogenabhängigkeit nur noch schwer zu sozialisieren sind. Ein Ziel des Quartiersmanagements im Bijlmermeer ist es, diese Menschen über Vereinbarungen mit Wohnungsbaukorporationen in der ganzen Stadt stärker zu verteilen. Doch gerade dieses Vornehmen droht zu scheitern - nicht zuletzt am Widerstand von Bewohnergruppen in anderen Stadtteilen, die sich gegen die zu erwartenden sozialen Konflikte zur Wehr setzen.

Zum Schluss

Im Gegensatz zum Programm „Soziale Stadt” ist Stedelijk Beheer kein Förderungsprogramm, für das spezielle Förderungsmittel bereitgestellt werden. Stedelijk Beheer kann am Besten als eine Vorgehensweise umschrieben werden, mit der die Gemeinden versuchen, die vorhandenen Mittel so einzusetzen, dass Fehlentwicklungen frühzeitig aufgefangen werden und eine kontinuierliche Anpassung und Erneuerung der einzelnen Quartiere erfolgen kann. Hierbei wird lediglich Gebrauch gemacht von bestehenden Förderungsprogrammen, die die Reichsregierung und andere Institutionen für unterschiedliche Aufgabenfelder wie die soziale Erneuerung der großen Städte oder die Umstrukturierung des Wohnungsbestandes bereitstellen.

Der Effekt des Stedelijk Beheer besteht jedoch nicht allein in der besseren Koordination und damit im effizienteren Einsatz der Mittel. Ein wesentlicher Erfolg des Stedelijk Beheer ist m.E. darin zu sehen, dass die Entwicklung eines Quartiers nicht nur quasi „von oben" bestimmt wird, sondern dass zentrale Entscheidungen ein Korrektiv „von unten" erhalten, indem Entscheidungen zur Zukunftbestimmung bürgernah auf die Quartiersebene verlagert werden und Bürgerbeteiligung überhaupt erst möglich wird.

Auf der anderen Seite verhindert die Einbindung des Stedelijk Beheer in gesamtstädtische Entwicklungsperspektiven, dass Quartiersinteressen verabsolutiert werden. Gerade diese Einbindung ermöglicht es, dass Stedelijk Beheer über bloße Erhaltungsaufgaben hinaus auch den organisatorischen Rahmen für die Entwicklung, Erneuerung und Umstrukturierung der Stadt insgesamt abgibt. Das Beispiel Bijlmermeer hat in diesem Zusammenhang deutlich gemacht, dass mit reinen Erhaltungsstrategien in stark degradierten Gebieten kaum tragfähige, d.h. nachhaltige Lösungen entwickelt werden können. Erst die Umstrukturierung hat in diesem Falle Entwicklungsimpulse geschaffen, die nicht nur den (zumindest den meisten) betroffenen Bewohnern nützen, sondern die auch dazu beitragen, die Stadt als Lebensraum für jedermann zu erhalten. Allerdings erfordert ein solches Vorgehen nicht nur Verantwortlichkeit, sondern auch eine gehörige Portion Mut von allen an diesem Prozess Beteiligten.

 

Prof. Jürgen Rosemann war bis zum Jahre 2010 Professor am Institut für Architektur an der Delft University of Technology und ist seitdem Gastprofessor an der School of Design & Environment der National University of Singapore.

1 Eine ausführliche Darstellung des Bouwen voor de Buurt findet sich in J. Rosemann, Das Wohnungswesen in den Niederlanden. Geschichte, Instrumente, Resultate. Wien 1992.

2 Vgl. College van Burgermeester en Wethouders, Vernieuwing van de stadsvernieuwing. Stadsvernieuwing en stedelijk beheer. Rotterdam 1988.

3 Stadsbeheerplan Tilburg, Tilburg 1989, S. 8 (Übersetzung J.R.).

4 Die Niederlande waren das erste Land in Europa, in dem die Wohnungsversorgung als gesellschaftliche Verpflichtung und als staatliche Aufgabe gesetzlich anerkannt wurde. Mit dem Wohnungsgestz von 1901 wurde zudem der Soziale Wohnungsbau auf nationaler Ebene begründet.

5 Vgl. J. Rosemann, Lessons from America - "Cities without Suburbs". In: Planning Metropolis. Urban Growth and Social Patterns. Amsterdam 1999, S. 34 ff.

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