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Was heißt hier zukunftsfähig? Herausforderung Wohnwert und Wirtschaftlichkeit im Gebäudebestand

Artikel vom 25.08.2008

Die Krise ist da. Energie und Klima fordern uns existentiell. Zentrale Ressource des unumkehrbaren Wandels wird die knappe Zeit. Bauen wir also auf Zielkonsens, synergetische Kreativität und entschlossene Kooperation (wenn uns schon nichts anderes übrig bleibt). Von Florian Lichtblau

Kleine Vorrede: Das „Erbe für morgen“ ...

Vortrag anlässlich der Konferenz „Zuhause in der Stadt“ am 17. und 18. Juni 2008 in Darmstadt

Umweltgerechtes Wirtschaften – eine Überlebensfrage rückt sich, schrittweise, mitten in unser Bewusstsein. Die Versicherungswirtschaft konfrontiert uns mit der einzig verbliebenen Sensibilität unserer Tage: der Angst vor wirtschaftlichen und/oder gesundheitlichen Konsequenzen. Viele Billionen Euro werden es sein, weltweit, so hören wir von Leuten die es wissen müssen, sogar die Politik kennt mittlerweile die Vokabeln und –  kehrt zum Tagesgeschäft zurück.

Kein Thema noch vor 200 Jahren war das Ganze, aber seit dem Sündenfall der Ressourcenausbeutung – „zivilisatorischer Fortschritt“ genannt – geraten wir zunehmend auf Schleuderkurs, ist jegliche Kreislaufverträglichkeit auf der Strecke geblieben (Beispiel: „das umweltfreundliche Auto“). Ein Ende dieser unnatürlichen, billigen Bequemlichkeiten rückt in greifbare Nähe. Schon unsere eigenen Kinder werden die Geburtswehen des „postfossilen Zeitalters“ hautnah miterleben.

Zum „Thema Bauten“ in unserem Land: wo stehen wir heute? Baugeschichtlich und kulturell betrachtet kämen wir vielleicht zum gleichen Ergebnis, wie bei ökonomisch-öko-logischer Annäherung: so wie der Durchschnitt beschaffen ist, wird es jedenfalls nicht weitergehen können (Ausnahmen kommen vor) – wir müssen das alles ganz anders machen! Was aber sind die Hauptprobleme, wie gehen wir damit um, wo liegen unsere Chancen für die Zukunftsgestaltung? Soviel an dieser Stelle vorweg: nach meiner Überzeugung ist es Sache von Architekten und Ingenieuren, von Ökonomisten und Juristen zu reagieren und erste Bilder zu entwickeln für ein Szenarium wirklicher Zukunfts-Fähigkeit als gesamtgesellschaftliche Aufgabe!

Schon viel zu lange scheitern unsere Bemühungen am herrschenden Geldsystem. Wie löst man den scheinbaren Widerspruch zwischen kommerziellen Interessen und globaler Nachhaltigkeit? Vielleicht braucht man ja die Weltbank um das Klima zu retten. Wir selbst aber kämen einer Antwort näher, wenn wir persönliche Dialogbereitschaft, Kreativität und Durchhaltevermögen entwickeln könnten gegenüber der Gesellschaft, unseren Auftraggebern. Als Beispiel die praktische Erfahrung unseres Büros mit der Schlüsselfunktion Energie: konsequent einen Altbau erneuern ist schon heute das denkbar stärkste Renditemodell auf dem Markt!

Böse Zungen sagen: Planung ist der Ersatz des Zufalls durch den Irrtum. Auch wenn das sicher nicht immer stimmt: sollten wir nicht zuvorderst in den eigenen Reihen einen übergeordneten Konsens herstellen samt der fachlichen Kompetenz für zukunfts-taugliches Bauen? Die Einstellung verändern! Darüber müssen wir als erstes sprechen mit den Verantwortlichen in Forschung, Lehre, Wirtschaft, Politik und Verwaltung – und natürlich mit den Kollegen, allen Bauleuten, den Bauherren und – den Medien. Warten wir nicht auf die da hinten oben, Schulterschluss jetzt und dann zeigen, dass es auch ganz anders geht, das Bauen und Erneuern: als verantwortetes „Erbe für morgen“!

Weiterbauen - die „zweite Chance“ für Architektur

Seit kurzer Zeit entdecken immer mehr Architekten den Umbau und die Sanierung bestehender Strukturen als neues Arbeitsfeld. Zögernd folgen sie einem Trend, den die Bauindustrie - speziell Dämmsystem- und Fensterhersteller - schon lange für sich entdeckt hat. Bei deren vorgefertigten Lösungen gegen Schimmelbildung, kalte Füße und steigende Heizabrechnung besteht allerdings die Gefahr, daß – ähnlich wie beim Siegeszug der Asbestschindel vor 30 Jahren – ganze Wohngebiete mit einem optisch und technisch höchst fragwürdigen Pyjama überzogen werden.
 
Hier sind alle Planer gefordert, mit individuell auf die jeweiligen Anforderungen eingehenden und ökologisch wie gestalterisch langfristig überzeugenden Konzepten zu reagieren. Der Neubauzuwachs in der Bundesrepublik beträgt nunmehr ein Prozent im Jahr – Deutschland ist eigentlich gebaut. Was bleibt sind Umbau, Verdichtung und Sanierung. Wenn diese nicht im Investorenstil an der Architektur vorbei geschehen sollen, stellt sich die berechtigte Frage nach dem „wenn anders, dann wie?“

Bauplaner, Forschung, Industrie, Handwerk und Finanzwirtschaft müssen gründlich umdenken. Die energetische und stoffliche, funktionale und gestalterische Zukunftssicherung im Gebäudebestand bietet immense Potentiale. Nur wenn diese kreativ erschlossen werden, sind die Zielparadigmen des sozialen Umwelt- und Klimaschutzes in absehbarer Zeit einzuholen. Der – unumkehrbare – Weg heraus aus dem „fossilen Zeitalter“ fordert integrale Konzepte, entwicklungsoffene Strategien, neue Wege, und handwerkliche Kompetenz für jeden Einzelfall.

Energie, Ökologie, Ökonomie – objektive Fakten

Knapp die Hälfte der bundesdeutschen Primärenergie „verpufft“ im Gebäudebereich. Allein der Heizwärmebedarf des Bestandes liegt durchschnittlich um den Faktor 8 (!) höher, als nach derzeitigem Stand der Technik sinnvoll. Das  „Dreiliterhaus“ ist gemeint, mit dem sich zwar manche Planer und Handwerker noch schwer tun, das jedoch bautechnisch und ökonomisch problemlos funktioniert. Es ist uns im Neubau bereits gelungen, die Verringerung des CO2-Ausstoßes zu verwirklichen. Bei Sanierungen liegt eine Verbrauchsreduktion um Faktor 5 – kompetente Planung vorausgesetzt – schon heute im wirtschaftlichen Bereich, wenn man nur will.

Der Gebäudebestand, in Deutschland und andernorts, ist schlecht dokumentiert. Er lässt sich trotz zeitlicher, konstruktiver und typologischer Kriterien schwer fassen, bleibt inhomogen und fordert daher spezifische Einzelfallbetrachtung. Mehr oder minder „Gutmütigkeit“ der Bauwerke für Sanierungskonzepte kann man bis etwa Kriegsende feststellen. Aber dann: zuerst Billigstbau, in der Folge fortschreitend Mängel bezüglich Umweltverhalten, Dauerhaftigkeit und Reparaturfähigkeit der Konstruktionen, innere Werte weichen oberflächlichen Modetorheiten.

Zur Gesamtlage noch einige Zahlen: Auf knapp 80 % der Baumasse – bis etwa 1985 – entfallen 95 % des Energiebedarfes, zwei Drittel davon sind Wohngebäude. Wenn heute jährlich 500 Tausend Altbauwohnungen saniert werden – meist mit völlig unzureichenden Verbesserungen – entspricht dies gerade 2 % des Bestandes und würde somit 50 Jahre in Anspruch nehmen. Abriss und Neubau dagegen wären weder ökologisch noch ökonomisch darstellbar: 120 Tonnen teilweise hoch belastetes Material benötigt jeder Deutsche allein für das Wohnen. Das macht gesamt 10 Milliarden Tonnen. Zur einfühlsamen Erneuerung gibt es keine Alternative; der Aufwand über alles liegt nur bei gut einem Drittel von Ersatzbau!

Bilanzen studieren – Solares Bauen und Sanieren

Gebäude sind und bleiben unsere aufwendigsten und langlebigsten Wirtschaftsgüter. Wir stehen jedoch vor der Tatsache, dass wir mit der Jahrtausendwende in ein Zeitalter eingetreten sind, in dem wir uns auf jene einzigartige Energiequelle zurückbesinnen müssen, die von jeher alles Leben und Werden überhaupt ermöglicht: unsere Sonne, ihr Licht. Mit Hightech-Kollektoren am Dach oder dem Thermoskannenprinzip der Passiv-Häusler ist es allerdings nicht getan. Was aber ist „Solares Bauen und Erneuern“?
 
Integrale Planungskonzepte zielen auf einen Gesamtkontext von:
1. induziertem Energie- und Landverbrauch im städtebaulichen Bereich
    bzw. landschaftspflegerischer Glaubwürdigkeit,
2. herstellungs-/ transportbedingtem Energieverbrauch und Vermeidung
    von Abfällen im konstruktiven Bereich,
3. Betriebs- Energieverbräuchen bei Nutzung der Gebäude und
    Einrichtungen bzw. Schonung des Umfeldes,
4. Energieaufwand und Problemmüll bei Wiederverwendung/ Down-
    cycling/ Entsorgung nach Um- oder Rückbau,
5. sowie von Entlastung bzw. Neubelebung unserer sozialen, kulturellen
    und ökonomischen Beziehungsgeflechte.

Die Energie, alle Materie und unsere Kultur sind nicht reproduzierbar. Solare Architektur denkt in komplexen Bilanzen von Energie- und Stoffhaushalten unserer Erde, sie ist einfach, langlebig und flexibel. Dies bedeutet eine entschiedene Kehrtwendung gegenüber unserem heutigen Politik- und Wirtschaftsgebaren, unseren klugen und verantwortlichen Beitrag für den globalen Erhalt menschlicher Lebensgrundlagen, auch für  unsere Kinder und Kindeskinder. Sind wir davon nicht weiter entfernt als je zuvor?!

Bauherren, Psychologie und (wahres) Architektenleben

Architektur als Leitbild für morgen muss also viel, viel mehr leisten, als eben mal etwas notdürftige Energieeinsparung. Das Zauberwort im Dienst des Bauherren heißt „Synergien“ – und hier beginnen Spaß und Tugend der kreativen Auseinandersetzung. Ich möchte kurz drei Beispiele darstellen.

1. Es war einmal – Ende der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts: da gab es noch wildentschlossene, echte Bauherren, die im informationszeitlosen Dickicht mutige Architekten per Handschlag zum gemeinsamen Wagnis verpflichteten. Ein großer Einfirsthof südlich Münchens, erbaut um 1900, sollte saniert und im hölzernen Scheunenteil von Ober- und Dachgeschoß zum Wohnen ausgebaut werden. Händisch wurde gerechnet, gezeichnet, ausgeschrieben, im Team diskutiert aus schierer Begeisterung, zielorientiert und ohne großen Aufhebens.

Herausgekommen ist reine Zimmererarbeit, ein Solarhaus für 20 bis 25 Bewohner, Wärmeschutz bei ca. 35 % unter heutiger Energieeinsparverordnung und mit rein regenerativer Energieversorgung. Raumwärme und Warmwasser liefern 90 m² Sonnenkollektoren zusammen mit Münchens erster Holz-Hackschnitzel-Heizung, im Kern des Gebäudes steht ein Schichtenspeicher mit 9 Meter Höhe und 20 m3 Wasserinhalt. Große Probleme machte die erste Regelung, mit der zweiten – herzblutverfasst – läuft das System nun fast 20 Jahre störungsfrei und hat sich längst mehrfach bezahlt gemacht.

Zehn Jahre nach Fertigstellung sponserte das erste „1000-Dächer Solarstromprogramm“ den Ersatz der Pappeindeckung über den Balkonen und Wintergärten durch ein PV-Glasdach. Dieses generiert seither exakt den Strombedarf des Gesamtgebäudes. Eine vollständige, CO2- neutrale Energieautonomie also – geplant noch zur Zeit von Spritpreisen bei 60 Pfennig je Liter, bis heute ohne jeden Nachrüstungsbedarf auf die lange Lebenszeit.                                   

2. Um die Jahrtausendwende und just nachdem wir die ersten Lehrgänge für energetische Gebäudesanierung durchgeführt hatten, bekam ich einen Anruf: zu erkennen gab sich ein Grundschulfreund, wir hatten uns seit 30 Jahren aus den Augen verloren. Er berichtete vom Ableben seines 99-jährigen Großvaters und dass er dessen Haus, sein eigenes Jugenddomizil, geerbt habe. „Du bist doch Architekt geworden, vielleicht weißt du mir einen Schreiner für die klapprigen Fensterläden und auch für einen Maler wäre dringend Bedarf.“

Wir verabredeten uns zu einer Hausbegehung und trennten uns mit der Perspektive einer gründlichen Bestandsuntersuchung. Gesagt getan, bei Vorstellung unseres – noch händischen – Berichtes über Istzustand, energetische Sanierungsziele, abgestufte Maßnahmenpakete und Gesamtwirtschaftlichkeit aus Investition und Betrieb entschied sich der Bauherr für die Vollversion. Ausschlaggebend war, dass ich aus meiner Erinnerung seinen Großvater zitieren konnte: vor knapp 40 Jahren hatte der stolz berichtet, er habe sich für Jahrzehnte verschuldet, um seiner Familie ein sicheres Dach über dem Kopf zu schaffen. „Und jetzt“, meinte ich, „bist du dran.“

Das Reihenhaus in Standard-Massivbau von 1956 befand sich also nach 45 Jahren noch im Urzustand, nur die nötige Wärme lieferte ein neuer Gaskessel. 2001 wurde dann die beschlossene Rundum-Erneuerung durchgeführt, was blieb waren Tragstruktur und die Geometrie im Zusammenklang mit den Nachbarhäusern. Letztere wäre mit dicken Dämmpaketen nicht lösbar gewesen und ehe der Bauherr sich’s versah, bekam er daher die Weltpremiere einer komplett schlanken, vakuumgedämmten Gebäudehülle (VIP) im Rahmen eines Forschungsvorhabens des Freistaates offeriert.

Die passivhaustauglichen u-Werte, Beseitigung aller Wärmebrücken, integrierte Passiv- und Aktivnutzung von Sonnenenergie neben mechanischer Lüftung mit Wärmerückgewinn reduzieren den Wärmebedarf um den Faktor 10 (!) gegenüber dem Altzustand. Das Modell rechnet sich hierbei durch progressive Amortisierung aus niedrigem Energieverbrauch, vergrößerter Wohnfläche und steigendem Marktwert – so wird Architektur zur attraktivsten und sichersten Anlageform!

3. Im Jahr 2007 erhielten wir den Auftrag, „Energieberatung und Konzeptfindung“ für ein Wohnquartier im historischen Zentrum einer bayerischen Großstadt zu erarbeiten. Die städtebauliche Situation: eine hochgotische Hallenkirche war 1944 mit ihrem Hauptschiff  den Bomben zum Opfer gefallen. Nach dem Krieg wurde der Chorbau abgemauert und blieb als Kirche, über den erhaltenen Kreuzgang und um einen offenen Hof errichtete man dringend benötigten Wohnraum. Auch diese Gebäude befinden sich weitestgehend im Originalzustand, bis hin zur Einzelraumbeheizung.

Das Ensemble besitzt hohen städtebaulichen und denkmalpflegerischen Wert, zahlreiche Besucher erfreuen sich an der pittoresken Vielfalt. Nachteile heute: unvertretbar hohe Betriebs- und Unterhaltskosten, mangelhaft der Raumkomfort und die Tagesbelichtung, hohe funktionale Defizite für Bewohner und für die Arbeit der Kirchengemeinde. Eine eingehende Bauaufnahme (Anamnese) plus eine energetische Ist-Analyse (Diagnose) plus eine Konzeption straffer Sanierungsvarianten (Therapie) samt Erfassung aller Begleitumstände „des Patienten“ führten zu einem kreativen Ansatz.

Unsere Idee in ersten Skizzen: Überdachung des offenen Hofes und ehemaligen Kirchenschiffes mit einem flachen Stahl-Glass-head, dadurch Schaffung eines wettergeschützen, natürlich belichteten, temperierten und belüfteten Atriums. So entsteht mitten in der Altstadt ein attraktives neues Gemeindezentrum (erschlossen von Gasse, Kreuzgang, Kirche), welches mit einem frei eingestellten Holz-Glas-Kubus zur multifunktionalen Nutzraumbildung „möbliert“ ist. Auch Gemeindeamt und Pfarrwohnung werden in die Anlage integriert, die alten Wohnbauten funktional und energetisch gründlich modernisiert und saniert.

Diese große Lösung als „Kür“, natürlich verbunden mit vollständig regenerativer Energieerzeugung aus Solarthermie, Holzheizung und Photovoltaik im Glasdach, erreicht dabei schon energetisch die deutlich vorteilhafteste Gesamtwirtschaftlichkeit! Die Mehrausgaben der Überdachung finanzieren sich aus entfallenden Dämm-Maßnahmen im Atrium und mehrfach aus dem Erlös des dann freiwerdenden, weit entfernten heutigen Gemeindehauses. Hinzu kommt ein effektiver Gemeindebetrieb, der „alles unter einem Dach“ vereint. Zuständiges Kirchengemeindeamt, Pfarrer und Kirchenvorstand sind – nach anfänglichen Schockanzeichen – in einen positiven und intensiven Dialog über die Durchsetzbarkeit des Projektes eingetreten. Außerdem würde dabei der Himmel über der Stadt um ganze 92 % CO2-Ausstoß entlastet – mit einer zusätzlichen Spitze von 30 KW Solarstrom vom Atriumsdach würde sogar ein „Plusenergieprojekt“ daraus!

Einstellung verändern, Ziele und Dialoge entwickeln ...

Unsere Gebäude funktionieren aus der untrennbaren Vernetzung Ihrer Hülle mit der eingebauten Technik und – nicht zuletzt – ihrer Nutzer. Baulich und technisch sinnvolle Erneuerungsmaßnahmen können erst ergriffen werden, wenn die Bremsfaktoren Bewusstseinsstand, Fehlinformation und Kompetenzdefizit überwunden sind. Daran müssen wir arbeiten. An Erkenntnissen über das „Wie“ herrscht kein Mangel. Dann aber gilt es, nicht zu kurz zu springen: nur wenn alle Synergien aus „Ohnehin-Kosten“ und Langfristtauglichkeit kreativ verarbeitet werden, sind gesamtwirtschaftlich optimale Lösungen zu erreichen. Natürlich gilt es, gleichzeitig politische Probleme wie etwa das Investor/Nutzer-Dilemma zu lösen, aber ohne entwicklungsoffene Win-win-Strategie wird auch hier eine wirklich nachhaltige Zukunft nicht erzielbar sein.

Wie können wir Architekten uns darauf einstellen? Lustvoll entschlossen am besten, dynamisch und nachdenklich, wie das unsere Art ist. Erst wenn unsere Planungen auf passivem Wege den spezifischen Möglichkeiten der energetischen, stofflichen und funktionalen Optimierung nahe sind, besteht die Voraussetzung, regenerative Energien und Techniken sparsam und effektiv einzusetzen. Nur der intensive Dialog aller Beteiligten führt zur synergetisch wirksamen Integration aller Planungsentscheidungen, die jeden gelungenen Bau ausmachen. Und das ist originäre Architektenaufgabe!

Umweltqualifikation in allen Ausbildungsgängen sowie entsprechende Zielrichtung der politisch-wirtschaftlichen Rahmenbedingungen schaffen die Motivation für hoffnungsvolle Szenarien – ein weiter Handlungsspielraum. Doch Architektur mit der Sonne will noch mehr: Rückbesinnung und Vorausschau, sie will Gesundheit, Gemeinsinn und Gestaltqualität (zurück-) bringen als Grundlage einer neuen, zukunftsfähigen Baukultur, für alle. Liebe Bauherren, erwarten Sie keine Hilfe von oben, das Spiel mit einer entwicklungsoffen zu verändernden Einstellung muss von unten beginnen – mit klaren Zielen und allem fachlichen und menschlichen Einsatz.

Nachrede: wir werden nichts geschenkt bekommen!

Unsere Welt ist zu kompliziert geworden, es gilt also das Bauen mit ihr zu vereinfachen! Mein Startvorschlag zum Zentralthema Energie, zu Ersatz und Vernetzung heutiger Energienormen, -gesetze und -förderregeln in Wohnungs- und Nichtwohnungsbau sowie in der Bauindustrie lautet: eine energetische Bedarfszahl je Quadratmeter Hauptnutzfläche, die nicht überschritten werden kann. Natürlich enthält diese primärenergiebezogen sämtliche spezifisch anfallenden Baumaterialien sowie die Verbräuche für Wärme, Kälte, Licht und Gerät. Eine Unterschreitung der Vorgabe wird nachgewiesen und progressiv steuerlich belohnt. Für Sonderbauten, Gewerbe- und Industrie gelten vergleichbare Bestimmungen. Nutzer, Gesellschaft und Wirtschaft profitieren davon in vielfacher Weise.

Vor allem könnte dies zur Inspirationsquelle neuer Entwicklungen von Bau- und Lebensweisen sowie entsprechender Techniken werden, in der es jedem engagierten Planerteam völlig freigestellt bleibt, auf welchem Wege es das gesteckte Ziel erreicht. Und dieses Ziel heißt schlicht: Energieautonomie – lokal und national! „Solares Bauen und Erneuern im Bestand“ fügt keinem Schaden zu, es stellt die Basis dar für persönliche Freiheit und verkörpert so die wahre Moderne.

Natürlich werden Heerscharen von Politikern, Fachexperten, Verwaltern, Juristen und Finanzgebern, leider wohl auch unsere altehrwürdigen Berufsverbände, uns erzählen, warum das alles gar nicht funktionieren kann. Dann aber, frei mit Professor Ganser gesprochen, werden wir erwidern: warum erzählen uns all diese Leute eigentlich nicht, dass es funktionieren wird und wie das wohl gehen könnte?! Anders ausgedrückt: weniger fragen was uns die Zukunft bringt, sondern antworten, wie wir uns die Zukunft vorstellen! Bildet nicht das unseren eigentlichen Planungsauftrag, das Privileg und Selbstverständnis von Architektur?

Wir werden kaum etwas geschenkt bekommen bei einer Lösung unserer hausgemachten Probleme, wir haben auch nicht die Spur einer Wahl. Bitte legen Sie mir das nicht als Ungeduld aus, aber es ist bereits kurz nach zwölf – wir haben viel zu lange gezögert. Es wird mitentscheidend an uns liegen, der „querdenkenden Bevölkerung“, Verantwortlichkeit in den Industrieländern, unsere eingefleischten Gewohnheiten in Frage zu stellen, mit Phantasie und Fleiß neue Wege aufzuzeigen und dabei das Herz zu erreichen. Nur ein mit der Sonne versorgter Mensch ist ein wirklich freier Mensch. Unsere Kinder und alle schutzlos Machtlosen auf dieser Welt haben einen vitalen Anspruch darauf!

Der Autor: Florian Lichtblau ist Architekt und Lehrbeauftragter, unter anderem an der Technischen Universität Darmstadt.

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