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Status quo des Dialogs

Artikel vom 29.11.2013

Prof. Dr. Manfred G. Schmidt skizziert in seinem Vortrag anlässlich des Fachkongresses zum 25. Jubiläum der Schader-Stiftung den Stand des Dialogs zwischen Gesellschaftswissenschaften und Praxis.

Zum Status quo des Dialogs zwischen Gesellschaftswissenschaften und Praxis

Wie der Status quo des Dialogs zwischen Gesellschaftswissenschaften und Praxis beschaffen ist – darüber gibt es unterschiedliche Auffassungen.

Sie eint aber im Wesentlichen die Überzeugung, dass der Austausch zwischen Gesellschaftswissenschaften und Praxis heutzutage intensiver und breiter als je zuvor ist. Gemeint ist dabei nicht nur der fest etablierte Transfer von Wissen, der von der Ausbildung hochqualifizierter Fachkräfte zu ihrer Berufsausübung in der Praxis verläuft.

Und gemeint ist nicht nur der rege, insgesamt zunehmende Wissenstransfer, der durch die Massenmedien zustande gebracht wird. Intensiverer und breiterer Austausch zwischen Gesellschaftswissenschaften und Praxis bedeutet auch mehr Dialog, oder zumindest mehr Dialogchancen, im oben erörterten Sinne: im Sinne der Chance zur Rede und Gegenrede sowie zum Gespräch zwischen Gesellschaftswissenschaften und Praxis. Von dem breiteren und intensiveren Austausch zwischen Gesellschaftswissenschaften und Praxis zeugt mittlerweile eine beachtliche Zahl von Einrichtungen zur Förderung des Dialogs, der Beratung und des Austauschs zwischen Gesellschaftswissenschaften und Praxis, unter ihnen seit 25 Jahren die Schader-Stiftung. Und natürlich viele andere, beispielsweise die Wissenschaftlichen Beiräte der Ressorts, wissenschaftliche Sachverständige, beispielsweise der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Expertenkommissionen, Enquete-Kommissionen oder – ein Beispiel aus der Welt der Universitäten – neben den allzu exekutivlastigen Hochschulbeiräten etwa wissenschaftliche Beratungsgremien der Hochschulleitungen, die so mancher Universität beim Wettbewerb um die Mittel der Exzellenzinitiative maßgeblich geholfen haben – um nur einige zu erwähnen. Allerdings wird die Qualität des Dialogs zwischen Gesellschaftswissenschaften und Praxis unterschiedlich bewertet. Da hört man neben Lob viel Kritisches – auch manche Enttäuschung darüber, dass Dialogchancen nicht genügend genutzt würden. Und etliche Beobachter gelangen zu einer Diagnose, die dem Befund zum Stand der Politikberatung ähnelt, zu dem die Heidelberger Akademie der Wissenschaften vor einigen Jahren gelangt war. Mit der Politikberatung in Deutschland jedenfalls sei es „nicht zum Besten“ bestellt3 – unter anderem weil die Beratungskultur hierzulande schwach sei, weil Maßstäbe für den geordneten Austausch fehlten, weil Bemühungen um Dialoge oft schnell steckenblieben, weil mit versteckten Interessen argumentiert und weil nicht selten aneinander vorbeigeredet werde. Oder auch weil die Verwissenschaftlichung der Politik ihre Kehrseite in der Politisierung der Wissenschaft habe, mit der Folge, dass die Wissenschaft nicht mehr nach der Wahrheit suche, sondern nach massenhaftem Applaus oder nach Machtteilhabe versprechender Komplizenschaft mit der Praxis.4 Hinzu kommt die – viele Praktiker irritierende – Vielstimmigkeit der Sozial- und Verhaltenswissenschaften, die oft, wenn sie denn nach Wahrheit streben, meist zu mehreren, immer vorläufigen Wahrheiten gelangen.5

„Nicht zum Besten“ ist es um den Dialog zwischen Gesellschaftswissenschaften und Praxis aus einem weiteren Grund bestellt: Der Dialog hat auffällige Lücken. Ich wähle ein teures Beispiel: die Sozialpolitik in Deutschland. Für sie werden in diesem Jahr laut Schätzung des neuesten Sozialberichts des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales 806 Milliarden Euro ausgegeben. Das entspricht knapp 30 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Doch im Unterschied zur Begutachtung der Wirtschafts-, der Geld- und der Finanzpolitik durch den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung fehlt es in Deutschland an einer Einrichtung der Begutachtung des Sozialstaates und einem hierauf aufbauenden Dialog zwischen Wissenschaft und Praxis. Dabei wäre ein Staat, der Sozialausgaben in einer Größenordnung von 30 Prozent des Sozialproduktes tätigt, gut beraten, „wenn er über diesen Aufwand regelmäßig in einem Jahresbericht Rechenschaft ablegt, der 1) alle Felder des Sozialstaates und alle mit seiner Durchführung beauftragten Einrichtungen in Bund, Ländern und Kommunen umfasst, 2) die sozialen, politischen und ökonomischen Aspekte der sozialen Sicherung gleichermaßen abdeckt, 3) die sozialpolitischen Erfahrungen anderer Länder würdigt und sie auf ihre Eignung für Deutschlands Sozialpolitik prüft und 4) systematisch über Stand, Verlauf, Wirksamkeit, Efzienz und Verteilungsgerechtigkeit der Sozialpolitik sowie über ihre Bewertung in der Bevölkerung berichtet“6. Davon aber ist hierzulande nichts in Sicht.

Zur Meinung, der Dialog zwischen Gesellschaftswissenschaften und Praxis könne erheblich erweitert, vertieft und intensiviert werden, wenn die Beteiligten nur wollten

Bei der Frage, wie der Dialog zwischen Gesellschaftswissenschaften und Praxis erweitert, vertieft, intensiviert und im Sinne eines verständigungsorientierten Gesprächs verbessert werden könnte, scheiden sich die Geister. Manche sind optimistisch, andere skeptisch. Den Optimisten zufolge könnte der Dialog ohne allzu großen Aufwand erweitert, vertieft und intensiviert werden. Man müsse nur einfach wollen, so wird hier argumentiert. Und man unterstellt, dass der bloße Appell an das Gute in den Adressaten ausreiche. Die Praxis müsse sich auf ihre Gemeinwohlpichtigkeit besinnen und nach sachgerechten Lösungen unter Einbezug des wissenschaftlichen Sachverstands suchen, so heißt es da. Und die Wissenschaft müsse sich auf ihre Verantwortung für das Ganze besinnen, auf ihre Aufklärungsaufgabe, um nur einige der hehren Vorgaben zu nennen. Das setzt allerdings voraus, dass alle Beteiligten – die Wissenschaft ebenso wie die Praxis – erstens den Dialog wollen – was zweifelhaft ist. Zweitens setzt das voraus, dass die Beteiligten die hohen Voraussetzungen gelingender Dialoge zumindest näherungsweise erfüllen. Doch die Dialogvoraussetzungen sind anspruchsvoll. Zu ihnen gehören mindestens: Artikulations- und Gesprächsfähigkeit, Zuhörenkönnen, die Gegenseite respektieren, die Fähigkeit zur selbstkritischen Prüfung der eigenen Anschauung – und ein ziemlich großes Zeitbudget für den Dialog, nicht zuletzt auch ziemlich viel Sitzfleisch.

Die These von der Wissenschaft und der Praxis als „zwei Welten“ mit je unterschiedlicher Logik

Doch just an der Realisierbarkeit dieser Voraussetzung zweifeln die Vertreter einer skeptischeren Auffassung: Ihnen zufolge bleibt schon der einfache Dialog – Rede und Gegenrede – meist nach kurzer Zeit stecken. Dafür gibt es in der Tat viele Beispiele. Ich erinnere nur an die Rede und Gegenrede, die man vor knapp zwei Wochen hören konnte: Den Auftakt gab der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in seinem neuesten Jahresgutachten mit seiner Rede gegen Mindestlohnpläne von CDU, CSU und SPD. Die Gegenrede hielt die Bundeskanzlerin: Ungnädig war sie, die Kanzlerin, in ihrer Gegenrede. Die „Wirtschaftsweisen“ sollten sich in koalitionspolitisch so heiklen Themen zurückhalten.7 Rede und Gegenrede stehen immer in Gefahr, wie das erwähnte Beispiel lehrt, alsbald steckenzubleiben. Noch größer ist die Gefahr des Steckenbleibens allerdings beim Dialog im Sinne des verständigungsorientierten Gesprächs. Denn sein Gelingen setzt, wie oben schon angesprochen, unter anderem die Bereitschaft und die Befähigung voraus, über längere Strecken verständigungsorientiert zu sprechen und zuzuhören. Doch diese Gaben sind weder in der Wissenschaft noch in der Praxis weit verbreitet. Die Kritiker deuten diesen Sachverhalt und den mängelbehafteten Status quo des Dialogs zwischen Gesellschaftswissenschaften und Praxis nicht als zufällig, sondern als überzufällig und als nur schwer veränderbar. Der tiefere Grund sei dieser: Gesellschaftswissenschaften und Praxis gehörten jeweils unterschiedlichen Welten an. Warum sollten sich beispielsweise Politik und Politikwissenschaft oder Politik und Wirtschaftswissenschaft die Mühe machen, in einen zeitraubenden Dialog zu treten – wenn beide doch jeweils für Welten mit höchst unterschiedlichen Sprachen, unterschiedlichen Erfolgskriterien und verschiedenartigen Zeittakten stehen? Die Politik strebt bekanntlich nach Wählerstimmen, nach Ämtern, nach Gestaltung und gerne auch danach, ihr Tun und Lassen von der Wissenschaft legitimieren zu lassen. Wenn aber die Wissenschaft der Politik die Leviten liest, dann will die Politik von Dialog gar nichts wissen. Und auch sonst neigt die politische Praxis doch dazu, die Wissenschaft, falls überhaupt, nur am Katzentisch zu platzieren – man denke nur an den vor wenigen Tagen vereinbarten Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD und die dort vereinbarten Regelungen für die Kommission, die ab dem 1. Januar 2017 den allgemein verbindlichen gesetzlichen Mindestlohn überprüfen und anpassen soll: „Die Mitglieder der Kommission“, so heißt es dort, „werden von den Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer benannt (Größe: 3 zu 3 plus Vorsitz). Wissenschaftlicher Sachverstand (ohne Stimmrecht) wird auf Vorschlag der Spitzenorganisationen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer (1 plus 1) hinzugezogen“8. Also: Die Politik strebt nach Wählerstimmen, nach Ämtern, nach Gestaltung und gerne auch danach, ihr Tun und Lassen von der Wissenschaft legitimieren zu lassen. Die Wissenschaft hingegen strebt nach „Mehrung und Sicherung systematischen Wissens“, so heißt es in den 2008 veröffentlichten Leitlinien der Politikberatung der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Die Erfolgsmesslatten der Wissenschaft sind nicht Stimmen, nicht Ämter, nicht politische Gestaltung und nicht Beteiligung am Dialog mit der Praxis, sondern Reputation durch Drittmitteleinwerbung und Reputation durch spezielle Publikation – „publish or perish“ hieß es früher, heute heißt es spezieller: Veröffentliche so viel wie möglich in den „peer-reviewed“ Top- Zeitschriften der Fachwissenschaften. Publikationen aus der Welt des Dialogs zwischen Gesellschaftswissenschaften und Praxis gehören allerdings nicht zu den Texten, die Aussicht auf Aufnahme in die Top-Journals finden. Und so ist auch das Ergebnis der unlängst veröffentlichten Umfrage unter den deutschen Ökonomen nicht verwunderlich, wonach viele Spitzenforscher in Politik und Öffentlichkeit kaum Gehör finden und wonach nur wenige Wirtschaftswissenschaftler in Forschung und in der Gesellschaft gleichermaßen bedeutend sind.9

Doch darin erschöpfen sich die unterschiedlichen Logiken der Wissenschaft und der Praxis nicht. Die Politik steht meist unter hohem Zeitdruck – der Zeittakt der Demokratie mit ihren in regelmäßigen Abständen wiederkehrenden Wahlen ist kurz – und wird durch die Allgegenwärtigkeit von regelmäßigen Umfragen zur Bewertung von Politik und Politikern- und zur Politikerbewertung noch weiter verkürzt. Die Wissenschaft hingegen benötigt für ihr Geschäft namentlich bei der Grundlagenforschung einen längeren Atem. Die Politik pocht nicht nur auf kurzfristige Machbarkeit in rein sachlicher Hinsicht, sie will auch Lösungen, die zugleich genuin politische Anliegen – wie Stimmen- und Ämtergewinn und Machterhalt – fördern. Die Wissenschaft aber muss, wenn sie nicht zum Knecht oder zur Magd der Politik werden will, auf ihrer Autonomie bestehen und darauf, sich nicht zum Komplizen einer bestimmten politischen Richtung zu machen – eine Gefahr, die größer wird, je intensiver sie mit der Politik in den Dialog eintritt. Schließlich kollidieren die knappen Zeitressourcen von Wissenschaft und Praxis mit den Dialogvoraussetzungen. An einem übervollen Terminkalender laborieren nicht nur die meisten Praktiker, sondern auch die meisten Wissenschaftler. Und mehr noch: In dem Maße, in dem sich die Wissenschaft professionalisiert und spezialisiert und in dem Maße, in dem sie in das Räderwerk der betriebswirtschaftlichen Kosten-Nutzen-Rechnung gerät, in dem Maße nimmt die Neigung zur Mitwirkung an zeitaufwendiger Beratung und an nicht minder zeitaufwendigem Dialog ab.

Die Hindernisse für einen Dialog zwischen Wissenschaften und Praxis sind also zahlreich und ziemlich hoch.

Wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind, kann der Dialog zwischen Gesellschaftswissenschaften und Praxis allerdings erheblichen Nutzen für die Beteiligten stiften

Dennoch besteht kein Anlass zum Schwarzmalen. Denn unter bestimmten Bedingungen kann der Dialog zwischen Gesellschaftswissenschaften und Praxis für beide erheblichen Nutzen stiften. Das ist freilich nur dann der Fall, wenn erstens die Voraussetzungen eines verständigungsorientierten Dialogs erfüllt sind, und wenn zweitens egoistische Interessen der Wissenschaft und der Praxis in jeweils nennenswertem Maße befriedigt werden. Zu den Voraussetzungen eines verständigungsorientierten Dialogs gehören – neben den oben erläuterten Größen wie Gesprächswilligkeit und -fähigkeit, Artikulation, Zuhörenkönnen, Respektieren, Fähigkeit zur selbstkritischen Prüfung der eigenen Anschauung – auch ein Raum, in dem sich Wissenschaft und Praxis austauschen können, ein „Raum des Vertrauens“, so heißt es in der Dialogforschung, in dem das direkte, verständigungsorientierte Gespräch praktiziert werden kann – das Schader-Forum kann als ein solcher „Raum des Vertrauens“ fungieren. Die Voraussetzungen des verständigungsorientierten Gesprächs umschließen aber auch die Befriedigung egoistischer Interessen der Beteiligten. Wann ist das am ehesten der Fall? Diese Frage muss je nach Praxisfeld differenziert beantwortet werden. Handelt es sich beispielsweise um das Praxisfeld Politik, dann sind die dort bestehenden Interessen am ehesten zu wecken, wenn der Dialog für die Politik unverzichtbare „Sachinformationen, übergreifende Deutungs- und Beratungsleistungen und Legitimierung“10 bringt, insbesondere im Falle eines hohen Problemdrucks, und wenn die Sachinformationen und Deutungs- und Beratungsleistungen zugleich nützlich für Machterwerb und Machterhalt sind. Und für die Wissenschaft beziehungsweise die Gesellschaftswissenschaften gilt: Ihre Interessen werden am ehesten geweckt, wenn die Beteiligung am Dialog der Wissenschaft „Rechte, Finanzen und Infrastrukturen“, nicht zuletzt auch „Prestigegewinne“ bringt11 und überdies, so ist Rohrschneider zu ergänzen, womöglich einerseits Gelüste nach Machtteilhabe stillt und andererseits neue Wege zur Beschaffung wissenschaftlich wertvoller Informationen über die Innenwelt der Politik öffnet.

Empfehlungen

Ich komme zu meinem fünften Thema, dem letzten meines Vortrags. Die Befunde zum Status quo des Dialogs zwischen Gesellschaftswissenschaften und Praxis legen eine Reihe von Empfehlungen nahe. Ich begnüge mich an dieser Stelle mit drei Anregungen:

Die erste Empfehlung mahnt zur Bescheidenheit. Ein gelingender Dialog ist nur schwer zu realisieren und nur unter einer Reihe von recht anspruchsvollen Bedingungen. Insoweit ist Skepsis gegen allzu forsche Ansprüche an Dialog und Dialogförderung angesagt. Viel ist schon gewonnen, wenn die Dialogchancen in sachlicher und räumlicher Hinsicht über den Status quo hinaus erweitert, vertieft und intensiviert werden können.

Meine zweite Empfehlung ist diese: Es sollte auf die Variation der Dialogbeteiligung geachtet werden. Die Dialogbeteiligung ist von Praxisfeld zu Praxisfeld und von Wissenschaft zu Wissenschaft unterschiedlich groß. Manche Wissenschaftsdisziplinen sind im Dialog mit der Praxis stärker etabliert als andere: Die Wirtschaftswissenschaft ist – siehe allein den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung – erheblich stärker etabliert als die Sozialwissenschaften. Und die Rechtswissenschaft hat mit ihrem Gegenstand Recht ein Medium zum Gegenstand, das in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft von zentraler Bedeutung ist und dem Fach Rechtswissenschaft von vornherein eine funktional viel größere Bedeutung verschafft, als das die Sozialwissenschaften von sich behaupten können.

Das regt eine dritte Empfehlung an, diesmal an die Adresse der Schader-Stiftung. Die Schader-Stiftung sollte erwägen, bei ihrer Förderung des Dialogs zwischen Gesellschaftswissenschaften und Praxis den Kreis der berücksichtigten Disziplinen zu erweitern. Hauptkandidaten sind jene Disziplinen, die auch in der Systematik der Forschungsförderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft nahe bei den Gesellschaftswissenschaften liegen, und die jene Medien analysieren, die die Politik bei ihren Steuerungsbestrebungen hauptsächlich verwendet: Recht und Geld. Hauptkandidaten für eine stärkere Berücksichtigung in der Schader-Stiftung wären demnach – und damit will ich schließen – erstens die Rechtswissenschaft und zweitens die Wirtschaftswissenschaft.

Fußnoten

1 Im Sinne vor allem der sozialwissenschaftlichen Disziplinen Soziologie, Politikwissenschaft und Kommunikationswissenschaft, mitunter aber mit Blick auf benachbarte „Verhaltenswissenschaften“ – um die Fächersystematik des „DFG-Fördereratlas“ zu zitieren, insbesondere auf die Rechts- und die Wirtschaftswissenschaft.

2 Im Sinne von Praxisfeldern in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.

3 Kielmansegg, Peter Graf: Einleitung, in: Heidelberger Akademie der Wissenschaften (Hrsg.): Politikberatung in Deutschland, Wiesbaden 2006: VS, S. 9-16.

4 Vgl. für viele andere Weingart, Peter: Die Stunde der Wahrheit? Vom Verhältnis der Wissenschaft zu Politik, Wirtschaft und Medien in der Wissensgesellschaft, Weilerswist: Velbrück Wissenschaft, ferner Strohmeier, Peter 2010: Verwissenschaftlichte Politik und politisierte Wissenschaft. Vortrag auf dem Tutzinger Forum Wissenschaft, 30.1.2010.

5 Vgl. nur Plickert, Philip: Professoren im Protestmodus, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 215, 16.9.2013, S. 17.

6 Leibfried, Stephan / Müller, Rainer / Schmähl, Winfried / Schmidt, Manfred G.: Thesen zur Sozialpolitik in Deutschland, in: Zeitschrift für Sozialreform Jg. 44 (1998), H. 8, S. 525-569, Zitat S. 561.

7 Das war kein Einzelfall, vgl. Kloten, Norbert: Wissenschaftliche Beratung der Politik: Befund und Auftrag, in: Heidelberger Akademie der Wissenschaften (Hrsg.), Politikberatung in Deutschland, Wiesbaden 2006: VS, S. 123-145.

8 Deutschlands Zukunft gestalten. Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD 18. Legislaturperiode, Berlin (27.11.2013), S. 68.

9 Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 206, 5.9.2013, S. 1 und S. 11.

10 Strohmeier, Peter: Verwissenschaftlichte Politik und politisierte Wissenschaft. Vortrag auf dem Tutzinger Forum Wissenschaft, 30.1.2010, S. 4.

11 Peter Rohrschneider, Manuskript, S. 5.

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