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#Freiheit?

Artikel vom 18.06.2020

Foto: shutterstock

Wir sollten genötigt werden, uns zu interessieren. Ein Blogbeitrag von Cedric Faust.

Soziologie studieren wollen ist nicht ganz leicht.

Mein Vater meinte damals aufrichtig interessiert „mal gucken was das wird“ und spätestens nach Mitte des ersten Semesters an der Uni lernt man schnell die begrenzte Mannigfaltigkeit kennen, mit der sich die Wörter „Soziologe“ und „Taxi“ als „Pointe“ zusammenbringen lassen. Kurzum: Die typische Karriere wird es nicht mit dieser Gesellschaftswissenschaft. Doch wieso überhaupt nimmt man sich dieser ganzen frustrierenden Probleme und Ungerechtigkeiten der Gesellschaft an? Für das große Geld lohnt es sich wohl eher nicht. Diese letztere Vermutung wurde mir auf ernüchternde Weise in meinem Praktikum bestätigt. Und zwar durch das Verfolgen einer aufschlussreichen Veranstaltung im Schader-Forum, die sich den Arbeitsbedingungen der Wissenschaft an deutschen Hochschulen widmete. Hier lernte ich, dass die Wissenschaft, allen voran junge Geisteswissenschaftler*innen, zunehmend in den Genuss der wirtschaftlichen Tugenden Flexibilität, Freiheit und Effizienz kommen dürfen. Aber auch: Unsichere Berufsperspektiven, unberechenbare Karrierewege und Prekariat. Welche Seite der Münze man zu Gesicht bekommt, hat man  selbst in der Hand, meine ich. Man muss sich nur für etwas interessieren, was auch die wirtschaftliche Effizienz interessiert, ganz einfach! Wer will schon an eine Hochschule, wenn man Werbung machen kann? „Zusammen Geldverbesserer!“, der neue Werbeslogan einer Kreditbank, die doch ganz gut den Zeitgeist trifft.
 

Ja, Wissenschaft steht in der Verantwortung, nicht bloß für das Bücherregal im Elfenbeinturm zu schreiben. Doch wann nimmt die wirtschaftliche „Freiheit“ der Wissenschaft die Freiheit, ihrer Verantwortung nachzukommen? Die Wissenschaft der Gesellschaft kann nicht ohne aufrichtiges Interesse existieren, genau das macht diese ja so besonders. Der Markt kann Antworten geben, aber die Gesellschaft muss die Fragen stellen! Und ich habe die Sorge, dass wir gesellschaftlich das Fragenstellen verlernen, unter einem Druck von Idealen und Strukturen, die überproportional die ökonomische Seite des Menschen betonen. So wirkt es zumindest, wenn ich von einer „Flexibilisierung“ der Arbeitsverhältnisse der Gesellschaftswissenschaften höre. Wirtschaftlich effizientes gesellschaftliches Interesse in einem Satz erscheint mir hierbei mehr paradox als durchdacht. Ich fände es sehr schade, wenn wir in einer Gesellschaft des materiellen Überflusses nichts Besseres mit uns anzufangen wissen, als aus Zeit Geld zu machen. Wenn Zeit Geld ist, raubt Geld den Platz für Größeres und dies betrifft die Wissenschaft, das Individuum und folglich auch den Diskurs.
 

Ja, vielleicht handelt es sich hier aber weniger um eine Frage des guten Willens, sondern mehr um eine Frage der Ressourcen? Vielleicht haben wir gesellschaftlich aber auch ein eindimensionales Verständnis von Ressourcen. Wissen zum Beispiel. Lehrt uns die Schule nicht, dass wir hauptsächlich effizient und nebensächlich interessiert lernen sollen? Schließlich hängen unsere ganze Zukunft, unser sozialer Status und unsere politische Durchsetzungskraft von unseren Noten ab. Ist es vielleicht sogar so, dass man nicht nur Glück haben muss, sich für das wirtschaftlich Effiziente zu interessieren, sondern vielleicht auch genötigt werden sollte zu lernen, sich für wirtschaftliche Effizienz zu interessieren? Ich meine: Um glücklich zu sein, muss man die Chance bekommen, unsere Welt und das Wissen darüber entdecken können. Sich aufrichtig und frei von effizienzbetonter Zweckrationalität dafür interessieren zu können. Und um glücklich zu bleiben, muss man sich für den Anderen, das Miteinander, die Gesellschaft und die Themen in deren Diskurs interessieren und nicht ausschließlich für die individuelle ökonomische Situation. Und das braucht Platz! Einen Platz den wir schon unseren Kindern mit einem eindimensionalen gesellschaftlichen Menschenbild nehmen. Arbeiterbienen auszubilden nimmt alle Wahrheit aus dem Leben, schließlich meine ich doch, ist der Mensch das Maß aller Dinge, und nicht der Materialismus dieser Welt und auch nicht die Effizienz, der Effizienz wegen.

Vielleicht sollten wir uns trauen, unser Interesse ernst zu nehmen, gerade als Gesellschaftswissenschaftler in einer Welt, die von sozialen Problemen trieft, auf die kein wirtschaftliches Denken eine Antwort weiß. Doch die Frage, wann wirtschaftlicher Druck durch wirtschaftliche Ideale beginnt, dem Interesse für gesellschaftliche Probleme Steine in den Weg zu legen, kann nicht nur aus der Perspektive der Gesellschaftswissenschaft betrachtet werden. Für mich ist es längst ein demokratisches Problem: Demokratie lebt vom Diskurs und wie soll ein Diskurs leben, wenn dem Individuum die Freiheit und der Raum genommen wird, sich für die Welt, die Menschen darin und somit für ein solidarisches Miteinander interessieren zu dürfen? Ich zumindest bin mir ziemlich sicher, dass der Mensch größer ist als die 16 Stellen seiner persönlichen Sparkassen-IBAN.

von Cedric Faust, ehem. Praktikant der Schader-Stiftung.

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