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Der Hintergrund im Rampenlicht.

Artikel vom 09.02.2021

Foto: shutterstock

Politikwissenschaftliche Beiträge in der öffentlichen Debatte. Ein Blogbeitrag von Claudia Ritzi und Armin Schäfer.

Politikwissenschaft und mediale Öffentlichkeit

Politikwissenschaftliche Expertise wird von den Medien häufig nachgefragt – und auch verschiedene Förderlinien legen großen Wert darauf, dass Forschungsprojekte in den Dialog mit der Öffentlichkeit treten. Und in der Tat: Zu vielen aktuellen Themen, wie etwa den Protesten im Kontext der US-Präsidentschaftswahl, der Führungsfrage in der CDU oder den Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie können Politikwissenschaftler*innen umfangreiches Hintergrundwissen und interessante Analysen anbieten. Dennoch unterscheidet sich wissenschaftliche Expertise in mancherlei Hinsicht von der tagesaktuellen Berichterstattung. Diese folgt andere Logiken und setzt andere Schwerpunkte. Die Stärken der Politikwissenschaft liegen darin, Strukturen und Institutionen zu verstehen und zu bewerten, vergleichend zu arbeiten und langfristige Trends in den Blick zu nehmen. Am Beispiel der Populismus-Forschung soll dies im Folgenden verdeutlicht werden.

Orte und langfristige Entwicklungen

Politik findet zwar immer an einem konkreten Ort statt, aber um sie zu erklären, ist der Vergleich verschiedener Länder, Regierungs- und Parteiensysteme zentral. Denn nicht alle Entwicklungen lassen sich auf nationale Befindlichkeiten oder spezifische Merkmale eines Lands zurückführen. Politikwissenschaftliche Forschung arbeitet deshalb häufig vergleichend, selbst wenn vordergründig nur ein Land in den Blick genommen wird. Wer den Aufstieg rechtspopulistischer Parteien verstehen möchte, sollte sich beispielsweise nicht zu lange bei nationalen Sonderwegen aufhalten, sondern auch nach Faktoren suchen, die in unterschiedlichen Gesellschaften anzutreffen sind. Dazu gehören beispielsweise die nachlassende Bindungskraft der Volksparteien, verstärkter grenzüberschreitender Wettbewerb, zunehmende Migration sowie das Gefühl in Teilen der Bevölkerung, politisch nicht repräsentiert zu sein.

Politikwissenschaftliche Forschung nimmt außerdem meist langfristige Entwicklungen in den Blick, während die öffentliche Aufmerksamkeit sich eher auf aktuelle Ereignisse richtet. Interessanter als kurzfristige Schwankung bei Umfragen ist aus politikwissenschaftlicher Sicht beispielsweise, wie sich der Stimmenanteil populistischer Parteien seit den 1980er Jahre in den westeuropäischen Ländern entwickelt hat – und warum es nennenswerte Unterschiede zwischen diesen Ländern gibt.

Sonntagsfragen und fundierte Antworten

Wir alle lieben exakte Vorhersagen. Beim Wetter, bei Staus und auch bei Wahlen – und am liebsten sollen diese Vorhersagen vier Wochen im Voraus vorliegen. Umso enttäuschender schien die Vorhersagekraft der Demoskopen hinsichtlich der Wahlergebnisse bei den zurückliegenden Landtagswahlen. Doch den Wunsch nach exakter Vorhersage kann die Politikwissenschaft nur begrenzt erfüllen. Die Sonntagsfrage, die in schöner Regelmäßigkeit als punktgenaue Vorhersage des Wahlergebnisses missverstanden wird, beruht auf einer Stichprobe, bei der rund 1.000 zufällig ausgewählte Personen befragt werden, darunter viele Unentschlossene oder Spätentscheider. Möchte man von dieser kleinen Anzahl Befragter auf die riesige Gruppe der Wähler*innen schließen, wird dies nur näherungsweise gelingen. Deshalb ist es in der Politikwissenschaft üblich, einen Bereich zu benennen, in dem der gesuchte Wert mit hoher Wahrscheinlichkeit liegen wird. Bei Wahlumfragen sind Abweichungen von drei Prozentpunkten realistisch. Legt eine Partei in einer Umfrage um einen Prozentpunkt zu, liegt dies im Bereich der Unsicherheit und ist keine Schlagzeile wert. Auch über Koalitionsbildungen, die Auswirkungen eines höheren Frauenanteils in Parlamenten auf politische Entscheidungen oder den Zusammenhang von Wirtschaftswachstum und Unterstützung der amtierenden Regierung lassen sich nur Wahrscheinlichkeitsaussagen treffen: Manche Ergebnisse treten eher als andere ein, aber es wird immer Einzelfälle geben, die von diesem Muster abweichen. Unsicherheit und Ambivalenzen sind bei (politik-)wissenschaftlicher Forschung unvermeidbar – werden aber öffentlich selten transportiert.

Häufig werden Politikwissenschaftler*innen auch um Stellungnahmen gebeten. Sie sollen beispielsweise einordnen, ob populistische Parteien gut oder schlecht für die Demokratie sind. Solche Einschätzungen nehmen auf anspruchsvolle politikwissenschaftliche Theorien Bezug. Doch verschiedene Theorien können – wohl begründet – unterschiedliche Antworten nahelegen. Dies gilt es bei der Reflexion über die jeweiligen Einschätzungen zu berücksichtigen.

Politikwissenschaftliche Forschung kann häufig nicht sofort fundierte Antworten auf neue Phänomene geben. Sie interessiert sich auch nicht für jeden Machtkampf. Sie „tickt“ nicht immer gemäß der massenmedialen Logik. Sie spürt aber Muster in der Fülle scheinbar unverbundener Einzelereignisse auf, weitet den Blick auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Ländern, beschäftigt sich mit langfristigen Trends und philosophischen Argumenten und bewertet manchmal auch ganz nüchtern, ob sich hinter statistischen Schwankungen mehr als bloßer Zufall verbirgt. Mit diesem Wissen kann sie – ohne Zweifel – einen wertvollen Beitrag zur öffentlichen Debatte leisten.


von Prof. Dr. Claudia Ritzi und Prof. Dr. Armin Schäfer
weitere Infos: Ausschreibung zum "Lehrpreis Politikwissenschaft" der Deutschen Vereinigung für Politikwissenschaft (DVPW) und der Schader-Stiftung.
 

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