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Die Welt wird Stadt. Perspektiven und Herausforderungen urbanen Zusammenlebens

Artikel vom 16.04.2015

Shanghai: Traditionelles Quartier in der Altstadt. Im Hintergrund die Wohntürme der Moderne. Foto: Michael Peterek

Der Übergang vom 20. in das 21. Jahrhundert markiert einen Wendepunkt in der Geschichte der Menschheit. Erstmals leben weltweit mehr Menschen in Städten als auf dem Lande – im Jahr 2014 nach Angaben der Vereinten Nationen bereits 54 Prozent. Einhundert Jahre zuvor betrug dieser Anteil gerade einmal fünfzehn Prozent. Er wird sich in den kommenden Jahren weiter rapide zu Gunsten der Städter verschieben. Von Michael Peterek

Die Megastädte Afrikas, Asiens und Lateinamerikas

Während Urbanisierung und Metropolisierung noch vor wenigen Jahrzehnten vorrangig als Phänomene der so genannten „entwickelten“, industrialisierten Welt betrachtet wurden, haben sich zwischenzeitlich die Positionen radikal verschoben. Aus einer eher peripheren Lage heraus avancierten die Metropolen Afrikas, Asiens und Lateinamerikas, zu den – global gesehen – zentralen Schauplätzen, an denen sich heute Stadtentwicklung in großem Umfang vollzieht. Dies betrifft zunächst einmal die quantitativen Aspekte, die für mitteleuropäische Maßstäbe kaum vorstellbare Größenordnungen und Beschleunigungswerte erreichen. Vielerorts ist die Megastadt mit 10, 20 oder mehr Millionen Einwohnern fast schon zum „Normalfall“ geworden. Der Ballungsraum von Mexiko-Stadt, im Jahr 1900 noch 400.000 und 1950 3,5 Millionen Einwohner, zählt heute über 25 Millionen – mit steigender Tendenz. Damit eng verknüpft sind aber auch entscheidende qualitative Veränderungen, die zu neuen Mustern von Siedlungsformen und sozialem Zusammenleben führen, für die es bislang keine Vorbilder gibt.

Gleichzeitig lässt die fortschreitende Globalisierung mit weltumspannendem Warenaustausch, einer grenzenlosen Finanzspekulation, aber auch Ferntourismus und Armutsmigration, vormals weitläufig erscheinende Distanzen schrumpfen. Demografische, ökonomische, ökologische und soziale Herausforderungen sind längst nicht mehr lokal eingrenzbar, sondern stellen, unabhängig von ihrem originären Entstehungszusammenhang, über den Erdball hinweg globale Bedrohungen dar. Vor diesem Hintergrund sind Stadtplanung und Stadtforschung mehr denn je gefragt, Konzepte zur Gestaltung künftiger Formen menschlichen Zusammenlebens in Städten zu entwickeln.

Öffentliche Bereiche als soziale Lebensräume

Hochhausquartiere für eine wachsende Stadt. Foto: Michael Peterek

Die in der Ausstellung „Urban Views“ präsentierten künstlerischen Impressionen schärfen unsere Blicke für die zeitgenössischen urbanen Phänomene und werfen zentrale Fragen in Hinblick auf deren Zukunftsfähigkeit auf.

In Anbetracht der stereotypen Stapelung identischer Wohnzellen in Hongkong, Shanghai und anderen asiatischen Megacities wirken die Blicke in die Stadträume der klassischen Metropole New York fast schon beschaulich und vertraut. Durch Gebäude gefasste Straßenräume und belebende Nutzungen in den Erdgeschossen, die zum Verweilen einladen, evozieren die Frage, wie wir in den Stadträumen, die wir durch Neuplanungen erzeugen, künftig leben und uns bewegen wollen. Denn lebenswerte Städte und Quartiere manifestieren sich vorrangig auch in ihren öffentlichen (Zwischen-)Räumen. Städte, die uns als qualitätsvoll in Erinnerung haften, sind meist Städte mit klar ausgeprägten öffentlichen Bereichen. Hat der öffentliche Raum als ein für alle Bevölkerungsgruppen gleichermaßen zugängliches und nutzbares Gut überhaupt noch einen Platz in einer vorrangig durch ökonomische Interessen und technokratische Planungskonzepte determinierten Stadt der eigenschaftslosen Wohnsilos? Auch wenn die reale Welt oft ernüchternd sein mag, eine sozial verantwortliche Stadtplanung hat physische Identität zu schaffen, einprägsame Orte als soziale Lebensräume und Grundlage für individuelle Orientierung und Beheimatung.

Informelle prozessorientierte Urbanisierung

Trotz moderner Hochhausquartiere und Luxussiedlungen, die keinen Unterschied mehr erkennen lassen, ob sie in einer Stadt der Ersten oder der Dritten Welt lokalisiert sind, vollzieht sich ein Großteil der globalen Urbanisierung nach wie vor informell, das heißt, in Eigeninitiative und am offiziellen Planungsapparat vorbei. Längst stellen diese „Selbstbauquartiere“ keine Ausnahme mehr dar, sondern oftmals den einzigen Weg einer Wohnraumversorgung für die einkommensschwache Bevölkerung. Der Begriff Slum greift vielfach zu kurz. Stattdessen überraschen trotz aller existentiellen Probleme die Vitalität und Dynamik, die in permanenten Entwicklungs- und Veränderungsprozessen ihren Ausdruck finden. In wenigen Jahren kann aus einer provisorischen Hüttensiedlung ein konsolidiertes Stadtquartier werden. Die bunten Eindrücke aus Istanbul stehen für eine solche Vielfalt an individueller Ausdruckskraft. Sie lassen die Stadtforschung nach den Potentialen von Selbstbestimmung und Selbstorganisation fragen und ob diese Quartiere mit ihrem eher prozess- als ergebnisorientierten Charakter vielleicht besser als manches Modell einer förmlichen Planung den individuellen und kollektiven Bedürfnissen ihrer Bewohner entsprechen.

Potenziale für „grüne“ Infrastrukturen

Zwischen den Betontürmen der Moderne versucht das Grün mühevoll seinen Platz zu behaupten. Die Umwelt- und Klimarelevanz von städtischen Freiräumen und Natur ist längst erkannt und „Green City“ fast zu einem Modebegriff avanciert, auch wenn ihre Umsetzung noch weite Wege vor sich hat. Es bleibt ein zentrales Forschungs- und Anwendungsfeld maßgebliche Potentiale aufzuspüren, die aus einer konsequenten Realisierung von „grünen“ Infrastrukturen, unterschiedlichen Formen urbaner Landwirtschaft, lokaler Energiegewinnung, nachhaltigem Ressourcenmanagement und einer ökologischen Kreislaufwirtschaft resultieren.

Dezentrale Quartiere der „kurzen“ Wege

Die alltägliche (Zwangs-)Mobilität stellt eine der größten Herausforderungen in den sich über Hunderte von Quadratkilometern erstreckenden Ballungsräumen dar. Stundenlange Reisezeiten, Tag für Tag, absorbieren einen Großteil auch der menschlichen Energien. Die lange Zeit dominante Vision einer autogerechten Stadt als Zukunftsverheißung für alle hat vielerorts längst zum Komplettstillstand geführt. Gefragt sind nicht allein innovative (öffentliche) Mobilitätsmodelle, wie etwa die Seilbahnkonzepte in den Favelas von Rio oder Medellín, sondern auch eine grundsätzliche andere Organisation der (Mega-)Stadt: eher dezentral, mit lebenswerten Quartieren, in denen man nicht nur wohnen, sondern auch arbeiten, sich erholen, sich austauschen kann – Stadtteile der „kurzen“ (und nicht der langen) Wege, mit Alltagsräumen, die Identität stiften und in denen wir als soziale und kulturelle Gemeinschaften nachhaltig zusammenleben können.

Der Autor: Prof. Dr.-Ing. Michael Peterek lehrt Städtebau und Entwerfen an der Frankfurt University of Applied Sciences, wo er seit 2008 auch die Studiengangsleitung des Internationalen Masterstudiengangs „Urban Agglomerations“ sowie die Koordination des Schwerpunkts Stadtplanung im Masterstudiengang „Umweltmanagement und Stadtplanung in Ballungsräumen“ wahrnimmt.

Der Beitrag erschien zuerst im Katalog der Ausstellung „Künstlertourist: Urban Views", die vom 17. April bis 6. September 2015 in der Galerie der Schader-Stiftung gezeigt wurde.

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