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Welchen praktischen Herausforderungen steht der Sozialstaat gegenüber?

Artikel vom 29.11.2013

„Dass die Politik die demographischen Veränderungen nach Möglichkeit ignoriert oder verharmlost, ist vielleicht die schwerste praktische Herausforderung des Sozialstaats.“ Eindrücke aus einem Workshop der Schader-Stiftung mit Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Franz-Xaver Kaufmann (Bonn).

Impuls zum Workshop

1. „Die wichtigsten Ziele des ‚Sozialstaats‘ sind: Hilfe gegen Not und Armut und menschenwürdiges Existenzminimum für jedermann; mehr Gleichheit durch den Abbau von Wohlstandsdifferenzen und die Kontrolle von Abhängigkeitsverhältnissen, mehr Sicherheit gegenüber den ‚Wechselfällen des Lebens‘, und schließlich wirtschaftliche Verhältnisse, die eine allgemeine Wohlstandsteilhabe ermöglichen.“1

2. Soziale Teilhabe als sozialwissenschaftlicher Leitbegriff der Sozialpolitik lässt sich in vier Dimensionen operationalisieren: Rechte, Ressourcen, Gelegenheiten und Kompetenzen.2

3. Die politischen Auseinandersetzungen beschränken sich in der Regel auf die Dimensionen von Recht und Geld, deren Verteilung sich politisch am leichtesten steuern lässt. Die Hauptursachen sozialer Ungleichheit liegen heute jedoch in den Dimensionen Gelegenheit (zum Beispiel Zutritt zu qualifizierten sozialen Diensten) und Kompetenzen (zum Beispiel die digitale Spaltung der Gesellschaft).

4. Die größtmöglichen Erträge sozialer Aufwendungen versprechen Interventionen zur Förderung von Kindern und Jugendlichen. Die Sicherung eines ordentlichen Erwerbs der deutschen Sprache bis zum Schulbeginn ist die unerlässliche Voraussetzung, um kumulierenden Benachteiligungen vorzubeugen. Investitionen in frühkindliche Förderung und Kompensation schulischer Defizite versprechen eine bessere Entwicklung der Humanvermögen als Voraussetzung volkswirtschaftlicher Produktivität. Sie reduzieren aber auch die Aufwendungen zum Unterhalt derjenigen, die aufgrund fehlender Kompetenzen keine dauerhafte Arbeit finden.

5. In Deutschland wird jedoch die Bildungspolitik häufig nicht zur Sozialpolitik gezählt und wird theoretisch und praktisch vernachlässigt, weil sie nicht Aufgabe des Bundes, sondern der Länder ist.

6. Unter Verteilungsgesichtspunkten stellt das demographische Kippen der Generationenbalance den absehbaren Hauptkoniktpunkt im Sozialstaat dar. In den 1990er Jahren hat der Anteil der 60- und Mehrjährigen denjenigen der unter 20-Jährigen überholt, und die Schere öffnet sich bis ca. 2050 immer deutlicher. In den kommenden zwei Jahrzehnten steigt der Anteil der 60-Jährigen im Verhältnis zu den 20- bis 60-Jährigen unter einigermaßen realistischen Annahmen um nahezu 50 Prozent. Das ist vor allem auf das Ausscheiden der Baby-Boomer Generationen (ca. 1950-1970) aus dem Erwerbsleben zurückzuführen, verbunden mit einem erneuten rasanten Geburtenrückgang zwischen 1990 und 2006.

7. Bezogen auf die Renten- und Pflegeversicherung, aber auch auf die Leistungen für Beamte, welche die öffentlichen Haushalte noch weit stärker belasten, ist das wahrscheinlichste Szenario eine zunehmende Belastung der erwerbstätigen Generationen, weil es politisch schwieriger erscheint, die Leistungen für die Alten zu reduzieren oder die Lebensarbeitszeit substantiell zu verlängern. Nur eine solche Verlängerung würde aber den Verteilungskonflikt in handhabbaren Grenzen halten.

8. Im sozialstaatlichen Verteilungssystem Deutschlands werden die Kinderlosen nach wie vor erheblich bevorteilt. Wer zwei oder mehr Kinder aufzieht, kann bei normalen Einkommensgrößen kaum mehr „riestern“. Die Investitionen der Familien in das Humanvermögen ihrer Kinder werden kaum anerkannt.3

9. Was die Politik zur Nachwuchssicherung betrifft, so muss vor allzu großen Erfolgserwartungen gewarnt werden. Die Steigerung der Kohortenfertilität um 5-10 Prozent wäre schon ein schöner Erfolg. Mit Rücksicht sowohl auf vorherrschende Neigungen junger Frauen als auch die Bedürfnisse des Arbeitsmarkts führt an einer politischen Präferenz für Kombinationen von Familien- und Erwerbstätigkeit wohl kein Weg vorbei.

10. Aussichtsreicher als eine Politik der Geburtenförderung ist eine Politik der Förderung der einmal geborenen Kinder, was aber vor allem auf Länderebene zu leisten wäre.

11. Eine erhebliche Herausforderung des Sozialstaats stellt der aus demographischen Gründen sehr erwünschte Zustrom ausländischer Arbeitskräfte dar. Untersuchungen zeigen allerdings, dass die Kosten-/Nutzenbalance im Durchschnitt nur für diejenigen Zuwanderer positiv ist, die sich dauerhaft in der Bundesrepublik niederlassen. Hier stellt sich das Problem der sozialen Teilhabe in aller Schärfe dar. Neben der besonderen Förderung der Kinder und Jugendlichen stellt sich hier das Problem einer selektiven Zuwanderungspolitik und insbesondere des Spracherwerbs für die Zuwanderer einschließlich der Ehefrauen.

12. Die hier vorgetragenen Thesen richten sich überwiegend auf Probleme, die nur schwer auf die politische Tagesordnung zu bringen sind und in der aktuellen Praxis leicht von anderen, zumal finanziellen Problemen oder Kompetenzstreitigkeiten überlagert werden. Die demographischen Veränderungen sind jedoch fundamental und entfalten ihre Wucht erst allmählich, der Nachwuchsmangel an Lehrlingen ist erst der Anfang. Dass die Politik sie nach Möglichkeit ignoriert oder verharmlost, ist vielleicht die schwerste praktische Herausforderung des Sozialstaats.

Bericht aus dem Workshop (Verena Fries)

Professor Kaufmann beschreibt in seinem Impuls das Bildungswesen als die zentrale Institution, an der Verbesserungen unbedingt notwendig sind. Im Umgang mit dem demographischen Wandel muss es Ziel sein, nicht die Fertilitätsrate zu erhöhen, sondern die Kinder, die es bereits gibt, besser zu qualifizieren, sodass sich ihre menschlichen Potenziale, ihre Anlagen zu Kompetenzen entwickeln können. Wenn sie kompetent sind, sind sie in der Lage, dies zum Nutzen der Gesellschaft einzusetzen. Deutschland ist eines der Länder, das große soziale Ungleichheiten in den Leistungen der Schüler aufweist und dessen Schulsystem am wenigsten in der Lage ist, die Benachteiligungen, die sich aus den Sozialstrukturen ergeben, zu kompensieren. Das zentrale Problem ist, dass das Bildungswesen in Deutschland Ländersache ist. Die Bedeutung des Föderalismus für die bestehenden Schwierigkeiten darf nicht unterschätzt werden. Auf Bundesebene, wo ein gewisser finanzieller Spielraum besteht, spielen Bildungs- und Schulpolitik kaum eine Rolle, denn aufgrund des Kooperationsverbots ist dem Bund untersagt, sich auf Länderebene an der Bildungsfinanzierung zu beteiligen. Der Bund hat also überhaupt keine direkte Eingriffsmöglichkeit auf schulische und vorschulische Bildungsfragen. An dieser föderalen Zuständigkeitsverteilung ist in den gerade beendeten Koalitionsverhandlungen nichts geändert worden. Die Länder, die noch über einen finanziellen Spielraum verfügen, haben sichergestellt, dass diese alte Regelung bestehen bleibt. Deshalb kann der Bund nur „Betoninvestitionen“ im Bildungsbereich subventionieren, aber weder Dienstleistungen noch Personal fördern. Eine Mobilisierung der Bevölkerung zugunsten von Bildungsausgaben macht in den finanzschwachen Ländern jedoch keinen Sinn, da diese an der Schuldenbremse und an der Überlast von sozialen Ausgaben im politischen Prozess scheitern. Deshalb gibt es nicht nur Unterschiede in den Herkunftsfamilien und den Leistungen der Schüler, sondern auch große Unterschiede zwischen den „reichen“ süddeutschen und den „armen“ Ländern, was die Qualität der Bildung angeht. Einer der Teilnehmenden sieht die föderalen Strukturen nicht als die entscheidende Ebene für die Diskussion, zumal das Nachdenken über eine Finanzverfassung in der Koalitionsvereinbarung verschoben wurde.

Sozialpolitik ist nicht nur eine Frage der Finanzierung

Sozialpolitik wird in der öffentlichen Debatte auf Recht und Geld reduziert. Die eigentlichen Defizite des Systems aber liegen im Bereich der Chancen zur Kompetenz-entwicklung. Als gefährlich wird es bezeichnet, die Diskussionen in der Sozialpolitik nur über das Thema Geld zu führen, weil es neben Transferleistungen andere politische Instrumente gibt. So ist immer auch die Frage zu stellen: Wie kann in Zukunft Leistungsaustausch über Gegenaustausch organisiert werden? Zivilgesellschaftliches Engagement und Ehrenamt – gerade im Hinblick auf veränderte Altersstrukturen – sind dabei ein besonders wichtiges Thema. Gerade ältere Menschen mit viel freier Zeit und eventuell auch ökonomischen Ressourcen sollen soziales Engagement zeigen, besonders an Stellen, wo der Bedarf groß ist – in Schulen, bei jungen Absolventen am Übergang in den Beruf. Die Diskussion auf den finanziellen Aspekt zu beschränken, reicht nicht aus. Diese Sichtweise wird bestätigt, Opportunitäten und Kompetenzen sind genauso Merkmale unserer Lebenslage und müssten demnach genauso Dimensionen sozialpolitischer Intervention sein, was aber wegen der Struktur des Systems kaum der Fall ist. Das wiederum führt zu dem Punkt, dass Schulen die entscheidende Front sind, an der politisch anzusetzen ist. Man braucht wahrscheinlich ein Schulverständnis, in dem es, neben Lehrern, mindestens drei weitere Personen benötigt: Schulpsychologe, Schulsozialarbeiter und Community Worker. Hierzu ist es sinnvoll, das unmittelbare Umfeld einzelner Schulen für diese zu interessieren. Es wird die Frage gestellt, welche Art von Bildung es an den Schulen zu fördern gelte. Bildung und nachhaltige Entwicklung werden als basal erachtet. Es muss darum gehen, das Bewusstsein der einzelnen Person zu stärken, damit sie in der Lage ist, die Verantwortung für ihre Umwelt zu tragen, ohne die Probleme immer nur an die Politik zu delegieren. Zivilgesellschaftliches Engagement – Benachteiligte zu unterstützen – kann an Schulen, außerhalb der Schule oder auch am Arbeitsplatz stattfinden. Es gibt sehr große Ressourcen, die an der Basis aktiviert werden müssen. Die Schule muss als ein Ort in der Gemeinde gesehen werden, an dem es sich zu vernetzen gilt. Das wird als ein Thema genannt, zu welchem die Schader-Stiftung sehr viel Gutes beitragen kann.

Braucht es einen Paradigmenwechsel im Denken und in der Politik?

Einem Teilnehmenden stellt sich die grundsätzliche Frage: Was müsste passieren, um den Paradigmenwechsel im Denken und in der Politik auf Länder- und Bundesebene voranzubringen? – Besonders wenn man bedenkt, dass die Investitionen in die jungen Generationen die effizientesten sind, denn sie bringen die höchste Rendite und reparieren die Schäden, die durch Folgekosten unzureichender Bildung verursacht werden. Diese Kosten überschreiten bei weitem die Bildungsinvestitionen. Das ist, wird angemerkt, allgemein bekannt. Wie wahrscheinlich ist es, dass die Politik zu diesem Wechsel bereit ist, wenn man die Anspruchshaltung einer Wählerschaft beachtet, deren Anteil, der sich ins höhere Alter verschiebt, immer größer wird? Wenn man zudem bedenkt, dass eher Ältere wählen gehen als Jüngere, dann stoßen wir auf ein Problem. Dies setzt ein radikales Umdenken der Politik voraus, welches erfordern würde, sich gegen die Mehrheit der Wählerschaft zu richten. Wie kann man damit umgehen?

Gegen diese Befürchtungen sprechen empirische Studien, so die Gegenrede des Impulsgebers. Ältere Wähler sind nicht konsequent im Verfolgen ihrer Interessen – das ist das Wählermodell, das Politiker im Kopf haben. Diese passen ihr Handeln solchen Vorstellungen an, die nicht den Vorstellungen der Wählerschaft entsprechen. Gerade alte Menschen haben Verständnis dafür – eventuell als Generation der Nachkriegszeit – auch zurückstecken zu müssen. Der angesprochene Determinismus besteht also nicht im Verhalten der Wählerschaft, sondern in den Köpfen der Politiker. Die Frage muss also lauten: Wie kann man das Denken der Politiker umorientieren? Ein Teilnehmer ergänzt, dass man nicht von den Politikern als einem homogenen Kollektiv sprechen kann. Es gibt durchaus bestimmte politische Lager, die Sozialpolitik in erster Linie unter dem Gesichtspunkt von Kosten und Belastung sehen und dabei auf der anderen Seite die Synergieeffekte, die möglichen positiven Entwicklungen von Sozialpolitik auf die Wirtschaftspolitik, auf wirtschaftliche Leistungsfähigkeit – das neue Paradigma der Social Investment Strategy – außer Acht lassen. Wenn dieser Gedanke in den Köpfen der Politiker Platz greift, dass Sozialpolitik und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit keinen grundsätzlichen Gegensatz bedeuten, sondern dass es auch positive Verstärkungseffekte geben kann, dann ist schon viel gewonnen.

Die Einwanderungspolitik muss überdacht werden

Eine weitere Herausforderung für den deutschen Sozialstaat wird in der Einwanderungspolitik Deutschlands gesehen, deren Ausrichtung in den vergangenen Jahrzehnten als restriktiv bezeichnet werden kann. Es gelingt auch heute noch nicht, die Anziehungskraft Deutschlands für Hochqualifizierte zu verbessern. Als positives Beispiel wird hier die Schweiz genannt, die es besser versteht, Hochqualifizierte aus dem Ausland anzuwerben. Die Frage der Einwanderungspolitik ist nicht nur eine finanzielle Frage, sondern insbesondere eine Frage der Strukturflexibilität, der sozialen Flexibilität,der Opportunitäten.

Einer der Teilnehmenden stellt bezugnehmend auf den Vortrag am Vormittag und hinsichtlich der Verteilung von Einkommen und Lebenschancen die Frage, ob nicht in Mitteleuropa und Nordeuropa in den nächsten 15-35 Jahren die gleichen Effekte in ganz anderen Dimensionen auftreten, die derzeit an der Südkante Europas – Lampedusa – zu beobachten sind. Muss Deutschland sich auf eine massive Zuwanderung einstellen? Zu hinterfragen ist, inwieweit diese sozialpolitische Fragestellung schon heute angegangen werden sollte: Was tun wir und was können wir tun?

Wie kann der Sozialstaat in einen Wachstumspakt integriert werden?

Die ökonomischen Voraussetzungen werden bei der Diskussion um Sozialpolitik außen vor gelassen. Im Wesentlichen geht es immer um Verteilung und die Optimierung der Verteilung. Dabei wird die ökonomische Basis des Sozialstaats nicht hinterfragt. Bei der Fragestellung handelt es sich darum, sozialpolitisch relevante Themen mit in einen Wirtschaftswachstumspakt aufzunehmen – dies spielte bei den Koalitionsverhandlungen überhaupt keine Rolle. Der deutsche Sozialstaat hat in dreierlei Hinsicht ein Problem, was die ökonomische Basis angeht: 1. Die Finanzierung wirkt als Bremse für Beschäftigung und mittelbar auch als Bremse für Wachstum. 2. Der Sozialstaat neigt in einigen Feldern dazu, die Grenzen der Belastbarkeit der Wirtschaft zu sehr zu testen, wenn nicht zu überschreiten. 3. Der Verdrängungseffekt: Die Finanzierung der Sozialpolitik besteht zum Großteil aus Beiträgen, die als Abgaben akzeptiert werden. Aber alle anderen Politikfelder, wie Bildung und viele andere, die für Social Investment erforderlich wären, werden aus Steuermitteln bezahlt. Die Finanzierung dieser Sozialen Investitionen müsste über sichtbare und unpopuläre Steuererhöhungen abgedeckt werden. Das ist politisch allerdings sehr schwer bis nicht durchsetzbar. Die Finanzierung dieses Sozialstaats hat Verdrängungseffekte in Bezug auf alle anderen finanzaufwändigen Politikfelder und torpediert alle Empfehlungen für mehr Bildung, mehr Integration, Integrationsförderung und so weiter. Der Sozialstaat, wie er derzeit angelegt ist, ist in dieser Hinsicht ein Problem – kein Förderer.

Die Sozialstaatsfinanzierung bremst das Wachstum, aber hat Sozialstaatlichkeit nicht auch produktivitätsfördernde Aspekte? Als zentraler Aspekt wird der „social investment state“ genannt. Der Wert der Sozialpolitik wurde nie adäquat verkauft. Beispielsweise hatte die Arbeitszeit-Verkürzung auf bis zu acht Stunden am Tag, entgegen der Befürchtungen von Unternehmern, Produktivitätssteigerungen zur Folge. Der sich bereits jetzt abzeichnende Mangel an qualiziertem Nachwuchs wird das Wirtschaftswachstum mindestens genauso beeinflussen wie Sozialausgaben.

Die Relevanz von Arbeitsprozessen für die Funktionalität des Sozialstaats

Im Sozialstaat werden Leistungen in erster Linie in Form von Arbeit erbracht. Man muss in der Diskussion wegkommen von der Ausgabenseite und diese Arbeitsprozesse in den Blick nehmen, so die Meinung. Es stellt sich die Frage, wie diese Arbeitsprozesse gestaltet sind. Sind sie effektiv? Müssen sie optimiert und an die Bedarfe angepasst werden? Wann ist ein Ziel erreicht? Muss man vielleicht die Logik der eigenen Systeme aufbrechen? Als Beispiel wird hier das Programm „Soziale Stadt“ genannt. Man hat sich in der Benachteiligung „gut eingerichtet“. Es geht immer um Bündelung und Zusammenarbeit der Kräfte innerhalb der Kommunen. Wenn es verschiedene Partner gibt, dann muss es eine gemeinsame Sprache geben – hier wird ein Feld gesehen, in dem die Stiftung tätig werden kann. Ministerien sprechen eine andere Sprache als Unternehmen oder als Schulen, sollen aber eng kooperieren. Solange für die einzelnen Organisationen keine anderen Zielzuschreibungen als die eigenen Erfolgskriterien festgesetzt werden, bleiben die Zusammenarbeit und das Erreichen eines gemeinsamen Ziels weiterhin problematisch – alle beteiligten Organisationen verfolgen ein eigenes Interesse. Braucht man eventuell mehr Zwang zur Kooperation?

Als Beispiel wird die Rütli-Schule in Berlin genannt, in deren Umkreis es eine Vielzahl von Projekten gibt, mit denen die beteiligten Akteure als vorbildlich erachtete Ziele verfolgen. Die Ergebnisse dieser Projekte allerdings sind wenig positiv, so ein Teilnehmer. Seine Idee, wie solche Projekte möglicherweise erfolgreicher gestaltet werden können, ist, alle Akteure an einem Tisch zu versammeln und zu fragen, was die Zielsetzungen sind. Wie kann man gemeinsam Probleme lösen? Was kann man besser machen? Wer bringt welche Kompetenzen in die Zusammenarbeit mit? Gleichzeitig geht es darum, mit den Geldgebern in Kontakt zu treten und gemeinsam festzulegen, welche Mittel zur Verfügung stehen und wo diese hinießen sollen. Eine konkrete gemeinsame Zielsetzung ist Voraussetzung, um Indikatoren zu setzen.

Aufgabe der Stiftung kann es sein, modellhaft ein Problem auszuwählen und dieses zu analysieren. Wer sind die Beteiligten, welche finanziellen Mittel stehen zur Verfügung, was ist der Effekt, was der Erfolg und was kann man besser machen – das sind die zu hinterfragenden Aspekte. Dann soll die Stiftung mit den Akteuren diskutieren und Indikatoren und Zielsetzungen formulieren.

Professor Kaufmann hält fest, dass die Schwäche des Denkens darin liegt, dass man meint, man müsse nur von einem Zustand A zu einem Zustand B kommen und das Problem sei gelöst sobald Zustand B erreicht ist. Die Idee, dass politische Systeme lernende Systeme sind, wurde bereits vor etwa 30 Jahren diskutiert. Wie man diese Lernfähigkeit und Flexibilität steigern kann, scheint in Deutschland mit einem hohen Grad der Verrechtlichung und dem Glauben an das Recht als dem eigentlichen Ordnungsfaktor der Gesellschaft beschnitten. „Nur wenn man die vier Dimensionen – Recht, Geld, Gelegenheiten und Kompetenzen – gleichzeitig beurteilt, kommt man zu einer Vision, die für ein sozialpolitisches Leitbild geeignet sein kann.“

1 Zacher, Hans F. 2008: Das soziale Staatsziel. Zuerst in: Handbuch des Staatsrechts, hg. von J. Isensee und P. Kirchhof; hier nach Hans F. Zacher: Abhandlungen zum Sozialrecht II, hg. v. U. Becker und F. Ruland. Heidelberg, S. 3-127, Zitat S. 21 f.

2 Kaufmann, Franz-Xaver 2009: Sozialpolitik und Sozialstaat – Soziologische Analysen. 3. Au. Wiesbaden, S. 88 ff.

3 Kaufmann, Franz-Xaver 2005: Schrumpfende Gesellschaft. Vom Bevölkerungsrückgang und seinen Folgen. Frankfurt am Main., S. 193 ff.

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