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Anmerkungen zur stadträumlichen Integrationspolitik

Artikel vom 26.02.2007

Die Bedeutung des Integrationsraums Wohnung und Wohnumfeld nimmt zu. Wie gelingt die Integration von Zuwanderern in den Wohnquartieren vor Ort? Sind Stadtteile mit hohem Ausländeranteil ein Hindernis oder fördern sie vielleicht sogar das friedliche Zusammenleben verschiedener Kulturen? Was können Wohnungsunternehmen und Kommunen tun, um zur sozialen und räumlichen Integration von Migranten beizutragen? Von Christoph Kulenkampff und Gudrun Kirchhoff

Das Verbundprojekt „Zuwanderer in der Stadt“

Die Zukunft unserer Gesellschaft hängt maßgeblich davon ab, dass ihr die Integration vor allem der jungen Zuwanderer gelingt. Dabei soll Integration auf die Befähigung der Zuwanderer zur Teilhabe am wirtschaftlichen, gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Leben unter Wahrung ihrer kulturellen Eigenheiten abzielen. Sie ist eine zentrale politische Aufgabe, die auf Dauer anzulegen ist; Integration ist ein fortwährender Prozess.

Die meisten Zuwanderer leben in den Großstädten und Ballungsregionen Westdeutschlands. Ungeachtet aller Bemühungen, dem entgegenzuwirken, findet eine räumliche Konzentration von Zuwanderern in bestimmten städtischen Wohnquartieren statt. Daran wird sich auch in Zukunft wenig ändern. Eigeninteresse der Zuwanderer, Mechanismen des Wohnungsmarktes und fehlende Steuerungsinstrumente fördern diese Entwicklung.

Anliegen des von 2004 bis 2007 durchgeführten Verbundprojektes „Zuwanderer in der Stadt“ war es daher, Handlungsfelder und Maßnahmen zu ermitteln, die die Integration von Zuwanderern vor Ort, in den städtischen Wohnquartieren, trotz Segregation fördern und das Miteinander der Bewohner positiv gestalten können.

Zu den zentralen Handlungsfeldern zählen unter anderen

  • Schule, Bildung und Spracherwerb vor Ort,
  • Migrantenökonomie und Beschäftigung im Quartier,
  • Partizipation von Zuwanderern,
  • interkulturelle Orientierung und Öffnung der Verwaltung
  • sowie Städtebau und Quartiersentwicklung.

Wie kann Integration trotz Segregation gelingen?

Die soziale und ethnische Segregation in den Wohnquartieren ist mit Blick auf die Integration ihrer Bewohner differenziert zu betrachten. So lassen sich neben negativen Effekten räumlicher Segregation, wie etwa Abschottungstendenzen, auch positive und integrationsfördernde Aspekte beobachten: Die Nachbarschaft von Familie und Landsleuten kann Zuwanderern einen geschützten Raum bieten, der ihnen das Ankommen in der Aufnahmegesellschaft erleichtert. In den sozialen und familiären Netzen finden neu Zugewanderte materielle und immaterielle Hilfen. Ethnische Ökonomien sowie eine auf die kulturellen und ökonomischen Bedürfnisse der Zuwanderer abgestimmte Infrastruktur entwickeln sich leichter bei räumlicher Nähe.

Ungeachtet dessen müssen „Städte darauf hinarbeiten, dass die räumliche Segregation von Zuwanderern – gleich welcher Ursache – nicht zu deren Ausschluss aus der Gesellschaft führt. Räumliche Segregation in benachteiligten und benachteiligenden Quartieren darf nicht zum Integrationshemmnis werden“ (Verbundpartner „Zuwanderer in der Stadt“, 2005: Empfehlungen zur stadträumlichen Integrationspolitik, S. 21).

Die Kommunen messen der Integration von Zuwanderern als einer der größten Herausforderungen für die Zukunft der Städte häufig noch zu geringe politische Bedeutung bei. Sie bleibt eine Art lokale Fach- oder Klientelpolitik ohne übergreifenden Status.

Integrationspolitik benötigt Führungsverantwortung und politische Legitimation. Basis für die Integrationsarbeit vor Ort sollte ein von den Kommunalparlamenten verabschiedetes integrationspolitisches Konzept sein.

Integrationspolitik ist Querschnittsaufgabe fast aller kommunalen Fachverwaltungen und organisatorisch entsprechend anzusiedeln. Sie muss auf Nachhaltigkeit angelegt sein. Kurzfristige „Strohfeuerprojekte“ verbrennen finanzielle Ressourcen und wirken negativ auf die Motivation und das Engagement der Akteure vor Ort, auf die Integrationspolitik in besonderem Maße angewiesen ist. Stadträumliche Integrationspolitik braucht funktionierende Netzwerke und Kooperationen sowie langfristig ausreichend personelle und finanzielle Ressourcen.

Mit dem Auslaufen von Belegungsbindungen im sozialen Wohnungsbau droht den Kommunen der zunehmende Verlust dieses Instruments zur Belegungssteuerung. Gleichzeitig verändern sich die Bedingungen auf dem deutschen Wohnungsmarkt durch das Agieren internationaler Finanzinvestoren. Mit dem Verkauf kommunaler und öffentlicher Wohnungsunternehmen gehen weitere stadtentwicklungspolitische Gestaltungsinstrumente verloren.

Maßgeblich für Integration sind sozialer Kontakt sowie der Zugang zu Bildung und Arbeit. Mit dem Bedeutungsverlust des Arbeitsmarktes als Integrationsfaktor gehen Kontaktfelder zwischen deutscher und ausländischer Bevölkerung verloren. Das Wohnquartier wird damit zum Schlüssel für Integration. Die Kommunen müssen künftig verstärkt Strategien verfolgen, die eine Aufwertung der Zuwandererquartiere zum Ziel haben, um sie auch für die mittelschichtorientierte Bevölkerung attraktiv zu machen. Insgesamt sind Maßnahmen vorzusehen, die „soziale Aufsteiger“ veranlassen, dort wohnen zu bleiben, anstatt in ein „besseres“ Quartier umzuziehen. Anstelle wenig erfolgversprechender Strategien zur „Verteilung“ und „Mischung“ von Zuwanderern im Stadtgebiet sind „Halte-Strategien“ durch Integrationsmaßnahmen vor Ort angesagt.

Kommunen und Wohnungsunternehmen verfolgen seit Jahren vielfältige Strategien im Rahmen integrierter Stadtteilentwicklung zur Stabilisierung benachteiligter Quartiere, die bauliche, aber auch soziale, kulturelle, beschäftigungswirksame und beteiligungsfördernde Zielsetzungen haben.
Das Bund-Länder-Programm Soziale Stadt hat wichtige Anstöße gegeben, die dafür notwendigen Ressourcen zu bündeln, Netzwerke und Kooperationen vor Ort auszubauen und die Beteiligung der Bewohner als Potenzial zu nutzen. Hier gilt es, stadtentwicklungspolitische mit integrationspolitischen Aufgaben zu verknüpfen und den integrativen Ansatz des Programms auf alle Gebiete mit einem hohen Anteil von Menschen mit Zuwanderungsgeschichte auszuweiten.

Die auf nachhaltige Bewirtschaftung ihrer Bestände ausgerichteten Wohnungsunternehmen haben erkannt, dass Zuwanderer vermehrt zu ihren Kunden zählen, und ihre Unternehmenskonzepte dieser Entwicklung angepasst.

Die Schulung von Mitarbeitern in interkultureller Kompetenz, die Einrichtung von Büros für Gemeinwesenarbeit, Konfliktvermittlungsstellen und Mietertreffpunkte sowie die Unterstützung von Stadtteilprojekten werden dabei als Maßnahmen eingesetzt, um das Zusammenleben von Zuwanderern und einheimischer Bevölkerung zu verbessern. Die Kooperation der Wohnungsanbieter auf Stadtteilebene im Zusammenspiel mit der Kommune kann diesen Prozess insgesamt voranbringen.

Eine besondere Bedeutung für den Integrationsprozess hat das Thema Bildung sowie die Art und Qualität des Bildungsangebotes im Quartier. Erste Voraussetzung für die Überwindung der gerade unter Zuwanderern häufig anzutreffenden Bildungsferne ist die räumliche Nähe eines Bildungsangebotes vom Kindergarten bis mindestens zur Realschule, das in seiner Programmatik und in seiner personellen und materiellen Ausstattung zur Überwindung der Bildungsbenachteiligung von Zuwanderern in der Lage ist: Das Bildungsangebot müsste gerade in Quartieren mit hohem Zuwandereranteil so attraktiv sein, dass es auch einheimische Eltern aus eher bürgerlichen Quartieren der Stadt für ihre Kinder wahrnehmen.

Unter dem Aspekt der quartiersbezogenen „Halte-Strategien“ für „Aufsteiger“ kommt hinzu: Gerade Defizite im Bildungsangebot bewegen viele aufstiegsorientierte Eltern dazu, den Stadtteil zu verlassen.

Zentrale Elemente, um den Zusammenhang von ethnischer Herkunft, sozialem Status des Elternhauses und Verlauf der Bildungskarriere zu durchbrechen, sind vorschulische Fördermaßnahmen, insbesondere zum Spracherwerb, die Einrichtung von Ganztagsschulen, die Öffnung der Schulen zum Stadtteil mit einem übergreifenden, auch die Eltern einbeziehenden Bildungsauftrag und die Zusammenarbeit mit außerschulischen Bildungseinrichtungen. Als Stadtteilschule und „Bürgerzentrum“ können sie einen wichtigen Beitrag zur Stabilität des Stadtteils leisten.

Die wachsenden Potenziale der Migrantenökonomie sind besonders geeignet, Zuwanderern die Teilnahme am Erwerbsleben und damit die Unabhängigkeit von staatlichen Transferleistungen zu ermöglichen. Sie kann darüber hinaus Brückenfunktionen zur Mehrheitsgesellschaft übernehmen und mit ihrer Bedeutung für die Nahversorgung im Stadtteil das Wohnquartier aufwerten.

Die Stadtpolitik sollte daher Migrantenökonomie etwa durch spezifische Beratungs- und Fortbildungsangebote bei Existenzgründungen sowie bei der langfristigen Konsolidierung der Betriebe und durch die Förderung lokaler Ausbildungsverbünde unterstützen.

Zuwanderer müssen im Prozess der Integration als Subjekte agieren können. Sie an der Entwicklung von Integrationsmaßnahmen und -projekten zu beteiligen, ist daher eine wichtige Forderung. Dafür müssen Kommunen die Zuwanderer aber auch als Potenzial erkennen, Raum für ihre Beteiligung schaffen und den Kontakt zu ihnen etwa über Migranten-Selbstorganisationen intensivieren. Multiplikatoren spielen dabei eine wichtige Rolle. Daher ist die interkulturelle Orientierung und Öffnung der Verwaltung von besonderer Bedeutung. Sie hat im Hinblick auf den Prozess der Integration Vorbildfunktion.

Integrationsbedarfe sind abhängig von der Migrationserfahrung des Einzelnen, von seiner sozialen Herkunft, seinen familiären Leitbildern und seinem Bildungsstand. Angebote und Maßnahmen sind bedarfsgerecht zu gestalten. Die Beschäftigung von Mitarbeitern mit interkultureller und mehrsprachiger Kompetenz in den Verwaltungen würde diesen Prozess insgesamt erleichtern.

Ein verändertes gesellschaftliches Klima hat zu einem offeneren Dialog über die Situation ethnisch und sozial segregierter Stadtteile und die Anforderungen an eine zukunftsweisende Integrationspolitik in den Städten geführt. Dies mag zum einen daran liegen, dass sich Problemlagen zuspitzen und die gesellschaftlichen Herausforderungen sichtbarer werden, zum anderen deutet es darauf hin, dass Zuwanderer sich heute mehr in die gesellschaftspolitischen Diskussionen einbringen.

Durch die Einführung des aktiven und passiven kommunalen Wahlrechts für Ausländer, die schon länger in Deutschland leben, könnte diesen legitimen Bestrebungen und der besonderen Bedeutung, die die Integration der Zuwanderer für die Zukunft des städtischen Gemeinwesens hat, Rechnung getragen werden.

Alle Maßnahmen auf der Quartiers- oder Stadtteilebene müssen zum Ziel haben, Migranten den Weg in die gesellschaftlichen Systeme – wie Bildung, Erwerbsarbeit, Gesundheitsvorsorge und politische Teilhabe – zu ermöglichen und eigenständige Perspektiven zu entwickeln. Voraussetzung dafür ist, dass die Migranten selbst eine langfristige Bleibeperspektive haben bzw. haben können. Das Quartier darf keine Sackgasse sein. Dafür sind konkrete Zielvereinbarungen auf Grundlage eines fundierten Wissens über Situation und Problemlagen der Stadtteil- und Migranten-Communities unter Beteiligung aller gesellschaftlichen Gruppen zu erarbeiten. Zur Überprüfung des integrationspolitischen Handelns in den Kommunen sind geeignete Evaluationsverfahren einzusetzen.

Die Autoren: StaSekr. a.D. Rechtsanwalt Christoph Kulenkampff war von 2000 bis 2007 Geschäftsführender Vorstand der Schader-Stiftung und Leiter des Projekts „Zuwanderer in der Stadt“. Dipl. Soz. Gudrun Kirchhoff, seit 2006 Wissenschaftliche Referentin der Schader-Stiftung, war Koordinatorin des Projekts „Zuwanderer in der Stadt“.

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