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Wisch und weg!

Artikel vom 27.09.2021

Foto: shutterstock

Vom Schwindel der Normalität. Ein Blogbeitrag von Ulrike Röttger.

Authentizität

Eine bekannte Journalistin steckt sich in einem Reel auf Instagram nacheinander drei Wattestäbchen in den Mund. Sie macht auf ihrem Account Werbung für Stammzellenspenden. Eine gute Sache! Dass sie es gut findet, muss sie nicht mehr sagen oder schreiben. Sie zeigt es ja. Bilder sagen mehr als 1000 Worte?! Ja, so ist das wohl, wenn aus Journalist*innen Testimonials werden und sie ihre Sicht auf die Welt, ihre Normalität mit den dahinterliegenden Werten veröffentlichen. Die Botschaft kommt ohne Worte aus, wirkt durch Bild und Ton und die Prominenz der Journalistin. Sie vermittelt nicht Fakten, sondern ihr (Er-)Leben. An die Stelle einer recherchierten und anhand professioneller Regeln geprüften Sicht auf Realität tritt die eigene subjektive Realität. Gerade weil sie die Distanz zum Gegenstand aufgibt, wirkt das „Stammzellen-Reel“. Authentizität ist der Schlüssel zum Erfolg. Denn authentisch ist doch gut, oder?  86.700 mal angeklickt, 4.300 mal gelikt. Eine gute Reichweite für ein Thema, das gerade nicht so populär ist wie Coronazahlen und Impfstoff-Infos.  

Emotion

Vor diesem Hintergrund richten sich aus meiner Sicht an Journalist*innen, die ihr eigenes (Er-)Leben über aktuell angesagte Plattformen zur Verfügung stellen und damit Wirkungen erzielen wollen, eine besondere Erwartungen: Sie müssen hier als Spieler*in und Schiedsrichter*in gleichzeitig agieren. Das bedeutet: Immer wieder auch mit Abstand betrachten, was die eigene Normalität, das eigene Wertesystem und die eigene Sicht auf die Welt ausmacht und diese Sichtweise auch vor dem Hintergrund der eigenen Bekanntheit und des eigenen Einflusspotenzials reflektieren. Sie müssen also den Ball im Spiel halten und gleichzeitig auf den erhöhten Schiedsrichter*innenstuhl klettern und beobachten, wie der Ball fliegt, wo er mit welchen Folgen auftrifft, wie er zurückfliegt. Dies gilt umso mehr, weil Beiträge in sozialen Medien, die vor allem aus Bild und Ton bestehen, in besonderer Weise wahrgenommen und verarbeitet werden. Die Kognition wird vergleichsweise wenig angesprochen, die Emotion wird zum Entscheider. Tiktok, wisch und weg: was uns nicht spontan anspricht und gefällt, wird in Sekunden weggeklickt.  

(Er-)Leben

Das eigene (Er-)Leben und damit auch die eigenen Emotionen zur Verfügung zu stellen, verlangt von verantwortungsvollen Journalist*innen, die eigene Rolle und die eigenen Wirkungen kontinuierlich zu reflektieren: Welche fraglos angenommenen Selbstverständlichkeiten, welche Normalitätsannahmen leiten mein Handeln? Denn Normalität ist kein (objektiver) Zustand, sondern ein stark individuell geprägter und sich ständig aktualisierender Prozess.  

Normalität bewegt sich und wir bewegen uns in ihr, wir bilden sie dadurch und gleichzeitig umgibt sie uns. Einer Fahrt im Rhönrad gleich sollten wir uns selbst aufmerksam in diesem Gefährt wahrnehmen. So können wir die Richtung bestimmen. Sich sicher in ihr und mit ihr zu bewegen setzt voraus, nicht nur das Gelände, zum Beispiel die eigenen Zielgruppen, gut zu kennen. Sondern vor allem uns selbst. Die sogenannte Normalität nimmt uns sonst womöglich das Steuer aus der Hand und rotiert nach eigenem Belieben. Unkontrolliert kopfüber kann unser Gleichgewichtsgefühl leiden: der Schwindel der Normalität. 

 

Wie heute in sozialen Medien und in der Öffentlichkeit allgemein über Normalität verhandelt wird, wird Thema eines Dialog-Cafés beim Großen Konvent am 29. Oktober 2021 sein. 

von Ulrike Röttger

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