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Eine Frage der Perspektive

Artikel vom 14.01.2021

Foto: Christoph Rau

Zwischen Pluralismus und Polarisierung. Ein Blogbeitrag von Jens Hübertz.

Das Eigene und das Andere

Der 8. Große Konvent der Schader-Stiftung stand unter dem Motto "Das Erleben der Anderen". Wer oder was dieses andere ist, dass ist selbstredend eine Frage der Perspektive. Klar ist jedoch, dass gesellschaftliche Machtverhältnisse und Mehrheiten viele Menschen zu Anderen machen, die es gar nicht sein wollen. Dieses fremdbestimmte Anderssein sollte - so zumindest der Anspruch, der dem Großen Konvent zugrunde lag - nie Teil einer pluralistischen und demokratischen Gesellschaft sein. Wie schon das Wort Pluralismus verdeutlicht, sollte anders keine negative und ausschließende Zuschreibung sein, sondern selbstverständlicher Teil des alltäglichen Diskurses.

In vielen Aussagen, die ich während des Konvents gehört habe, wurde die Befürchtung geäußert, dass eben diese Akzeptanz des Anderen in der politischen Debatte zunehmend abhandenkommen würde. Häufig wurden eine zunehmende Gereiztheit und spürbare Polarisierung der Gesellschaft diagnostiziert. Diese Polarisierung ist für manche immer schon da, sie ist durch neue digitale Kommunikationswege einfach nur sichtbar(er) geworden. Andere sehen die Polarisierung mit dem Aufkommen radikaler politischer Strömungen verbunden. Für diese Strömungen sind Freund-Feind-Schemata und gesellschaftliche Polarisierung kein Schreckgespenst, sondern genuiner Teil ihrer politischen Strategie. Wie also umgehen mit Polarisierungstendenzen in der Gesellschaft?

Zunächst führt die neue Sichtbarkeit politischer Positionen sicher zu einer widersprüchlichen Situation. Von grobschlächtigen Stammtischargumenten bis zu verworrenen Gesellschaftstheorien, die zuvor die Zirkel kleiner Gemeinschaften kaum verlassen haben, ist alles in Sekundenbruchteilen auffindbar. Das Andere ist sichtbarer als je zuvor, aber dies führt anscheinend nicht zu einer Annäherung an, sondern eher zu einer weiteren Entfremdung von den anderen gesellschaftlichen Positionen. Verstärkt die ständige Sichtbarkeit des Anderen vielleicht das Bedürfnis nach Abgrenzung und Bestätigung des Eigenen?

Wir gegen die Anderen?

Durch die bequeme Verfügbarkeit aller Arten selbst affirmierender digitaler Communities, wird es zumindest immer einfacher, diesem Bedürfnis nachzugehen. Es wird einfacher, Zuspruch auch für abseitige eigene Vorstellungen zu finden und diese als normal wahrzunehmen. Ausgewogene und durchdachte Gegenpositionen tauchen in diesen sogenannten Filter-Blasen nicht auf. Stattdessen tritt das Andere in diesen Diskursen, deren Logik auch teilweise von etablierten Medien wiederholt wird, nur noch in der Form abstruser Extrempositionen auf. Verbreitet, gelesen und skandalisiert werden ausschließlich die Inhalte des politischen Gegners, die sich in ihrer Einfachheit und Absurdität selbst entlarven – und so den eigenen Standpunkt bestätigen.

Für politische Positionen, die die Welt in ein Wir gegen die Anderen aufteilen, sind solche Kanäle und Skandale - wenig überraschender Weise - überaus fruchtbar. Solche Positionen oder Ideologien werden sich nicht auflösen, wenn anders mit ihnen umgegangen wird. Dennoch (oder gerade deswegen) ist es wichtig aus einer pluralistischen Perspektive mit der Logik von Polarisierung und Skandalisierung zu brechen.

Es gilt die Mechanismen polarisierter Debatten aufzuzeigen, anstatt diesen auf der Suche nach dem nächsten Twitter-Skandal noch hinterher zu rennen. Hierzu braucht es eine starke Besinnung auf das Eigene - auf die eigene politische Position, die sich in der bewussten Anerkennung eines Normenpluralismus, der Konstruktion des eigenen Standpunkts bewusst ist. Normenpluralismus heißt dabei nicht Normenbeliebigkeit. Praxen der Reflektion des Eigenen ermöglichen auch das Geworden-Sein des Anderen zu verstehen und so den eigenen Standpunkt zu stärken. Das Andere zu erleben bleibt immer Herausforderung, der aber umso eher begegnet werden kann, wenn das Eigene bekannt ist und es dabei nicht als selbstverständlich wahrgenommen wird.

Die Reflektion des Eigenen ist Selbstzweck gegen die Logik der Polarisierung. Sie soll nicht zwingendermaßen integrativ wirken. Die Gegner einer pluralistischen Gesellschaft werden auch ihre Gegner bleiben – egal wie sich dazu Verhalten wird. Die Reflektion des Eigenen soll helfen, sich frei zu machen von der Suche nach ständiger Bestätigung in Filter-Blasen. Sie soll frei machen vom Bedürfnis ständiger Skandalisierung und dem Austausch halbgarer Argumente in polarisierten und populär-politischen Internet- und Mediendebatten. Eine gefestigte politische Ansicht, die sich ihrer eigenen Position bewusst ist, braucht die Polarisierung nicht. Konsequente und scharfe Kritik kann auch vertreten werden, ohne Schwarz-Weiß-Schema zu bedienen.

Das Denken in Freund-Feind-Schemata mag zwar politisch oft attraktiv oder angebracht erscheinen, dem demokratischen Diskurs hat es jedoch selten genützt. Denn am Ende profitieren von Polarisierung und Freund-Feind-Denken diejenigen Gruppen, die dies immer schon in ihrer politischen Weltauffassung integriert hatten.

von Jens Hübertz, Student an der Goethe-Universität Frankfurt am Main und ehemaliger Praktikant der Schader-Stiftung.

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