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Wohnformen im Alter - Pflegeheim

Artikel vom 30.06.2006

Blick in den Gemeinschaftsbereich einer stationären Hausgemeinschaft (Braunschweig Steinbrecher Straße). Foto: Renate Narten

Angesichts eingeschränkter Selbstbestimmung im Heim und Unsicherheit über die Qualität der Pflege sind viele ältere Menschen bemüht, eine Heimunterbringung so lange wie möglich zu vermeiden. Mit neuen Konzepten der Heimorganisation, wie den Hausgemeinschaften, verknüpfen sich hohe Erwartungen an individuelle Betreuung und eine weitgehend selbständige Lebensführung der Bewohner. Von Renate Narten

Strukturmerkmale der Pflegeheime

Im Dezember 2003 gab es in Deutschland 9.700 Pflegeheime mit insgesamt 684.000 vollstationären Dauerpflegeplätzen. 55 Prozent dieser Heime befand sich in freigemeinnütziger Trägerschaft, 37 Prozent wurden von privaten Trägern geführt. Nur sieben Prozent aller Heime befanden sich in öffentlicher Trägerschaft. Die Heime der privaten Träger waren durchschnittlich kleiner als die der freigemeinnützigen Träger. Insbesondere öffentliche Träger tendierten zu großen Einrichtungen.

Jedem fünften Pflegeheim ist ein Altenheim, Wohnheim oder ein Betreutes Wohnen angegliedert, in dem vor allem solche Menschen leben, die noch keine Leistungen der Pflegeversicherung erhalten.

Der Heimstatistik 2001 ist zu entnehmen, dass sich nur noch zehn Prozent der Heimplätze in sogenannten Wohnheimen befinden, weitere sechs Prozent in Altenheimen. Das Gros der Heimplätze, es sind 84 Prozent, besteht aus Pflegeplätzen (BMFSFJ 2001a). In den letzten zehn Jahren ist eine Tendenz zur Abnahme von Alten- und Wohnheimen zu erkennen. Ihre Funktion wird zunehmend von Einrichtungen des Betreuten Wohnens übernommen. Außerdem steigt der Anteil der Heime in privater Trägerschaft, während der Anteil öffentlicher Träger sinkt (BMFSFJ 2001b:125).

Bewohner und Wohnqualität

Im Dezember 2003 lebten in Deutschland 612.000 pflegebedürftige Menschen dauerhaft in einem Pflegeheim, wobei Bewohner der Pflegestufe 0 nicht mitgerechnet sind. 78 Prozent von ihnen waren Frauen, 45 Prozent waren 85 Jahre und älter, 21 Prozent der Pflegestufe III zugeordnet (Statistisches Bundesamt 2005). Der größte Teil der Heimbewohner hat die Pflegestufe II (45 Prozent), an zweiter Stelle (33 Prozent) stehen Bewohner mit der Pflegestufe I (Kreuz 2004:116).

Die Wahrscheinlichkeit der Unterbringung in einem Heim steigt mit dem Alter deutlich an. Während von den 65- bis 69-Jährigen nur ein Prozent im Heim lebt, liegt der entsprechende Anteil bei den 80- bis 84-Jährigen schon bei acht Prozent, bei den 85- bis 90-Jährigen bei 18 Prozent und bei den 90 Jahre und älteren sogar bei 34 Prozent.

Als Umzugsgründe gelten vor allem (BMFSFJ 2001b:126):

  • erhebliche Verschlechterung der gesundheitlichen Situation, vor allem Demenzerkrankungen,
  • Zusammenbrechen der häuslichen Versorgungssituation, zum Beispiel aufgrund des Ausfalls der Hauptpflegeperson,
  • Unfähigkeit, nach einem Krankenhausaufenthalt wieder selbständig leben zu können,
  • Wunsch nach geeigneter Betreuung,
  • Suche nach Sicherheit bei eingeschränkten Selbstversorgungsfähigkeiten,
  • Wunsch nach besserer sozialer Einbindung,
  • Wunsch, Angehörigen nicht zur Last zu fallen.

Aufgrund verbesserter ambulanter Versorgungsmöglichkeiten in den Privathaushalten ist es älteren Menschen mit körperlichem Pflegebedarf erleichtert worden, in ihren vorhandenen Wohnungen zu verbleiben. Menschen mit stärkerer Demenz sind aber weiterhin vorwiegend auf eine Unterbringung im Heim angewiesen. Berücksichtigt man zusätzlich, dass aufgrund einer steigenden Zahl Hochaltriger auch die Zahl der Demenzkranken in den letzten Jahren deutlich gestiegen ist, so verwundert es nicht, dass auch in den Pflegeheimen der Anteil der Menschen mit Demenz immer weiter steigt. Empirische Untersuchungen haben ergeben, dass inzwischen zwei Drittel der Bewohner von Pflegeheimen eine demenzielle Erkrankung aufweisen, knapp die Hälfte von ihnen in Form einer schweren Demenz (Kreuz 2004:123).

Ein Fünftel aller Pflegeheimbewohner verbringt nicht länger als ein Jahr in dieser Wohnform. Bei einem knappen Drittel beträgt die Wohndauer ein bis drei Jahre und immerhin zehn Prozent leben zehn und mehr Jahre in einem Pflegeheim:

Aufenthaltsdauer in Pflegeheimen 1998

  • 10% - unter 6 Monate
  • 11% - 6 Monate bis unter 1 Jahr
  • 18% - 1 Jahr bis unter 2 Jahren
  • 13% - 2 Jahre bis unter 3 Jahren
  • 18% - 3 Jahre bis unter 5 Jahren
  • 19% - 5 Jahre bis unter 10 Jahren
  • 11% - 10 Jahre und mehr

Aus der Tatsache, dass 79 Prozent der Bewohner von Pflegeheimen länger als ein Jahr dort leben, wird im Dritten Altenbericht abgeleitet, dass es wichtig ist, Heimplätzen einen Wohncharakter zu geben (BMFSFJ 2001b:129). Was unter „Wohncharakter“ verstanden wird, hat sich im Verlauf der letzten Jahrzehnte deutlich verändert. Während sich heute exakt die Hälfte aller Dauerpflegeplätze in Ein-Bett-Zimmern befindet und in 85 Prozent der Bewohner von Pflegeheimen ihre Zimmer selbst möblieren und gestaltet können (BMFSFJ 2001b:131), war dies vor 50 Jahren noch grundlegend anders.

Die vier Generationen des Pflegeheims

Das Kuratorium Deutsche Altershilfe unterscheidet vier Generationen des Pflegeheimbaus seit 1945. Danach wurden in den 50er und 60er Jahren Heime mit einem hohen Anteil Mehrbettzimmer und gemeinschaftlich genutzten Sanitäreinrichtungen nach dem Vorbild der „Verwahranstalt“ gebaut. In den 70er Jahren orientierte sich der Altenheimbau vor allem am Vorbild des Krankenhauses, wobei Hygieneanforderungen im Vordergrund der Überlegungen standen. Diese Heime wirkten häufig steril und boten wenig Privatheit. In den 80er Jahren wurde die dritte Generation des Pflegeheimbaus propagiert, die mehr Wohnlichkeit in Ein-Bett-Zimmern mit angegliederten Aufenthaltsbereichen für kleinere Gruppen von Heimbewohnern bieten sollte. Die Zimmer waren von ausreichender Größe, um unterschiedliche Eigenmöblierungen zuzulassen. Die Gruppenorientierung wirkte dem anonymen Anstaltscharakter früherer Heime entgegen. Angestrebt wurde generell eine Verkleinerung der Heime, eine Gliederung in Wohnbereiche mit überschaubarer Größe sowie eine stärkere Integration der Heime in die Wohngebiete der Gemeinden.

Gegen Ende der 90er Jahre ergriff das Kuratorium Deutsche Altershilfe die Initiative, Erfahrungen aus dem ambulanten Bereich auf die Heimversorgung zu übertragen. Das familienähnliche Zusammenleben von Pflegebedürftigen in Wohngemeinschaften sollte auch im Heim möglich werden. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass auf eine zentrale hauswirtschaftliche Versorgung verzichtet wird und Hausarbeit wieder in das Alltagsleben der Heimbewohner integriert wird. In kleinen Wohngruppen wird gemeinsam gekocht und gegessen, Reinigungsarbeiten werden wie in einem normalen Haushalt in den Tagesablauf integriert. In diesen so genannten „Hausgemeinschaften“ können die Bewohner sich an den Hausarbeiten beteiligen und bestimmen selbst über ihre Mahlzeiten und die Organisation des Tagesablaufs. Diese vierte Generation des Pflegeheims unterscheidet sich also grundsätzlich von den bisherigen Organisationsstrukturen der Heime. Sie zeichnet sich auf der baulichen Ebene dadurch aus, dass die einzelnen Wohngruppen als autarke Einheiten konzipiert werden, deren Herz die große Wohnküche und der zentrale Aufenthaltsbereich sind.

Lebensqualität im Pflegeheim

Beim Überwechseln in ein Heim fürchten viele Menschen den Verlust von Selbständigkeit und Selbstbestimmtheit. Einer Untersuchung aus dem Jahr 1994 zufolge verloren die Heimbewohner ihre Selbstbestimmung vor allem bei der Wahl der Essenszeiten, den Möglichkeiten, Besucher im eigenen Zimmer übernachten zu lassen und Tiere mit in das Heim zu bringen. Auch ein eigener Zimmer- oder Haustürschlüssel wurde den Heimbewohnern häufig verweigert (BMFSFJ 2001b:131).

Selbstbestimmung war möglich bezüglich:

  • 98% - tagsüber jederzeit Besuch bekommen
  • 79% - Weck- und Schlafenszeiten
  • 75% - Verfügung über Bargeld
  • 56% - eigener Zimmerschlüssel
  • 54% - Haustiere möglich
  • 38% - Essenszeiten
  • 36% - Übernachtung von Besuch im eigenen Zimmer
  • 35% - eigener Hausschlüssel

Der Umzug in ein Heim bedeutet häufig auch den Verlust bestehender sozialer Kontakte. Angehörige, Freunde und Bekannte meiden häufig den Besuch im Heim, weil sie sich in der dort herrschenden Atmosphäre nicht wohl fühlen. Nur 11 Prozent der Bewohner hatten 1994 täglich Kontakt zu Verwandten oder Bekannten, 36 Prozent ein oder mehrmals in der Woche. Ein gutes Viertel hatte seltener als einmal pro Woche Kontakt und ein weiteres Viertel so gut wie nie. Entsprechend wichtig werden die neu im Heim entstehenden sozialen Beziehungen. Diese beschränken sich ganz überwiegend auf die Menschen innerhalb der eigenen Station oder des eigenen Wohnbereichs (KDA 1996:183). Aus ambulant betreuten Wohngruppen, aber auch aus stationären Hausgemeinschaft wird dagegen berichtet, dass Angehörige, Freunde und Bekannte selbstverständlich ein- und ausgehen und sich in das Alltagsleben der Gruppe eingliedern.

Es sind aber nicht nur der Verlust an Selbständigkeit und sozialen Kontakten, die Menschen den Einzug in ein Heim schwer machen. Auch die Aussicht, aufgrund der hohen Kosten zum Sozialhilfeempfänger zu werden und damit die Autonomie über seine finanziellen Verhältnisse zu verlieren, ist für viele Menschen schwer erträglich. Die Kosten für einen stationären Heimplatz beliefen sich 2003 in der Pflegestufe III im Durchschnitt auf 2.640 Euro pro Monat. Ein erheblicher Teil der Bewohner von Pflegeheimen kann diese Kosten auch mit Hilfe der Pflegeversicherung nicht selbständig tragen. 1998 waren, trotz einer deutlichen Reduzierung nach Einführung der Pflegeversicherung, immer noch 44 Prozent der Heimbewohner im Westen und 29 Prozent im Osten Deutschlands auf Sozialhilfe angewiesen (BMFSFJ 2001b:133). In dieser Hinsicht gibt es allerdings keine Unterschiede zwischen den stationären Hausgemeinschaften und dem traditionellen Pflegeheim.

Die größten Ängste beim Überwechseln in ein Heim drehen sich sowohl bei den Betroffenen wie bei deren Angehörigen um die erwartete Pflegequalität. Der Bericht des Medizinischen Dienstes aus dem Jahr 2004 zur Qualität der Pflege in stationären Einrichtungen belegt, dass keine Sicherheit besteht, in einem Pflegeheim angemessen versorgt zu werden (MDS 2004:58 ff.). Bei 17 Prozent der untersuchten Heimbewohner wurde ein unzureichender Pflegezustand festgestellt, der auf eine fehlende Pflegequalität zurückzuführen war. Bei neun Prozent der Pflegebedürftigen wurden freiheitsbeschränkende Maßnahmen durchgeführt, die nicht den gesetzlichen Vorschriften entsprachen. Bei 28 Prozent der Bewohner fanden sich Defizite in der Pflegeanamnese, d.h. es wurden nicht ausreichend Informationen über die persönlichen Lebensumstände des Betreffenden gesammelt, die für die Pflege relevant gewesen wären. In 38 Prozent der Fälle waren keine Informationen aus der Biographie des Bewohners bekannt, in 49 Prozent war nicht erkundet worden, über welche Fähigkeiten und Ressourcen die Person noch verfügt, ihr Leben selbständig zu gestalten. Die Pflegedokumentation ließ in diesen Fällen nicht erkennen, welche Vorlieben, Abneigungen und Gewohnheiten beim Bewohner vorhanden waren und welche Fähigkeiten bei einer aktivierenden Pflege hätten eingebracht werden können. Nur bei der Hälfte aller Betroffenen lag ein individueller Pflegeplan vor, der die persönlichen Gegebenheiten des Bewohners berücksichtigte.

Die gravierendsten Pflegemängel in Heimen zeigten sich bei der Ernährung der Bewohner, weil wichtige Probleme nicht erkannt oder erforderliche Maßnahmen nicht ergriffen wurden. Diesbezügliche Mängel wurden bei 41 Prozent der untersuchten Personen festgestellt.

Ausblick

Angesichts der eingeschränkten Selbstbestimmung im Heim, die zudem mit einer großen Unsicherheit über die Qualität der Pflege verbunden ist, verwundert es nicht, dass ältere Menschen bemüht sind, eine Unterbringung im Heim so lange wie möglich zu vermeiden. Vermutlich sind viele der genannten Pflegefehler letztlich auf die Organisationsstrukturen der traditionellen Heime zurückzuführen. Starker Arbeitsdruck und geringe Individualisierung der Arbeitsabläufe verhindern eine ausreichende Zuwendung zu den einzelnen Bewohnern.

Mit dem neuen Konzept der stationären Hausgemeinschaften verknüpfen sich daher hohe Erwartungen. Das intensivere Zusammenleben von Betreuungspersonal und Bewohnern, verbunden mit einer stärker auf das Individuum abgestellten Betreuung und einem höheren Maß an Selbstbestimmung in der Lebensführung der Bewohner lassen hoffen, dass Pflegemängel in so konzipierten Heimen sehr viel seltener auftreten.

Die Autorin: Dr.-Ing. Renate Narten M.A. ist Architektursoziologin. Sie gründete 1996 das Büro für sozialräumliche Forschung und Beratung in Hannover mit dem Arbeitsschwerpunkt „Wohnen im Alter“.

Literatur

BMFSFJ (2001a): Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Heimstatistik 2001

BMFSFJ (2001b): Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Dritter Bericht zur Lage der älteren Generation, Bonn.

Kreuz, D. (2004): Zur Situation der stationären Pflege und der Pflegeeinrichtungen in Deutschland, in: Wüstenrot Stiftung (Hrsg.): Wohnen im Alter. Stuttgart.

Kuratorium Deutsche Altershilfe (1996): Rund ums Alter, München.

Kuratorium Deutsche Altershilfe (2000): Hausgemeinschaften - Die 4. Generation des Pflegeheimbaus, Köln.

Medizinischer Dienst der Spitzenverbände der Krankenkassen e.V - MDS (2004): Qualität in der ambulanten und stationären Pflege, Essen.

Statistisches Bundesamt (2005): Bericht: Pflegestatistik 2003 - Pflege im Rahmen der Pflegeversicherung - Deutschlandergebnisse, Bonn.

 

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