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Städte im internationalen Kontext - Herausforderungen und Chancen der Globalisierung

Artikel vom 25.08.2008

Globalisierungsprozesse beeinflussen und prägen seit Jahrhunderten in immer wieder veränderten Formen die Entwicklung der Städte. In Deutschland werden Krisen- und Verfallsgeschichten, die lange Zeit den Diskurs über die Stadt dominierten, überlagert von einer neuen Lust auf Stadt. Von Dieter Läpple

Globale Interdependenz und der zerbrochene Mythos der Selbstregulation des Marktes

Vortrag anlässlich der Konferenz „Zuhause in der Stadt“ am 17. und 18. Juni 2008 in Darmstadt

Der Prozess der Globalisierung ist eine immanente Tendenz der Moderne (vgl. Giddens 1996, 84 ff.). Die Globalisierung entfaltet sich schon seit Ende des 15. Jahrhunderts in unterschiedlichen Entwicklungsmustern und Entwicklungsschüben und führte auch immer wieder zu krisenhaften Regressionen, die mit einem vorübergehenden Rückgang weltwirtschaftlicher Integration verbunden waren.

Globalisierung beschreibt zunächst eine Vielfalt von Transformationsprozessen, die mit einer zunehmenden internationalen Vernetzung und gegenseitiger Durchdringung von Wirtschaft, Kultur, Wissenschaft und Politik sowie einem starken Bedeutungsgewinn transnationaler Institutionen verbunden sind. Neben der zunehmenden Mobilität von Menschen, dem internationalen Austausch von Ideen und Wissen und der Herausbildung einer globalen Kulturproduktion sind für die neuen Muster der Globalisierung vor allem der außerordentlich starke Anstieg ausländischer Direktinvestitionen, also der Export von Kapital, sowie die Globalisierung der Finanzmärkte bestimmend. Der wesentliche Merkmal unserer heutigen durch die Globalisierung geprägten Weltgesellschaft  lässt sich mit einem Wort erfassen: Interdependenz. (Vgl. Schumann/Grefe 2008: 23)

Die gegenseitige Abhängigkeit von Staaten und Ökonomien hat – wie die gegenwärtige Krise des internationalen Finanzsystems zeigt – ein geradezu bedrohliches Ausmaß angenommen. Die Krise, die vor zwei Jahren  im US-Immobilienmarkt mit einem Verfall der Preise für Eigenheime und Zwangsversteigerungen begann, hat sich inzwischen in einem Dominoeffekt über den gesamten Globus ausgebreitet. Die Nationalstaaten, die angesichts des starken Globalisierungsschubes der letzen Jahre von vielen politischen und wissenschaftlichen Kommentatoren bereits für obsolet erklärt wurden, rücken plötzlich wieder eine Schlüsselrolle: als Retter zahlungsunfähiger Banken, als Käufer fauler Immobilienkredite, als Garanten von Spareinlagen, als Kontrolleure und Regulierer. Das neue politische Schlagwort ist: „Die Globalisierung gestalten“.

In der Krise zeigt es ich in aller Deutlichkeit: Die Globalisierung macht die Nationalstaaten nicht obsolet, sondern weist ihnen – so Joseph Stiglitz – neue Aufgaben zu: „sie müssen sich mit der wachsenden Ungleichheit und Unsicherheit befassen, die dieser Prozess verursachen kann, und auf die verschärfte Wettbewerbssituation reagieren“ (2008: 41). Gleichzeitig schränkt die Globalisierung die Spielräume der Nationalstaaten in vielerlei Hinsichten ein. Es gibt viele Fragen, wie internationaler Kapitalverkehr, der globale Klimawandel oder die wachsende Spaltung der Weltgesellschaft zwischen Gewinnern und Verlierern, die nur auf globaler Ebene zu lösen sind. „Doch während die Nationalstaaten geschwächt wurden, müssen auf internationaler Ebene jene demokratischen globalen Institutionen erst noch geschaffen werden, die den von der Globalisierung aufgeworfenen Problemen effektiv begegnen können.“ (Stiglitz 2008: 42)

Aktuell sind wir mit einer gerade zu grotesken Situation konfrontiert. Es sieht so aus, als käme gegenwärtig „den Kritikern der Globalisierung zusehends die Rolle zu, das weltweite Zusammenwachsen von Märkten, Mächten und Kulturen gerade vor denen zu retten, die diesen Prozess über Jahrzehnte vorangetrieben haben: den Global Playern der Konzern- und Finanzwelt und ihren Zuträgern in Medien und Wissenschaft.“ (Schuman/Grefe 2008: 30)  Nach Schumann und Grefe steht die Menschheit am Scheideweg.  „Die Alternative lautet: globale Kooperation oder globalisierte Katastrophen.“ Es geht darum, so die beiden Autoren, das offensichtliche Scheitern des neoliberalen Konsenses vom Glauben an die Allmacht des Marktes zu nutzen für eine Re-Regulierung der Weltwirtschaft im Interesse aller, insbesondere für den Ausbau und die Demokratisierung globaler Regelwerke und Institutionen und die Entwicklung klarer Regeln für die richtige politische Arbeitsteilung zwischen globalen, nationalen und regionalen Institutionen.

Globalisierung und der Mythos einer „Enträumlichung“ der Ökonomie

Der Globalisierungsschub der letzten Jahre war unmittelbar verbunden mit der  Entwicklung neuer Informationstechnologien, deren spektakulärste Form gegenwärtig das Internet ist. Die Universalität ihrer Einsetzbarkeit und die globalen Vernetzungsmöglichkeiten der dezentralen Strukturen dieser Informationstechnologien eröffnen kaum überschaubare Anwendungsbereiche und ermöglichen eine bisher unbekannte Überwindung der Schranken von Raum und Zeit.

Angesichts der technischen Eigenschaften des Internets – seiner dezentralen und offenen Architektur, seiner Negation eines Zentrums oder einer Hierarchie, sowie seiner Fähigkeit, immer größere Datenmengen zu immer geringeren Kosten in Echtzeit zu übermitteln – scheinen geographische Unterschiede im Cyberspace aufgehoben zu sein. Die Welt – so Thomas F. Friedman – ist „flach“ geworden: „Die Einebnung von Macht- und Möglichkeitshierarchien ist eine Folge davon, dass eine große Zahl von Menschen heute die Mittel und Fähigkeiten besitzt, miteinander zu kommunizieren, zu konkurrieren und kooperieren.“ (Friedman 2008: 10)

Was bedeutet dies für die Stadtentwicklung? Sind in einer „flachen Welt“, also einer Welt mit eingeebneten Möglichkeitshierarchien, überhaupt noch Städte nötig? Das Konzept der Stadt stand bisher immer für eine bestimmte Zentralität von Möglichkeitsstrukturen.

Unter dem Eindruck der Dynamik und der Intensität internationaler Wirtschaftszusammenhänge, der Entstehung transnationaler Wertschöpfungsnetzwerke und transnationaler Kooperationsformen wird von Globalisierungstheoretikern die These vertreten, dass sich tradierte Standortbindungen auflösen und Arbeits- und Lebensverhältnisse aus ihren tradierten lokalen und regionalen Bezügen „entankert“ werden. Als die zentralen Akteure der Globalisierungsdynamik werden die transnationalen Unternehmen betrachtet. Diese Global Players organisieren ihre Wertschöpfungsketten durch gezielte Fragmentierung und Dislozierung über Unternehmens-, Branchen- und Landesgrenzen hinweg. Das transnationale Unternehmen wird – dieser Logik entsprechend – „standortlos“.

Von diesen Entwicklungstendenzen sind auch Städte und Regionen betroffen. Durch die Restrukturierungsdynamik und Verhandlungsmacht der transnationalen Industrie- und Dienstleistungsunternehmen werden sie einer zunehmenden Abhängigkeit und Kontrolle von „außen“ unterworfen und einem immer stärkeren Anpassungsdruck ausgesetzt. Gleichzeitig scheinen die neuen Informations- und Kommunikationssysteme soziale Interaktionen zunehmend zu enträumlichen und zu virtualisieren. Kurz: es droht die elektronische Auflösung der räumlich gebundenen Stadt in eine „City of Bits“ (vgl. Mitchell 1996).  So – zusammengefasst – die Argumente der „Globalisten“ und „Cyberspace-Theoretiker“.

Es ist sicherlich richtig, dass durch die Globalisierung und Digitalisierung Entfernungsräume schrumpfen, tradierte Standorte „entankert“ werden und Grenzen  sich verflüssigen. Und zweifellos sind Städte in vielfältiger Weise durch die Globalisierung betroffen: Als Folge der globalen Wettbewerbs- und Investitionsstrategien von Unternehmen sind sie einem zunehmenden Standortwertbewerb um Investitionen, Arbeitsplätze und qualifizierte Arbeitskräfte ausgesetzt. Sie sind Ziel internationaler Migrationsprozesse, wodurch sie vor die Aufgabe gestellt werden, eine wachsende Zahl ausländischer Bürger unterschiedlichster Herkunft zu integrieren, und sie sind in zunehmendem Maße mit global agierenden Immobilienunternehmen konfrontiert.

Die Globalisierung der Ökonomie und die globalen Informations- und Kommunikationssysteme führen jedoch nicht zu einer allgemeinen „Verflüssigung“ von Produktionsstrukturen und einer allgemeinen „Enträumlichung“ von Lebensformen. Die Globalisierungskräfte wirken keineswegs eingleisig in der Form einer räumlichen Dispersion der Ökonomie, einer Erosion sozialstaatlicher Arrangements oder einer Nivellierung kultureller Unterschiede. So führt insbesondere die Herausbildung einer wissensbasierten Ökonomie zu einer Aufwertung urbaner Arbeits- und Lebenszusammenhänge und damit zu einer neuen städtischen Zentralität. Der Auflösung tradierter Standortbindungen stehen neue Standortbindungen gegenüber, und der komplementäre Prozess zur „Entbettung“ ist die „Rückbettung“. Der Tendenz zu einer Nivellierung kultureller Unterschiede steht die Revitalisierung lokaler Kulturen und Identitäten gegenüber.

Das „Standortparadox“ der Globalisierung

Zu dem Mythos der Enträumlichung der Ökonomie lässt sich folgende Gegenthese formulieren: Durch die turbulenten Marktverhältnisse und instabilen Währungssysteme einer globalisierten Ökonomie, den Trend zu immer komplexeren Produkten und kürzeren Innovationszyklen und eine zunehmende Kulturalisierung der Ökonomie wird die Möglichkeit der Einbindung von Produktions- und Dienstleistungsfunktionen in städtische und regionale Verflechtungszusammenhänge und Kooperationsformen zunehmend zu einer wichtigen Voraussetzung für die Innovations- und Anpassungsfähigkeit von Unternehmen wird. Dieser Zusammenhang verweist auf eine Paradoxie, die Porter das „Standortparadox in einer globalen Wirtschaft“ (1998: 236; 1999: 52) nennt: Gerade in einer Situation wo Unternehmen sich Kapital und Güter, Informationen und Technik weltweit per Mausklick beschaffen können, ist ihre spezifische Wettbewerbssituation vielfach von der jeweiligen städtischen oder regionalen „Einbettung“ bzw. „Rückbettung“ abhängig. Diese lokal gebundenen Wettbewerbsvorteile beruhen nach Porter „auf der Konzentration von hoch spezialisierten Fähigkeiten und Kenntnissen, Institutionen, Konkurrenten sowie verwandten Unternehmen und anspruchsvollen Kunden. Geographische, kulturelle und institutionelle Nähe führt zu privilegiertem Zugang, engeren Beziehungen, kräftigeren Anreizen und weiteren Produktivitäts- und Innovationsvorteilen, die sich schwerlich aus der Ferne nutzen lassen“ (1999, 63).

In diesem Sinne erscheint es angebracht, den Zusammenhang von Globalisierung und Stadtentwicklung nicht nur in der negativen Perspektive einer Bedrohung der Städte durch die zersetzende Kraft der globalen Wirtschaft zu diskutieren. Aus der Globalisierung ergeben sich für die Städte nicht nur Probleme, sondern auch neue Chancen. Allerdings muss in diesem Zusammenhang betont werden, dass sich in fast allen Ländern und vor allem in den Städten seit über 20 Jahren die Schere zwischen Kapitalgewinnen und Lohneinkommen immer mehr geöffnet hat. Mit Verweis auf die Ergebnisse der „World Commission on the Social Dimension of Globalization“ der Internationalen Arbeitsorganisation in Genf (ILO 2004) betont Stiglitz, dass die Globalisierung in ihrer jetzigen Form nicht nur die Spaltung zwischen reichen und armen Ländern vertiefe, sondern auch reiche Länder mit armen Menschen hervorbringe. (2008: 26 ff.) Und diese armen Menschen konzentrieren sich gegenwärtig vor allem in den Städten.

Das urbane Jahrhundert und die Diversität städtischer Entwicklungsmuster

Wir erleben gegenwärtig einen Zeitenwechsel. Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit leben heute mehr Menschen in Städten als auf dem Lande. Im Jahre 1900 lebten gerade mal15 Prozent der Weltbevölkerung in Städten. Es war noch eindeutig eine Welt der Bauernhöfe, der lokalen Selbstversorger, der Dörfer und Kleinstädte (vgl. Giradet 2007), obwohl unsere Zivilisation schon über Jahrtausende durch die Stadt mit ihrer spezifischen Ökonomie, Gesellschaft und Kultur geprägt ist. Heute dominieren auf unserem Globus die städtischen Siedlungen.

Dieser Triumph der Stadt über das Land ist jedoch mit einem offensichtlichen Paradoxon verbunden. Während ein weltumspannender Verstädterungsprozess zum Verschwinden des Ländlichen führt, scheint sich das Konzept der Stadt aufzulösen. Durch die Dynamik und die spezifischen siedlungsstrukturellen Ausprägungen des Verstädterungsprozesses, insbesondere durch die zentrifugalen und dezentralisierenden Tendenzen, die seit dem Ersten Weltkrieg die Entwicklung der Städte und Stadtregionen in den entwickelten Ländern geprägt haben, sind wir mit grundsätzlichen Fragen konfrontiert: Wird sich die Richtung der gesellschaftlichen Dynamik, die sehr lange auf die Kernstädte gerichtet war, durch die zunehmend zentrifugalen Tendenzen umkehren, also weg von den Kernstädten und verschieben ins Umland oder gar in die peripheren Regionen? Wird es in einer urbanisierten Welt überhaupt noch die „Stadt“ geben oder werden wir in Zukunft nur noch mit unterschiedlichen urbanen Konfigurationen konfrontiert sein?

Der Übergang zu einem urbanen Jahrhunderts vollzieht sich gegenwärtig vor allem außerhalb der entwickelten Länder, nämlich in den Schwellen- und Entwicklungsländern der südlichen Hemisphäre. Der weltumspannende Verstädterungsprozess zeigt - zumindest auf den ersten Blick - eine extreme Polarisierung: In der südlichen Hemisphäre wachsen die Städte so schnell wie nie zuvor. Noch nie sind so viele Megastädte entstanden wie gegenwärtig. Städte wie Mexiko City, Sao Pãolo, Shanghai, Mombay, Kalkutta, Jakarta, Lagos oder Kairo haben heute schon weit über zehn Millionen Einwohner, und in zwanzig Jahren werden die meisten dieser Städte die Grenze von zwanzig Millionen weit überschritten haben. Die Verdrängung der Bevölkerung aus der Landwirtschaft - u. a. als Folge der Globalisierung - führt in Ländern der Dritten Welt dazu, dass die Menschen der Not und Armut auf dem Lande zu entfliehen suchen. In der Hoffnung auf Arbeit und einen Lebensraum wandern sie in die Städte, wo die meisten von ihnen dann in „shanty towns“, „favelas“ oder „bidonvilles“, also den ungeplanten Spontansiedlungen, die in der Regel weder über Kanalisation noch Wasserversorgung verfügen, um ihr tägliches Überleben kämpfen.

Die Verstädterung der Dritten Welt ist vor allem durch die zentripetale Dynamik der „Landflucht“ geprägt. Das Resultat sind diffuse Siedlungsgebilde mit mehreren Zentren, verstädterten Zwischenzonen, gated communites, Brachflächen und unüberschaubaren Slums, den sogenannten „shadow cities“ (vgl. Neuwirth 2006). Das Wachstum dieser Städte vollzieht sich vor allem als ein Wachstum von Slums. Bereits heute leben eine Milliarde Menschen in Slums, im Jahre 2030 werden es voraussichtlich zwei Milliarden sein. (Vgl. UN-Habitat 2003 und Davis 2006) Die Zukunft der Stadt - so scheint es aus der Perspektive der südlichen Hemisphäre - ist eine informelle Verstädterung ohne Urbanität.

In den Städten der nördlichen Hemisphäre blicken wir dagegen zurück auf 50 Jahre „Stadtflucht“. Als Folge der stürmischen Entwicklung der Produktivkräfte, einem steigenden Lebensstandard und der Massenmotorisierung wurde die zentripetale Dynamik der industriellen Verstädterung zunehmend überlagert und dominiert durch die zentrifugalen Tendenzen der Suburbanisierung. Das Resultat war eine Verallgemeinerung urbaner Arbeits- und Lebensformen ohne Verstädterung.

Die gegensätzlichen Dynamiken des globalen Verstädterungsprozesses könnte man auf die einfache Formel bringen: Im „Süden“ ist die Armut die wesentliche Triebkraft der Verstädterung; im „Norden“ dagegen führt der Reichtum zu einer Auflösung der Städte.

Bei einem genaueren Blick werden wir allerdings mit einem sehr viel komplexeren Bild konfrontiert. In dem weltumspannenden Verstädterungsprozess zeichnet sich innerhalb der skizzierten Polarisierung ein hohes Maß an Diversität ab.
 
So zeigen sich bei den Entwicklungs- und Schwellenländern neben den Formen einer primär durch ländliche Armut vorangetriebenen Verstädterung auch Verstädterungsprozesse, deren Triefkräfte äußerst dynamische städtische Industrialisierungsprozesse sind. Dies gilt vor allem für den „Hochgeschwindigkeits-Urbanismus“ in China. Beispielhaft hierfür sind die Städte oder Stadtregionen von Shanghai oder Shenzen. Vor 30 Jahren lebten in dem Küstendorf Shenzen an der Grenze zu Hongkong ungefähr 30.000 Menschen. Dazu kommen noch mehrere Millionen Wanderarbeiter, die sog. „floating population“. In China insgesamt wuchs die städtische Bevölkerung in den letzten 30 Jahren von „170 Millionen auf 456 Millionen Menschen, ein Anstieg, der fast ausschließlich auf den Zustrom von Menschen aus den ländlichen Gebieten zurückzuführen ist.“ (Girardet 2007: 188)   

Aber auch in den Städten der nördlichen Hemisphäre zeichnet sich seit der Jahrhundertwende eine deutliche Trendwende ab. Nach 50 Jahren Stadtflucht in der Form der Suburbanisierung und zum Teil auch einer Desurbanisierung zeigt sich ein eindrucksvoller „urban turnaround“. Globalisierung und Digitalisierung der Wirtschaft führten offensichtlich nicht – wie von vielen Experten prophezeit – zu einer Auflösung der Städte, sondern zur Herausbildung einer neuen Form städtischer Zentralität und einer neuen Attraktivität der Stadt. Besonders eindrucksvoll zeigt sich diese Entwicklung beispielsweise in New York, einer Stadt, die in den 1970er Jahren 10 Prozent seiner Bevölkerung verloren hat und beinahe bankrott ging. Heute hat New York – trotz der fatalen Folgen des 11. Septembers – mit 8,1 Millionen soviel Einwohner wie noch nie zuvor und zugleich eine äußerst dynamische Ökonomie. (Läpple 2005) Allerdings ist auch die soziale Spaltung New Yorks so ausgeprägt wie noch nie zuvor in der Geschichte. 

Eine städtische Renaissance – auch in Deutschland

Auch in Deutschland wird gegenwärtig die Stadt neu entdeckt. Die Krisen- und Verfallsgeschichten, die lange Zeit den Diskurs über die Stadt dominiert haben, werden überlagert von einer neuen Lust auf Stadt.

Über Jahrzehnte hinweg haben deutsche Städte  Einwohner, aber auch immer mehr Arbeitsplätze verloren. Besonders zugespitzt waren die Problemlagen in den ostdeutschen Städten nach dem deutschen Einigungsprozess. Verlust der Arbeitsplätze, Bevölkerungsrückgang und Abwanderung der jungen, qualifizierten Bevölkerung konfrontierte die ostdeutschen Städte mit dramatischen Schrumpfungsprozessen. In der Folge neuer Formen internationaler Arbeitsteilung und eines beschleunigten wirtschafts- und siedlungsstrukturellen Wandels konzentriert sich in den Städten die seit Jahrzehnten anhaltende Massenarbeitslosigkeit, mit ihren vielfältigen sozialen und sozialräumlichen Folgeproblemen. Die Arbeitsmarktentwicklung führte in den letzten zwei Jahrzehnten offensichtlich nicht nur zu einer Verschärfung sozialer Ungleichheit und der Verfestigung struktureller Armut, sondern auch zu einer dauerhaften Ausgrenzung sozialer Gruppen aus einer regelmäßigen Erwerbsarbeit und damit tendenziell auch aus der Teilhabe an dem sozialen, kulturellen und politischen Leben.

Spätestens seit Anfang des 21. Jahrhunderts gibt es in Deutschland deutliche Zeichen für eine Trendwende in der Stadtentwicklung. Beschleunigt durch die Megatrends der Globalisierung und der Informatisierung vollzog sich eine tief greifende Wandlung der ökonomischen Basis der Städte. Vor allem in den großen westdeutschen Stadtregionen München, Hamburg, Frankfurt oder Köln ist mit der Verschiebung von einer Industrie- zu wissens- und kulturbasierten Dienstleistungsökonomie eine neue städtische Dynamik entstanden. Unter den Städten gibt es jedoch auch eindeutige Verlierer. Dazu gehören traditionelle Industriestädte im Westen, wie die Ruhrgebietsstädte oder Braunschweig/Salzgitter, und vor allem die ostdeutschen Städte einschließlich Berlins, wo in der Folge von Systemproblemen aus der DDR-Zeit sowie den spezifischen Bedingungen des Transformations-prozesses ein großer Teil ihrer wirtschaftlichen Basis weg gebrochen ist, was zu einer schwerwiegenden Krise der Beschäftigung und zu selektiven Abwanderungsprozessen geführt hat. (Vgl. dazu u. a. Hannemann/Läpple 2004) Der Wandel von einer Industrie- zu einer Wissensökonomie geht offensichtlich einher mit einer deutlichen Polarisierung der Stadtentwicklung, die geprägt ist durch eine Gleichzeitigkeit von Wachstum und Schrumpfung zwischen den Stadtregionen und innerhalb der Stadtregionen.

Inzwischen scheint sich auch in den ostdeutschen Städten eine Trendwende abzuzeichnen –  zumindest bei der Bevölkerungsentwicklung. Nach einer langen Phase des ökonomischen Niedergangs und der Schrumpfung steigt in den großen Städten wie Leipzig, Dresden und Berlin die Bevölkerung wieder an.   
 
Es kann festgestellt werden, dass die Transformation von einer industriellen zu einer wissensbasierten Ökonomie auch in deutschen Städten und Stadtregionen Voraussetzungen für eine neue ökonomische Dynamik hat entstehen lassen. Die tiefgreifenden Wandlungen der ökonomischen Basis der Städte führten nicht nur zu einem starken Rückgang industrieller Arbeitsplätze, sondern inzwischen haben sich vielfältige neue Formen einer Wissens- und Kulturökonomie herausgebildet. Diese stützen sich auf intellektuelle Arbeit, menschliche Kreativität, soziale Interaktion und Vernetzung, und sie haben vor allem eine große Affinität zu städtischen Standorten.

Die neue Arbeitswelt der Wissensproduktion benötigt sowohl zeitlich als auch räumlich flexible Organisationsformen und die traditionelle räumliche und zeitliche Trennung der Sphären der Arbeiten, des Wohnen und der Freizeit löst sich in dieser urbanen Arbeitsgesellschaft zunehmend auf. Dadurch gewinnt die Stadt nicht nur als Arbeitsort, sondern auch als Wohnort und Lebensraum wesentlich an Bedeutung.

Und was ist mit dem Traum vom „Eigenheim im Grünen“, der jahrzehntelang die jungen, besser verdienenden Familien ins Umland gelockt hat? Nicht nur die immer teureren Benzinpreise oder der Wegfall der Eigenheimzulage lässt die Leute fragen: Sind wir auf der grünen Wiese wirklich gut aufgehoben? Vor allem Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt erschweren ein Wohnen im Umland. Der kapitalintensive Lebensstil mit dem Häuschen  im Grünen war gebunden an ein kontinuierliches Einkommen, wachsende Freizeit und eine klare Arbeitsteilung zwischen Mann und Frau. Der Mann war der Ernährer der Familie, und die Frau kümmerte sich um Haushalt und Kinder. Dieses Modell steht zur Disposition.

Gleichzeitig ist der Arbeitsmarkt unsicherer geworden. Feste Vollzeitstellen werden bald die Ausnahme sein. Vor allem Höherqualifizierte arbeiten heute länger und in unregelmäßigen Zeitrhythmen. Durch die gestiegene Frauenerwerbstätigkeit und die Erosion des gesellschaftlichen Zeitgefüges wird familiäres Alltagsleben an suburbanen Standorten mit langen Wegen und Pendlerzeiten immer komplizierter. Und durch die Unsicherheit von Job und Einkommen werden sich deutlich weniger Menschen mit hohen Hypotheken für ein Eigenheim im Grünen festlegen können und wollen.

Vor diesem Hintergrund entdecken viele die Vorteile der Stadt wieder: Die Stadt bietet nicht nur ein breites Angebot an Beschäftigungsmöglichkeiten, sondern auch vielfältigste Dienstleistungen und Gelegenheiten vor Ort, die die Alltagsorganisation in der neuen urbanen Arbeitsgesellschaft erleichtern: Einkaufsmöglichkeiten, Betreuungsangebote für Kleinkinder, Kindergärten mit unterschiedlichen Öffnungszeiten, Schulen für unterschiedliche Begabungen, eine differenzierte Gesundheitsversorgung und ein breites Bildungs- und Kulturangebot.

Bieten unsere Städte tatsächlich all diese erwünschten Möglichkeiten? In deutschen Innenstädten wird kaum mehr gewohnt, und mit dem Wohnen sind auch die vielfältigen Dienstleistungseinrichtungen verschwunden, die einen urbanen Lebensstil erst möglich und attraktiv machen. Hier liegt eine große Herausforderung zukünftiger Stadtpolitik. Gefragt sind urbane Strukturen, die den neuen Wohn- und Arbeitsformen entsprechen und die eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglichen. Denn die neue ökonomische Dynamik in den Kernstädten ist wesentlich durch eine Zunahme der Frauenerwerbstätigkeit geprägt.

Der Arbeitsmarkt für Hochqualifizierte als städtischer Magnet

Wie in vielen anderen Ländern zeigt sich somit auch im deutschen Städtesystem, dass Globalisierung und Informatisierung nicht zu einer Auflösung der Städte, sondern zur Herausbildung einer neuen Form städtischer Zentralität führen, die in Deutschland die Form eines Metropolisierungsprozesses annimmt. Von der neuen städtischen Dynamik profitieren – wie bereits skizziert – vor allem Dienstleistungsmetropolen wie München, Frankfurt (Rhein-Main), Hamburg, Köln/Düsseldorf (Rhein) oder Stuttgart mit ihren großen Arbeitsmärkten. Mit dem Übergang zu einer wissensbasierten Dienstleistungsökonomie wird intellektuelle Arbeit und menschliche Kreativität zu einem zentralen Produktionsfaktor, wodurch Arbeitsmärkte – insbesondere für Hochqualifizierte – die Rolle von städtischen „Magneten“ zukommt, die Betriebe und qualifizierte Professionals gleichermaßen anziehen.

In diesem Sinne funktioniert die Stadt als ein zentraler („Hub“-)Arbeitsmarkt, der die folgenden beiden Bedingungen zu erfüllen hat:  Für die Unternehmen soll er einen ausreichend konzentrierten und diversen Arbeitspool bieten für eine Wissens- und Kulturproduktion, die geprägt ist durch volatile Märkte, sich schnell verändernde Produkte und eine starke Nachfrage nach hochqualifizierter Arbeit. Für die Erwerbstätigen soll er eine sehr breite Vielfalt an Beschäftigungsgelegenheiten bieten für professionelle Karrieren – möglichst von einem einzigen Wohnort aus – und das unter Bedingungen oft wechselnder Beschäftigungsverhältnisse, der Notwendigkeit permanenter Weiterqualifikation und von Zweiverdiener-Lebensgemeinschaften, wo zunehmend beide Partner eine egalitäre Teilhabe am Erwerbsleben anstreben.  

Unternehmen werden sich in ihrer Standortwahl zunehmend an der Verfügbarkeit qualifizierter Arbeitskräfte orientieren und qualifizierte Beschäftigte werden sich nach Orten mit einer großen Vielfalt an Beschäftigungsmöglichkeiten, einem breiten Angebot an Dienstleistungen sowie urbanen Lebensbedingungen umsehen. Dadurch wird eine sich gegenseitig verstärkende Dynamik zwischen Arbeitskräftenachfrage und Arbeitskräfteangebot ausgelöst. In dieser kumulativen Dynamik bilden städtische Arbeitsmärkte den Kontext für gemeinsame Lernprozesse und damit die Herausbildung spezialisierter Wissens- und Qualifikationspools.

Der „Exportweltmeister“ Deutschland – ohne Global City?

Die bekannteste Erscheinungsform der neuen städtischen Zentralität ist – wie bereits angedeutet – die Global City: In ihnen konzentrieren sich die Kontroll-, Integrations- und Steuerungsfunktionen der über den Globus verteilten Wertschöpfungsketten. Zugleich sind die Global Cities zentrale Produktionsstandorte und transnationale Marktplätze für hochwertige, wissensbasierte Dienstleistungen. Während sich in den meisten anderen Ländern mit der zunehmenden Globalisierung der Ökonomie eine einzige, dominante Global City herausgebildet hat, verfügt Deutschland über keine veritable Global City, sondern über ein multi-polares städtisches System.

Wie lässt sich erklären, dass in der Hierarchie des globalen Städtesystems keine deutsche Stadt in der Spitzengruppe der Global Citys zu finden ist? Und dies, obwohl Deutschland seit vielen Jahren die Position des „Export-Weltmeister“ einnimmt und kaum eine andere Wirtschaft so stark in den Weltmarkt integriert ist wie die deutsche.

Bei der Beantwortung dieser Frage wird meist auf die Besonderheiten und Brüche der deutschen Geschichte verwiesen. Deutschland, die „verspätete Nation“ (Plessner), bestand aus einer Vielzahl von Kleinstaaten,  Fürstentümern und Freien Reichsstädten und hat erst 1871 mit der preußisch-deutschen Reichsgründung eine gemeinsame Hauptstadt bekommen. Berlin wurde Regierungssitz und in den folgenden Jahrzehnten die dominante deutsche Wirtschafts- und Kulturmetropole, die allerdings nie den Zentralitätsgrad von London oder Paris erreichte. Nach den historischen Katastrophen von Naziregime und Zweitem Weltkrieg erfolgte mit dem Zusammenbruch des deutschen Reiches und der Aufteilung Deutschlands in vier Besatzungszonen eine Demontage der zentralen Metropolenrolle von Berlin. Viele Unternehmen verlagerten ihren Sitz aus Berlin in die westdeutschen Regionalmetropolen Frankfurt, Hamburg, München, Köln, Düsseldorf und Stuttgart.  

Wenn es richtig ist, dass der gegenwärtige Kapitalismus keine homogene Einheit darstellt, sondern dass sich auf der Grundlage unterschiedlicher historischer Bedingungen unterschiedliche Modelle des Kapitalismus herausgebildet haben, dann liegt die These nahe, dass diesen Modellen auch unterschiedliche Urbanisierungsmuster entsprechen.

Die „verspätete“ Industrienation Deutschland hat bereits Ende des 19. Jahrhunderts eine Alternative zum liberalen Produktionssystem entwickelt, die sich als regulierte, korporative Marktwirtschaft charakterisieren lässt. Vgl. Abelshauser 2004, S. 28-59) Verbunden mit einer stark föderalen Struktur der staatlichen Organisation, bildete dieses Modell des „rheinischen Kapitalismus“ die Grundlage für die Wirtschafts- und Sozialordnung Westdeutschlands. Es liegt  nahe, dass sich in Deutschland nicht nur ein alternatives Produktionsmodell, sondern auch ein alternatives und durchaus leistungsfähiges Urbanisierungsmodell herausgebildet hat. 

Kennzeichen dieses Urbanisierungsmodells sind nicht nur die Polyzentralität des Metropolensystem mit seiner ausgeprägten komplementären Arbeitsteilung zwischen den einzelnen, jeweils auf bestimmte Cluster hochwertiger Dienstleistungen spezialisierten Metropolen. Dieses Modell ist auch geprägt durch das Phänomen regionaler Dienstleistungs-Fertigungs-Verbünde. (Siehe Läpple/ Thiel 2000)

Während in den angelsächsischen Ländern der Globalisierungsschub der 1980er und 1990er Jahren zu einer starken globalen Dispersion industrieller Funktionen führte, zeigt sich in den deutschen Stadtregionen immer noch eine stark interaktive Entwicklungsdynamik von wissensintensiven Industrie- und unternehmensnahen Dienstleistungen. Seit Mitte der 1990er Jahre zeichnen sich zwar sektorale und regionale Entkopplungen dieser interaktiven Entwicklung ab. Die interaktiven Bezüge zwischen Industrie- und Dienstleistungsentwicklung werden damit aber nicht aufgehoben, sondern nur weiträumiger. Gleichzeitig zeigt sich bei den Entwicklungen der einzelnen Metropolen eine zunehmende Spezialisierung auf bestimmte Cluster hochwertiger Dienstleistungen. (Vgl. u.a. Blotevogel 2000)

Das deutsche Metropolensystem als Teil eines vielschichtigen Netzwerkes von Städten

Um die Besonderheit des deutschen Städtesystems und die spezifische Rolle des Netzwerks von komplementären Metropolregionen zu verdeutlichen habe ich in meinen bisherigen Ausführungen den Fokus auf die städtische, stadtregionale und nationale Ebene gerichtet. Es ist jedoch klar, dass bei der Analyse von Global Cities oder globalisierten Stadtregionen primär eine globale und nicht eine nationale Perspektive eingenommen werden muss. Abschließend soll deshalb noch kurz auf die Frage der transnationalen Verflechtung der deutschen Metropolregionen eingegangen werden.

Bei der starken Ausrichtung der deutschen Wirtschaft auf die globale Ökonomie und angesichts der weit fortgeschrittenen europäischen Integration ist es offensichtlich, dass das deutsche Stadtsystem in hohem Maße eingebunden ist in das europäische und globale Netzwerk von Städten. Dies betriff mehr oder weniger alle deutsche Städte. Allerdings nehmen die deutschen Metropolregionen in besonderem Maße eine „Schnittstellenfunktion zwischen den globalen und nationalen Systemen der Wirtschaft mit ihren besonderen Institutionen, Organisationsformen und infrastrukturellen Transport- und Kommunikationsangeboten“ (Kujath 2006, 1) ein. Nur über starke internationale Vernetzungen und Kooperationen können die einzelnen Metropolen ihre Leistungsfähigkeit- und Innovationsfähigkeit in ihrer jeweiligen Spezialisierung weiter entwickeln.

In der Abbildung (zum Download) wird die Darstellung des nationalen Städtesystems, wie es Blotevogel (2002) für das Jahr 1995 dargestellt hat, durch eine heuristische Skizze transnationaler Verflechtungs- und Kooperationszusammenhänge ergänzt. Mit dieser schematischen Darstellung soll die vielschichtige Einbettung der deutschen Metropolregionen in globale, europäische, aber auch nationale und regionale Zusammenhänge verdeutlicht werden. (Läpple 2007)

Betrachtes man das deutsche Stadt- und Metropolensystem unter der Perspektive seiner komplementären Arbeitsteilung und seiner Einbindung in das vielschichtige globale Metropolennetzwerk, so muss die Abwesenheit einer deutschen Metropole in der Hierarchie der veritablen Global Citys wie New York oder London nicht notwendigerweise als ein Defizit erscheinen.

Aus der spezifischen Netzwerkstruktur des deutschen Metropolensystems resultieren vielfältige Vorteile, aber möglicherweise auch gewissen Nachteile. Die stark dezentrale Strukturen bieten – verglichen mit den großen monozentrischen Global Cities – sehr viel bessere Voraussetzungen für eine raum-zeitliche Integration von Wohn- und Arbeitsfunktionen sowie für die Bewältigung der täglichen Mobilitäts- und Ver- und Entsorgungserfordernisse in den Metropolräumen.

Im Hinblick auf die ökonomische Leistungs- und Innovationsfähigkeit bleibt offen, ob das deutsche Metropolensystem die mit der globalen Ökonomie verbundenen möglichen Spezialisierungs- und Skaleneffekte tatsächlich auch ausschöpfen kann. Es ist jedoch zu vermuten, dass das deutsche Metropolensystem relativ robuster auf äußere Schocks reagiert und zugleich durch seine internen Redundanzen über eine große Flexibilität und Anpassungsfähigkeit verfügt. In diesem Sinne könnte sich das deutsche Metropolensystem durchaus als zukunftsfähige Alternative zu dem stark zentralisierten Modell der Global Citys erweisen.

Der Autor: Prof. em. Dr. Dieter Läpple, Diplom-Volkswirt und Professor für Stadt- und Regionalökonomie, leitete von 1993 bis 2007 das Institut für Stadt- und Regionalökonomie und -soziologie an der Technischen Universität Hamburg-Harburg.

Literatur

Abelshauser, Werner (2004): Deutsche Wirtschaftsgeschichte seit 1945. München: Verlag C.H.Beck.

Blotevogel, Hans H. (2002): Städtesystem und Metropolregionen. In: Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland – Dörfer und Städte, Friedrich, K., Hahn, B., Popp, H. (eds.), München: Spektrum, pp. 40-43.

Blotevogel, Hans H. (2000): Gibt es in Deutschland Metropolen? Die Entwicklung des deutschen Städtesystems und das Raumordnungskonzept der „Europäischen Metropolregionen“, in Matejovski, D. (ed) Metropolen: Laboratorien der Moderne. Frankfurt am Main: Campus, 179-208.

Davis, Mike (2006): Planet of Slums. London; New York: Verso.

Friedman, Thomas L. (2008): Die Welt ist flach. Eine kurze Geschichte des 21. Jahrhunderts. Frankfurt am Main: Suhrkamp Taschenbuch 3964.

Giddens, Anthony (1996): Konsequenzen der Moderne. Frankfurt am Main: Suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft 1295.

Girardet, Herbert (2007): Die Schaffung lebenswerter und nachhaltiger Städte. In: Ders.: Zukunft ist möglich. Wege aus dem Klima-Chaos. Hamburg: Europäische Verlagsanstalt, S. 175-213.

Hannemann, Christine/ Läpple, Dieter (2004): Zwischen Reurbanisierung, Suburbanisierung und Schrumpfung. Ökonomische Perspektiven der Stadtentwicklung in West und Ost. In: in: Kommune, 5/04, S. V-X.

Häußermann, Hartmut; Läpple, Dieter; Siebel, Walter (2008): Stadtpolitik. Frankfurt am Main: Edition Suhrkamp 2512.

Häußermann, Hartmut (2006): Desintegration durch Stadtpolitik? In: Aus Politik und Zeitgeschehen. Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament 40/41 2006.

ILO (2004): World Commission on the Social Dimension of Globalization. A Fair Globalization for All. Genf: International Labour Organization.

Krämer-Badoni, Thomas (2004): Die europäische Stadt und die alteuropäische Soziologie – Kommunaler Sozialstaat oder civil society?, in: Walter Siebel (Hrsg.): Die europäische Stadt. Frankfurt/M.: Suhrkamp, S. 433-444.

Kujath, Hans Joachim (2006): Leistungsfähigkeit von Metropolregionen in der Wissensökonomie. Die institutionentheoretische Sicht. Working Paper, Erkner, Leipnitz-Institut für Regionalforschung und Strukturplanung, 2006.

Läpple, Dieter (2007): The German System. In: The Endless City, ed. By Ricky Burdett and Deyan Sudjic. London: Phaidon Press Ltd., S. 232-243.

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