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Nachbeben. Zehn Jahre Finanzkrise und ihre Auswirkungen in Deutschland und Europa

Artikel vom 27.06.2018

Finanzkrise

Zehn Jahre nach der Lehman-Pleite diskutierten Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Wissenschaft und Praxis die mittel- und langfristigen Folgen der Finanzkrise auf nationaler und europäischer Ebene mit dem Ziel, ein besseres Verständnis der vielseitigen Wirkungen aus polit-ökonomischer Sicht zu generieren. Von Laura Seelkopf und Colette Vogeler

Kurzfristiger Schock oder nachhaltige Erschütterung?

2018 jährt sich die Pleite der US-amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers, die den Beginn der weltweiten Finanzkrise einläutete, zum zehnten Mal. Während die unmittelbaren Folgen der Finanzkrise in der Politik- und Wirtschaftswissenschaft umfassend diskutiert worden sind, widmete sich die Tagung den mittel- und langfristigen Auswirkungen der Krise. Im Rahmen von Vorträgen, Plenardiskussionen und Dialogcafés beleuchteten die fast 80 Teilnehmenden aus Wissenschaft und Praxis den Themenkomplex aus verschiedenen Perspektiven. Um einen vertieften Austausch zu erreichen, wurden klassische Vortragspanels mit dialogorientierten Formaten kombiniert.

Gerade in Deutschland erscheint die Krise häufig als ein kurzfristiger Schock, der am Großteil der Gesellschaft relativ spurlos vorübergegangen ist. Zwar brach das Wirtschaftswachstum in Folge der Finanzkrise wie in den meisten Industrieländern auch hier ein, allerdings erholte sich die Wirtschaft schnell und die Situation auf dem Arbeitsmarkt entwickelte sich positiv. In vielen anderen europäischen Ländern bewirkte die über mehrere Jahre stark ansteigende Arbeitslosigkeit anhaltende negative soziale Veränderungen. So hat die generell steigende Ungleichheit in der OECD seit 2008 nochmals deutlich zugenommen und – im Gegensatz zum Wirtschaftswachstum und zur Arbeitslosigkeit – ist keine Umkehrung dieses Trends in Sicht. Diese wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen resultierten in vielen Ländern in einer nachhaltigen Erschütterung politischer Verhältnisse. Dies betrifft etwa das Aufstreben neuer politischer Koalitionen wie auch tiefgreifende Reformen in Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik sowie Veränderungen im institutionellen Gefüge der Eurozone.

Sozial-, finanz- und steuerpolitische Auswirkungen

Zielsetzung der Tagung war ein besseres Verständnis dieser vielseitigen Dynamiken aus polit-ökonomischer Sicht. Neben dem empirischen Interesse diente die Tagung der Überprüfung und kritischen Diskussion etablierter theoretischer Modelle. Die Auswahl der Beiträge spiegelte die Vielfalt sozialwissenschaftlicher Forschung wider und ermöglichte die gegenseitige inhaltliche Befruchtung der unterschiedlichen Perspektiven. Dabei wurden die Auswirkungen der Finanzkrise auf individuelle Einstellungen und Wahrnehmungen, die Entwicklungen auf nationalstaatlicher Ebene, etwa bezogen auf politische oder gesellschaftliche Veränderungen oder Umbrüche, und auf europäischer Ebene diskutiert. Weitere Fragen bezogen sich auf die Auswirkungen der Finanzkrise in einzelnen Politikfeldern, wie etwa der Sozialpolitik, der Finanzpolitik oder der Steuerpolitik. So ist der Einfluss der Finanzkrise auf die Entwicklung der europäischen Sozialsysteme unbestritten, wird jedoch unterschiedlich interpretiert.

Ein Diskussionspunkt war, inwieweit die Krise selbst als Grund oder nur als Legitimation für langfristig geplante grundlegende Restrukturierungen im Sozialstaat interpretiert werden kann. Gleichermaßen thematisiert wurden die gesellschaftlichen Folgen sozialstaatlicher Reformen. Die durch die Finanzkrise ausgelöste Staatsschuldenkrise und die durch automatische Stabilisatoren ausgelösten Sozialausgabensteigungen erzeugten Druck auf die Regierungen, neue Steuern einzuführen und existierende anzuheben. Während frühere Forschung hauptsächlich den Anstieg indirekter Steuern beobachtete, gibt es Anzeichen, dass die Finanzkrise progressive direkte Steuern stärker gemacht und auch die internationale Kooperation gegen die Unternehmenssteuervermeidung internationaler Konzerne vorangetrieben hat.

Veränderung von Strukturen

Neben den eher politikfeldspezifischen Auswirkungen der Finanzkrise sind zehn Jahre danach weitreichende Implikationen auch auf institutioneller Ebene zu beobachten. Die intensive Austeritätspolitik führte insbesondere auf europäischer Ebene zu Veränderungen in Kompetenz- und Entscheidungsstrukturen. Bezogen auf die nationalstaatliche Ebene wurden Herausforderungen im Hinblick auf die nationale Handlungsfähigkeit sowie veränderte Steuerungsoptionen besprochen. Ausgehend von der These, dass die Finanzkrise bestehende Machtverhältnisse zumindest kurzfristig erschüttert hat, widmete sich ein weiterer thematischer Block der übergeordneten Fragestellung, inwieweit sich nachhaltige Veränderungen in Akteurskonstellationen abzeichnen. Aktuelle empirische Befunde sind widersprüchlich: So sind zwar in einigen Feldern neue Netzwerkstrukturen zu beobachten, gleichzeitig scheint es starke Beharrungstendenzen zu geben.

Heterogene nationale Reaktionen

Abschließend wurden Thesen zu spezifischen Formen des Krisenmanagements diskutiert, die sich in Folge der Finanzkrise entwickelten. Die Beiträge analysierten die Dynamiken, die sich in diesem Kontext entfalten und die konkreten politischen Auswirkungen, primär bezogen auf die Austeritätspolitik. Sie spiegelten die große Heterogenität in den verschiedenen nationalen Reaktionen auf die gleiche internationale Krise wider. Die im Rahmen der Tagung diskutierten Aspekte brachten die Vielfalt der bereits zu beobachtenden Wirkungen der Finanzkrise zum Ausdruck und verdeutlichten den Bedarf, insbesondere die langfristigen Folgen in den Fokus zukünftiger polit-ökonomischer Forschung zu stellen.

Die Tagung „Nachbeben. Zehn Jahre Finanzkrise“ fand vom 22. bis 24. Februar 2018 im Schader-Forum statt. Veranstalter waren die Sektion „Politische Ökonomie“ der Deutschen Vereinigung für Politikwissenschaft (DVPW) und die Schader-Stiftung.

Die Autorinnen:

Prof. Dr. Laura Seelkopf Ph.D. ist Juniorprofessorin am Geschwister-Scholl-Institut für Politikwissenschaften der Ludwig-Maximilians-Universität München. Sie ist Vorstandsmitglied der DVPW und der Sektion „Politische Ökonomie“.

Dr. Colette Vogeler ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Vergleichende Regierungslehre und Politikfeldanalyse der Technischen Universität Braunschweig und Sprecherin der Sektion „Politische Ökonomie“ der DVPW.

 

 

 

 

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