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Braucht der Kapitalismus eine Ethik und wenn ja, wie viele?

Artikel vom 03.08.2016

Braucht der Kapitalismus eine Ethik, um ihn zu lenken und zu beschränken oder gibt es eine Ethik, die dem Kapitalismus inhärent ist? Wie verhalten sich Ethik und Kapitalismus zueinander, ist die Ethik dem Gewinnstreben nachgeordnet oder ist sie dessen Teil?

Die ethische Einbettung des Kapitalismus

Mit diesen Fragen beschäftigten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Dialog-Cafés zu Kapitalistischer Ethik auf der Tagung Tagung „Ziemlich beste Feinde. Das spannungsreiche Verhältnis von Demokratie und Kapitalismus“, die vom 23. bis 25. Juni 2016 im Schader-Forum  stattfand. Impulsgeber waren Prof. Dr. Sven Jochem (Universität Konstanz) und Dr. Eberhard Schnebel (Commerzbank AG, Frankfurt am Main).

In Nachgang der Finanzkrise ab 2007 wurde in der Debatte um ihre Ursachen und Verursacher vielfach die Meinung vertreten, die Gier der Banker sei für die Krise verantwortlich zu machen. Mit dieser ethisch-moralischen Aufladung der Debatte stellt sich die Frage, ob es eine Ethik des Kapitalismus gibt oder, ob der Kapitalismus eine Ethik braucht. Der Impulsgeber Sven Jochem stellt das Verhältnis von Ethik und Kapitalismus in fünf Thesen dar. Die erste These lautet: Der Kapitalismus ist ethisch, da der Zugang zum Marktsystem prinzipiell frei ist: Zwei Akteure tuen sich gegenseitig in einem Handel etwas Gutes. Diese minimalistische ethische Substanz des Kapitalismus ist universalistisch sowie territorial und funktional grenzenlos.

Wie kann man den Kapitalismus ethisch einbetten? Hier argumentiert Sven Jochem mit einer zweiten These gegen die deliberative Selbstverständigung der Zivilgesellschaft. Die Erwartung des zwanglosen Zwangs des besseren Arguments sei eine realitätsferne, aber auch eine sozialromantische und elitäre, nur aus Sicht von Akademikern mögliche Idee. Die dritte These betrifft die Vorstellung, die ethische Einbettung des Kapitalismus gelänge über Institutionen. Diese institutionelle Einbettung  durch Verrechtlichung und Verregelung sei nicht belastbar, da sie nur regional und auch inhaltlich selektiv sei. Marktprozesse könnten demnach nur in bestimmten Weltregionen reguliert werden, und die Regulierung beziehe sich inhaltlich nur auf den Zugang, nicht aber auf die Begrenzung des Marktes an sich. Zudem sei eine solche Einbettung zwar legitim, aber nicht demokratisch im Sinne der ethischen Selbstbestimmung.

Viertens vertritt Sven Jochem die These, man denke zu wenig über die Bedingungen der Möglichkeit von Demokratie nach. Eine normativ verpflichtende ethische Grenzziehung des Kapitalismus erfolge über den demokratischen Wohlfahrts- und Rechtsstaat, da über ihn jederzeit revidierbare, kontingente ethische Ordnungen gesetzt werden können. Ohne staatliche Perspektive könne wenig ethische Substanz gesetzt werden. Damit wird bereits die letzte These angeführt, die philosophische Begründung ethischer Prinzipien sei gescheitert. Da aber dennoch Normen gesetzt werden müssen, ist es die Aufgabe staatlichen Zwangs, also der Administration, Normen zu setzten, die jedoch kontingent und revidierbar sind. Es bestehe daher die praktische Notwendigkeit ethischer Promiskuität.

Ethisch-moralische Kriterien für Normsetzungen

In der Diskussion wird zunächst auf die notwendigen Unterscheidungen zwischen Ethik und Moral und zwischen deskriptiver und normativer Ethik hingewiesen. Ethik, verstanden als Reflexion über moralische Normen, kann deskriptiv beschreibend sein oder die Frage stellen, welches Handeln moralisch richtig ist. In Bezug auf die erste These wird die Frage aufgegriffen, welche Ethik dem Kapitalismus deskriptiv betrachtet innewohnt und, ob man nicht sogar von mehreren Ethiken sprechen müsse. Diese Ethiken seien sogar mehr als minimalistisch, man denke nur an die Ethiken von Leistung, Verantwortung oder die Arbeitsethik, aber auch an die Ethik eines egoistischen Konsumverhaltens. Hier fehle es jedoch an einem normativ ethischen Überbau, einem Gewissen, dessen Anwendung innerhalb von Marktstrukturen aber möglicherweise bestraft wird. Staatliche Institutionen stellen dazu eine von vielen möglichen Alternativen dar.

Zur letzten These, der Wohlfahrt- und Rechtsstaat müsse ethische Normen mit Zwang setzten, wird angemerkt, dass auch die Urteile des Staates auf irgendeine Weise, sei es diskursiv oder willkürlich, zustande kommen müssen. In Demokratien habe man es dann lediglich mit einer Verschiebung der Verantwortung vom Individuum auf den staatlichen Regelsetzer zu tun. Auf individueller wie auf staatlicher Ebene bestehe aber das Problem eines fehlenden Fundamentes an Normen. Darüber, auf welche konkrete Weise in demokratischen Staaten solche Setzungen von Normen zustande kommen können, herrscht auch in der Diskussion Unklarheit.

Ethik im Kontext von Wettbewerb

Ausgehend von den gesellschaftlichen Grundbedürfnissen, die das Überleben sichern, und der Arbeitskraft, die wiederum diese Bedürfnisse sichern muss, geht der Impulsgeber Eberhard Schnebel auf die Frage ein, was Ethik in einem Wettbewerbskontext bedeutet. Das Einbringen der eigenen Arbeitskraft in den wirtschaftlichen Wettbewerb, in dem auch Staaten und Unternehmen stehen, sei für die arbeitsteilige Nutzung der Arbeitskraft notwendig. Dieser Wettbewerb funktioniert mithilfe von Geld und Preisen, über die auf indirekte Weise Informationen über Bedürfnisse und Interessen ausgetauscht werden. Mit der Herausbildung der Finanzwirtschaft kam die Möglichkeit hinzu, zusätzlich auch mit Zahlungsversprechen um Ressourcen zu konkurrieren. Wenn Kapitalismus bedeutet, in einem Wettbewerb der Arbeitskräfte und Ressourcen zu stehen, müsse man diese Wettbewerbssituation ernst nehmen und Moralität aus der Basis dieser Wettbewerbssituation heraus entwickeln. Notwendige Regulierungen, wenn es etwa zur Ausbeutung öffentlicher Güter kommt, können dann an den Rahmenbedingungen der Wettbewerbssituation, den „Spielregeln“, ansetzen.

Fehlende Wertebasis

Uneinigkeit herrscht in der Diskussion zunächst über den Begriff des Kapitalismus, der auch Formen der Akkumulation von Marktmacht und politisch struktureller Macht beinhalte. Auch die Auffassung, aus Wettbewerb könne eine Form von Ethik entstehen wird, von einigen Diskutanten kritisch gesehen, da höhere ethische Ansprüche an das eigene Handeln im Wettbewerb zu einem Nachteil werden. Es sei problematisch, dass bestimmte Handlungen, die etwa zur Ausbeutung öffentlicher Güter führen, nur über die Angst vor staatlichen Sanktionen verhindert werden können und nicht durch einen grundlegenden Wertekanon. Regulierungen und Sanktionen würden demnach einen nur unzureichenden Ersatz für die ethische Einbettung des Kapitalismus in die Gesellschaft darstellen. Für einzelne Personen, wie auch für Banken, gelte es zu fragen: Überschreite man mit dem Ausloten staatlich gesetzter Regeln nicht schon moralische Grenzen? Als Beispiel wird die Wasserversorgung angeführt. Die Befriedigung elementarer Grundbedürfnisse könne nicht dem Wettbewerb überlassen werden, denn die universelle Ethik des Wettbewerbs sei nicht normativ reflektiert. Dies führe etwa auch dazu, dass bestimmte Kosten systematisch externalisiert werden. Eberhard Schnebel sieht die Banken zwischen gesundem Menschenverstand, ethischen Überlegungen und Marktzwängen hin und her gerissen. Der interne wie externe Regelungsbedarf gehe über das hinaus, was der Staat ohnehin verbietet. Wie in der ersten Runde bleibt die Frage offen, an welchen grundlegenden und allgemein anerkannten Werten sich der Staat bei einer Regulierung orientieren kann.

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