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Sechs Millionen Jahre Evolution des Menschen und (k)ein Ende?

Artikel vom 08.03.2017

Der Zwergschimpanse Kanzi beherrscht eine komplexe Symbolsprache und gewinnt das Computerspiel Pac-Man. Intelligenz ist eine auffällige Gemeinsamkeit von Bonobos und Menschen. Ihr Hauptunterschied liegt in unserem großen Gehirn. Während unsere Vorfahren Afrika verließen und sich über die Welt ausbreiteten, blieben Schimpansen in Afrika heimisch. Von Oliver Sandrock

„Out of Africa“

Gelegentliche Zweibeinigkeit ist bei Menschenaffen bekannt. Gewohnheitsmäßige Zweibeinigkeit, die habituelle Bipedie, kennen wir nur von wenigen Säugetieren, wie Menschen oder Kängurus. Unsere frühesten Vorfahren sind etwa sechs Millionen Jahre alt, ab etwa vier Millionen Jahren bewegten sie sich dauerhaft aufrecht. Vielleicht war die Wahl des effektivsten Nahrungstransportes – „Ich trage so viel wertvolle Nahrung, wie ich auf einmal kann“ – für die Entwicklung der Bipedie ausschlaggebend. Das Freiwerden der Hände führte dann dazu, Werkzeuge, Waffen oder Kinder tragen zu können.

Werkzeuge waren eine Alternative zum Kauapparat der Vor- und Frühmenschen, um auch härtere Nahrung aufzunehmen. Der Gebrauch von Steinwerkzeugen ist schon beim Vormenschen Australopithecus - Südaffe - vor 3,2 Millionen Jahren belegt. Als Hersteller der mit 2,6 Millionen Jahren bislang ältesten Geröllwerkzeuge gelten die ersten Vertreter der Gattung Homo, also Mensch. Diese sogenannten Oldowan-Werkzeuge wurden über eine Million Jahre unverändert weiter genutzt.

Vor circa zwei Millionen Jahren begann in Afrika die Entwicklung zu einem neuen Hominiden-Typen, dem Homo erectus. Es mag die Fähigkeit zum Ausdauerrennen gewesen sein, die ihn von seinen Vorfahren unterschied. Durch die Beherrschung des Feuers gilt er zudem als erster Koch, was sich als Schlüssel für den evolutionären Erfolg des Menschen erweisen sollte. Gekochte Nahrung ist schneller gegessen, vorverdaut, entgiftet und zudem schmackhaft. Nach Aufkommen der Acheuléen-Kultur mit dem typischen Homo erectus-Faustkeil erfolgte eine zweite Stasis auf dem Werkzeugmarkt, die wiederum fast eine Million Jahre dauerte. Homo erectus – oder ein bislang noch nicht durch Funde nachgewiesener Vormensch – verließ den afrikanischen Kontinent kurz nach seinem Auftreten. Während dieser „Out of Africa I“ genannten Ausbreitung erreichten die frühen Menschen den Kaukasus und kurz darauf Südostasien. Aus der europäischen Variante des Frühmenschen Homo erectus, dem Homo heidelbergensis, gingen die Neandertaler hervor. Aus dessen afrikanischer Variante, dem Homo rhodesiensis, sollte sich der anatomisch moderne Mensch entwickeln.

Die ältesten Nachweise des anatomisch modernen Homo sapiens sind 195.000 Jahre alt und stammen aus Äthiopien. Seine Ausbreitung aus Afrika fand allerdings erst 100.000 Jahre später statt und wird als „Out of Africa II“ bezeichnet. In der Levante traf der moderne Mensch auf den Neandertaler. Genetische Forschungen ergaben, dass sich beide dort vor etwa 70.000 bis 50.000 Jahren kreuzten – mit dem Ergebnis, dass Nicht-Afrikaner bis zu 4% Neandertaler-DNA in sich tragen.

Unsere Gehirngröße nahm zwischen 800.000 bis 200.000 Jahren, Zeiten großer Klima-Fluktuationen, so schnell zu wie nie zuvor. Ob unsere Evolution abgeschlossen ist, wissen wir nicht, denn die messbaren Zeiträume sind viel zu kurz. Im Vergleich zu unseren Vorfahren vor 60.000 Jahren sind wir beispielsweise filigraner und haben kleinere Gehirne. Einige Wissenschaftler gehen davon aus, dass evolutionäre Prozesse heute nur noch kultureller Art sind. Erst der moderne Mensch entwickelte eine komplexe Sprache, ausgefeilte Waffen und schuf Kunst wie Höhlenmalerei oder plastische Figuren. Über Nachahmung und symbolische Vermittlung überliefertes Wissen werden wir heute nachfolgenden Generationen zunehmend in digitaler Form vererben.

Die letzte Erfindung des Menschen: Maschinenintelligenz?

Was sind unsere Zukunftsszenarien? Lag die durchschnittliche Lebenserwartung eines Neandertalers zwischen 15 und 30 Jahren, wird in Deutschland im Jahr 2050 eine Lebenserwartung von 93 Jahren erwartet. Medizinische Fortschritte ermöglichen es heute, dass 95 bis 99% der Neugeborenen am Leben erhalten werden. Schon jetzt können Gedanken künstliche Hände steuern und Exoskelette Gelähmte zum Laufen bringen.

Die Transhumanismus-Bewegung strebt an, Gen-, Bio- und Nanotechnologie, Informatik und Robotik so zu kombinieren, dass Menschen leistungsfähiger, gesünder und stärker werden. Ein Szenario betrifft autonome Mini-Roboter, sogenannte Nanobots, die Krankheitsherde in unseren Zellen oder der Blutbahn bekämpfen. Nanobots, die sich in unserem Gehirn bewegen, so die Annahme, wären bereits in den 2030er Jahren soweit, sich mit einer Computer-Cloud zu verbinden und Informationen direkt an unser Gehirn zu senden.

Ray Kurzweil, Chefingenieur von Google, beschreibt mit dem Begriff „Singularität“, dass künstliche Intelligenz im Jahr 2045 bereits so weit entwickelt sei, dass sie mit der menschlichen verschmelzen könne. Der Philosoph Nick Bostrom empfindet die Entwicklung künstlicher Intelligenz dagegen als existenzbedrohend. Seiner Meinung nach wird Maschinenintelligenz die letzte Erfindung des Menschen sein. Danach werden Maschinen besser erfinden können.

Philip K. Dick ließ in seinem bereits 1968 erschienenen Roman „Do androids dream of electronic sheep?“ – später als „Blade Runner“ verfilmt – einen Emotionstest zwischen Menschen und Replikanten unterscheiden. Entwickeln Roboter Empathie, sind hypermenschliche Androiden bald keine Science Fiction mehr. Was das allerdings für die biologische Evolution bedeuten würde, kann bisher niemand auch nur erahnen. Alles wird auch davon abhängen, ob sich technoide hybride Wesen werden selbstständig reproduzieren können, die Grundlage aller Evolution.

Der Autor: Dr. Oliver Sandrock ist Kustos für Wirbeltierpaläontologie am Hessischen Landesmuseum Darmstadt. Seit mehr als 20 Jahren ist er unseren Vorfahren in Ostafrika auf der Spur. Im Herbst 2015 kuratierte er die Ausstellung „Expanding Worlds“, in der berühmte Originalfossilien aus Afrika, Asien, der Levante und Europa präsentiert wurden.

Der Beitrag erschien zuerst im Katalog der Ausstellung „Human Upgrade“, die vom 14. Oktober 2016 bis 5. März 2017 in der Galerie der Schader-Stiftung gezeigt wurde.

Zum Weiterlesen

Ray Kurzweil, 2014: Menschheit 2.0: Die Singularität naht. Berlin: Lola Books.
Hermann Parzinger, 2015: Die Kinder des Prometheus: Eine Geschichte der Menschheit vor der Erfindung der Schrift. München: C.H. Beck Verlag.
Nick Bostrom, 2016: Superintelligenz: Szenarien einer kommenden Revolution. Berlin: Suhrkamp Verlag.


Zum Schauen

Ridley Scott: Blade Runner, 1982
James Cameron: Terminator, 1984
Steven Spielberg: A.I. – Künstliche Intelligenz, 2001
Alex Proyas: I, Robot, 2004
Alex Garland: Ex Machina, 2015

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