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Die Ordnung des Verhältnisses von Freiheit und Sicherheit im Netz

Artikel vom 02.11.2015

Foto: Antonov Roman/Shutterstock.com

Welche Semantiken von Freiheit und Sicherheit finden sich im netzpolitischen Diskurs? Welche Konsequenzen werden daraus in der Politik in Bezug auf die Ordnung des Verhältnisses von Freiheit und Sicherheit im Netz gezogen? Von Alina Gute

Potential zur Realisierung von Freiheit oder Instrument zu ihrer Beschränkung?

Im Internet stehen Freiheit und Sicherheit als gesetzte Zielpunkte in einem Spannungsverhältnis. Auf der einen Seite bietet das Internet ein großes Potential zur Realisierung von Freiheiten — auch von politischen Freiheitsrechten. Wie auf der anderen Seite staatliche Abhörmaßnahmen nicht nur von autoritären, sondern auch von demokratischen Systemen verdeutlichen, stellt das Netz ebenso ein Instrument der Beschränkung von Freiheitsrechten der eigenen Bürgerinnen und Bürger oder von Menschen aus anderen Staaten dar.

Dieses Spannungsverhältnis war Thema des Theorie-Praxis-Dialogs „Ordnung von Freiheit und Sicherheit im Netz“, der in Kooperation mit der Schader-Stiftung im Rahmen des Kongresses der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft (DVPW) „Vorsicht Sicherheit! Legitimationsprobleme der Ordnung von Freiheit“ veranstaltet wurde.

Prof. Dr. Michael Waidner, Leiter des Fraunhofer Instituts für Sichere Informationstechnologie in Darmstadt, eröffnete die Diskussion mit einem Impulsreferat und nahm dabei auch eine technische Perspektive auf das Thema ein. Im Anschluss diskutierten mit ihm Prof. Dr. Jeanette Hofmann, Politikwissenschaftlerin am Alexander von Humboldt Institut für Internet und Gesellschaft (HIIG) sowie am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Politikerin und ehemalige Bundesministerin der Justiz.

Das Gespräch moderierte der Politikwissenschaftler Prof. Dr. Christoph Bieber, Inhaber der Johann Wilhelm Welker-Stiftungsprofessur für Ethik in Politikmanagement und Gesellschaft an der NRW School of Governance der Universität Duisburg-Essen.

Das Recht auf Selbstbestimmung im digitalen Netz

Das Impulsreferat „Digitale Souveränität - Sicherheit und Privatsphäre in der digitalen Gesellschaft“ von Michael Waidner stützte sich auf die Fragen „Was sind Risiken?“, „Wie können sich die Bürger vor Datenmissbrauch schützen?“ und „Wie sieht das eigene Selbstbestimmungsrecht im Zusammenhang mit der digitalen Welt aus?“. Michael Waidner nahm aufgrund seiner Funktion als Leiter des Fraunhofer-Instituts für Sichere Informationstechnologien eine technische Perspektive auf das Thema ein.

Die digitale Souveränität, also das Recht auf Selbstbestimmung im digitalen Netz, umfasst nach Waidner insbesondere die Fähigkeit, die digitale Welt zu gestalten, deren Sicherheit, den Erhalt der Privatsphäre und das Vertrauen in die drei erst genannten Qualitäten. Digitale Souveränität bezieht sich auf Bürger, Unternehmen und Staaten. Vor dem Hintergrund, dass jährlich viele Organisationen, Unternehmen sowie Bürgerinnen und Bürger mit Cyberangriffen und Spionage konfrontiert sind, nimmt vor allem die Cybersicherheit eine nationale Bedeutung ein. Die Vulnerabilität der Unternehmen und der Bürger gegenüber Cyberangriffen ist hoch. Was genau bildet ein Risiko im Cyberraum? Lange Innovationszyklen in der IT, Ansammlung von Big Data, die unzureichende Softwarequalität und eine schlechte Benutzerfreundlichkeit stellen einige der vielen verschiedenen fundamentalen Probleme und Risiken im Netz dar, aber auch die Tatsache, dass entwickelte Sicherheitsmaßnahmen wie zum Beispiel E-Mail-Verschlüsselungen zu wenig angenommen werden.

Der Schutz vor den Risiken im Cyberraum sollte nach Waidner auf mehreren Ebenen stattfinden: Schutz durch die Nutzerinnen und Nutzer selbst, Schutz durch den Staat und die EU, Schutz durch Forschung. Nur so kann ein nachhaltiger Schutz gewährleistet werden. Bürger vor Datenmissbrauch zu sichern kann durch einen verbesserten Verbraucherschutz und durch eine Steigerung der Kompetenz gewährleistet werden. Außerdem kann durch sichtbare Sicherheitskriterien, Einführung von Zertifikaten oder Tests ein Schutz im Cyberraum ermöglicht werden. Durch die EU und die nationalen Staaten kann die Sicherheit im Cyberraum zum Standard gemacht werden. Die EU muss eine Vorreiterrolle im Bereich Cybersicherheit und vertrauenswürdiger Informations- und Kommunikationstechnologien einnehmen, was ihr bis jetzt noch nicht gelungen ist, so Michael Waidner.

Die Forschung bildet eine weitere Ebene, auf welcher der Schutz gegen Cybermissbrauch verbessert werden kann. So lassen sich durch eine Verkürzung von Innovationszyklen bei den Sicherheitsvorkehrungen in der IT-Branche die Risiken im Netz verringern. An dieser Stelle kann der Staat durch Investitionen langfristig die Cybersicherheit fördern.

Digitale Souveränität

Es geht bei der digitalen Souveränität, so Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, um die Souveränität der Bürgerinnen und Bürger, um deren Bestimmungsrecht über sich selbst, über die eigenen Daten und über das, was als privat gilt. Sind wir bereits im „Post-Privacy-Zeitalter?“, fragt sie und zielt dabei auf das unbedarfte Verhalten vieler Menschen im Netz.

Jeanette Hofmann sieht eher einen Rückgang im „Post-Privacy“-Verhalten bei der Internetnutzung. Zugleich weitet sie den Begriff der digitalen Souveränität aus. Es geht um Selbstkontrolle und individuelle Handlungskompetenz, ebenso geht es aber auch um wirtschaftliches Handlungsvermögen und nationale Unabhängigkeit. Die nationale Souveränität wird aufgrund technischer Abhängigkeiten und durch internationale Datenschutzabkommen eingeschränkt. Die Digitalisierung führt dazu, so Hofmann, dass die nationalstaatliche Bestimmung von Souveränität neu ausgehandelt werden müsste.

Beide Rednerinnen verweisen auf veränderte Perspektiven im Hinblick auf Freiheit und Schutzbedürfnis. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger betont den Wandel der notwendigen Freiheitsverteidigung. Während früher der Bürger seine Freiheit vor dem Staat sichern musste, muss er dies heute eher vor Unternehmen wie Google oder Amazon tun. Dem Staat hingegen fällt die Aufgabe zu, die Freiheit seiner Bürgerinnen und Bürger zu verteidigen, was aber nicht immer gelingt. Jeanette Hofmann sieht diesen Wandel aus der Perspektive des Internets. Während noch vor fünfzehn Jahren das Internet als emanzipatorischer Freiraum jenseits des Staates gefeiert wurde, wird nun der Ruf nach dem Staat zur Erhöhung der Sicherheit im Internet laut.

Die Politik als Akteur

Wie sieht es aus mit der Rolle des Staates beziehungsweise der Politik? Nach Leutheusser-Schnarrenbergers Einschätzung geht es ohne eine gewisse Regulierung im Internet nicht, allerdings darf diese nicht nur auf nationaler Ebene erfolgen. Benötigt wird zwingend ein europäischer Rahmen für die IT-Sicherheit, um die Privatsphäre, den Schutz der Bürger im Cyberraum zu gewährleisten. Gleichzeitig soll dieser einen allgemeinen Datenschutzstandard darstellen, der sowohl für europäische Unternehmen als auch für Unternehmen gilt, welche ihren Sitz im Ausland, aber europäische Kunden haben. Dies muss vor allem für große IT-Konzerne wie Google, Amazon oder Facebook gelten, so Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Der Staat beziehungsweise die übergeordneten politischen Ebenen tragen als Akteure die Verantwortung für die Sicherheit im Netz. Allerdings hängt die Gesetzgebung der schnellen IT-Entwicklung hinterher. Wir brauchen ein Co-Design von Technik und Gesetzgebung, stimmt Michael Waidner zu. Christoph Bieber und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger fordern, dass bei technischen Entwicklungen von Anfang an Juristen und Sozialwissenschaftler involviert sind.

Erschwerend kommt bei der Verantwortung des Staates hinzu, dass dessen eigene Interessen jedenfalls zum Teil gegen die digitale Souveränität der Bürgerinnen und Bürger sprechen. So hat der Staat mit Blick auf seine Geheimdiensttätigkeit kein Interesse an einer funktionierenden Verschlüsselung im Internet. Insofern bleibt als Fazit wohl der Schluss, dass die Bürgerinnen und Bürger nicht nur ihre Interessen gegen große Unternehmen im Internet durchsetzen müssen, sondern letztlich auch gegenüber ihrem eigenen Staat.

Die Autorin: Alina Gute war von September 2015 bis November 2015 Praktikantin bei der Schader-Stiftung

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