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Wege zur interkulturellen Öffnung - Kommunale Verwaltung im Wandel

Artikel vom 16.10.2012

Kommunen sollten das Thema Zuwanderung verstärkt als Chance betrachten und mit anderen Zukunftsaufgaben verknüpfen, um die Schwächen der herkömmlichen Integrationspolitik zu überwinden. Doch in der Regel verfügt die Verwaltungsebene in Kleinstädten und kleinen Mittelstädten bislang über wenig Erfahrung mit dem Thema der interkulturellen Öffnung. Wie gelingt interkulturelle Organisations- und Personalentwicklung und die Vermittlung interkultureller Kompetenz?

Interkulturelle Organisations- und Personalentwicklung in öffentlichen Verwaltungen

Die interkulturellen Öffnung kommunaler Verwaltungen spielt sich auf fünf Handlungsfeldern ab. Diese sind:

  1. Interne Kultur der Organisation
  2. Gesetzliche Grundlagen
  3. Dienstleistungsorientierung
  4. Interkulturelle Kompetenz
  5. Öffnung nach Außen

Der erste Schritt zur interkulturellen Öffnung liegt in der Reflexion der eigenen Organisation – wie viele Mitarbeiter anderer Herkunft in der Organisation arbeiten und inwieweit das Thema bereits Einzug auf allen Hierarchiestufen der Organisation gehalten hat. Die Frage der Wirksamkeit interner und externer Kommunikationsstrukturen und Kooperationsmodelle ist hierbei von entscheidender Bedeutung. Darüber hinaus mus eine geschlechtergerechte und situationsgerechte Sichtweise im Vordergrund stehen, welche die individuelle Lebenssituation der Mitarbeitenden berücksichtigt. Die Organisations- und Personalentwicklung betreffend sind verschiedene Maßnahmen, wie die Festlegung von jährlichen Steigerungszahlen oder ein gezieltes Personalmarketing zur Rekrutierung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit Migrationshintergrund anzudenken. Im Bereich (Weiter-)Bildung ist eine aktive Einflussnahme auf die Anpassung von Ausbildungsinhalten oder die Durchführung von Seminaren und Trainings zum Thema Diversity und Interkultureller Kompetenz zu diskutieren. Wichtig bei allen durchgeführten Maßnahmen sind stets die Evaluation ihrer Wirkung und die Erarbeitung von Verbesserungsvorschlägen.

Die gesetzlichen Grundlagen des Verwaltungshandelns sollten eine interkulturelle Öffnung erlauben und unterstützen, können dieser jedoch auch widersprechen. Hinderliche, diskriminierende oder barrierefördernde Gesetze und Vorschriften sind zu identifizieren und, soweit in eigener Hoheit möglich, zu ändern, um eine gesetzliche Grundlage für barriere- und diskriminierungsfreie Integrationsprozesse zu schaffen. Wichtig ist, dass die gesetzlichen Grundlagen auch für Menschen anderer Herkunft verständlich und transparent gestaltet werden und wichtige Informationen aus dem Ausland abgerufen werden können.

Eine verstärkt kundenorientierte Sichtweise im Verwaltungshandeln ist wichtig. Prozesse sind demnach nicht nur von den eigenen Regularien der Verwaltung ausgehend, sondern vom „Kunden“ her zu strukturieren. Zentral ist es, einen an die jeweilige Lebenssituation angepassten Integrationsprozess aktiv zu begleiten und lösungsorientiert zu agieren. Ziel sollte sein, Schlüsselprozesse der Integration zügig abzuwickeln, um Menschen mit Migrationshintergrund den schnellen Aufbau ihres privaten und beruflichen Umfeldes wie auch ihre materielle Unabhängigkeit zu ermöglichen. Die Begleitung und ausführliche individuelle Beratung der Migrantinnen und Migranten, unterstützt durch Paten und ehrenamtliche Berater, erscheint ebenfalls förderlich.

Die Verwaltungsmitarbeiter müssen ihre interkulturelle Kompetenz, Denk- und Handlungsweisen kritisch hinterfragen und gegebenenfalls schärfen. Dem Vorhandensein von Kenntnissen über die Kultur, Politik und das Bildungssystem in den Herkunftsländern der Migrantinnen und Migranten kommt ebenso entscheidende Bedeutung zu wie vorurteilsfreiem Denken und Handeln. Ferner ist erforderlich, durch eine entsprechende Kommunikation das Vertrauen in staatliches Handeln, vor allem bei Menschen mit Migrationshintergrund zu verbessern.

Die Öffnung der eigenen Organisation nach außen zeigt sich in der Vernetzung mit anderen Akteuren und einer aktiven Akquise. Hierzu bedarf es der Einbindung in Projekte zur interkulturellen Öffnung innerhalb der Region und einer offensiven Bewerbung beziehungsweise Vermarktung der Region, auch im Ausland, um die gewünschten Zielgruppen zu erreichen und Zuwanderung zu fördern. Für eine erfolgreiche Öffnung nach außen ist eine umfangreiche Kontaktpflege mit Unternehmen und eine enge Zusammenarbeit mit den umliegenden Städten und Gemeinden im Bereich der interkulturellen Öffnung bedeutsam. Ebenso von Belang ist das Informieren über geltende Einwanderungsbedingungen in den Partnerländern, die Schaffung zielgruppenspezifischer Angebote im Bereich des Arbeitsmarktes und die Organisation von Begegnungsmöglichkeiten, beispielsweise auf Festen und Veranstaltungen. Für die Projektorganisation im Bereich der interkulturellen Öffnung von Kommunen ist die Erarbeitung und Umsetzung einer politischen Gesamtstrategie entscheidend. Dieser Prozess kann durch einen „kommunalen Vergleichsring interkultureller Öffnung“ begleitet werden, der dem Ansatz eines Benchmarks der Region zum Stand der interkulturellen Öffnung folgt und eine Förderung des qualitativen Austauschs der Regionen zum Ziel hat. Um die Nachhaltigkeit von Vorhaben zu gewährleisten, ist eine strategische Steuerung und Leitung der Organisationen ebenso bedeutsam wie der Einsatz von Projektleitern und Projektteams in den regionalen Organisationen, die den Prozess der interkulturellen Öffnung aktiv vorantreiben. Auf der operativen Ebene sollten Teilprojektgruppen verschiedene Aufgabenpakete zur interkulturellen Öffnung umsetzen.

Neue Ansätze zur Vermittlung interkultureller Kompetenz und Bausteine eines Fortbildungsprogramms

Das herkömmliche Verständnis interkultureller Kompetenz in der Praxis erweist sich aus Expertensicht als problematisch und bringt ineffektive Vermittlungsansätze hervor. Dies resultiert aus einem veralteten Kulturverständnis, wonach Kulturen feste Grenzen - beispielsweise Ländergrenzen - haben, kohärente Inhalte besitzen und Menschen primär einer Kultur angehören. Diese Annahme hat zur Folge, dass die Herausforderung interkulturellen Handelns in einer Kollisionsbewältigung gesehen wird. Hierbei gilt es, zwischen drei Ebenen zu unterscheiden: 1. der kognitiven Ebene, auf welcher die Schwierigkeit der Interkulturalität auf einem gegenseitigen Unwissen über die fremden kulturellen Systeme basiert; 2. der affektiven Ebene, auf der sich das Problem eines Bedrohungsgefühls stellt, da das Aufeinandertreffen unterschiedlicher Kulturen nicht als etwas Alltägliches, sondern als Ausnahmesituation wahrgenommen wird; 3. der konativen Ebene, bei welcher die Schwierigkeit darin besteht, dass Situationen des Zusammentreffens verschiedener Kulturen stets mit Konflikten behaftet sind und man nur schwer zu Einigungen kommt. Bisherige Trainings setzen sich vor allem mit den Herausforderungen einer solchen Kollision auseinander und verhindern, eine interkulturelle Situation als Normalität zu empfinden.

Wichtig für die Vermittlung interkultureller Kompetenz ist ein neuer Kulturbegriff, der zwischen verschiedenen Perspektiven trennt, zum einen zwischen einer kollektiven und einer kulturellen Ebene und zum anderen zwischen gruppenspezifischen und individuellen Phänomenen. Hierdurch entsteht ein grundlegend anderes Verständnis von Interkulturalität, wonach Kollektive zwar feste Grenzen haben, Grenzen von Kulturen jedoch nicht fest, sondern veränderbar sind. Inhalte von Kulturen müssen somit nicht kohärent sein. Die Gemeinsamkeit der Angehörigen einer Kultur ergibt sich folglich aus der Vertrautheit mit den Unterschieden. Aus dem neuen Kulturbegriff leitet sich bezüglich der Frage der Kollektivzugehörigkeit ab, dass Menschen nicht nur einer Gruppe angehören, sondern gleichzeitig Mitglieder mehrerer Gruppen sind. Menschen einer Kultur müssen sich demnach nicht zwingend ähneln. Individuelle Eigenschaften sind nicht determiniert.

Ein innovatives Fortbildungsprogramm auf Basis des neuen Ansatzes interkultureller Kompetenz sollte auf drei Bausteinen aufbauen: 1. Information über Zielgruppen wie soziodemographisches Wissen, Landeskunde, Religion, wobei die Vermittlung dieser Kenntnisse aber noch nicht den Kern eines interkulturellen Trainings darstellt; 2. Vermittlung einer neuen „Kulturtheorie“, die auf zentralen Konzepten zum Verständnis von Kultur, Kollektivität und Zusammenleben aufbaut; 3. Trainieren konkreter Verhaltensstrategien, wie interkulturelle Situationen erkannt, Vertrautheit mit der eigenen Situation geschaffen und entsprechende Verhaltensweisen eingeübt werden können. (Vgl. Abbildung in der Bildergalerie) Das Programm erfordert persönliche Coachings der einzelnen Mitarbeitenden auf allen Ebenen.

Die Lernziele der Vermittlung neuer „Kulturtheorie“ sind im Wesentlichen die Unterscheidung von Kultur und Kollektiv, die Multikollektivität des Individuums sowie das Verständnis von Interkulturalität als Situation der Wahrnehmung fehlender kollektiver Zugehörigkeit. Die eigentliche interkulturelle Kompetenz liegt somit darin, die eigene Wahrnehmung von Gruppenzugehörigkeiten zu überwinden. Verhaltenstrainings sollten demnach darauf zielen, interkulturelle Situationen zu erkennen, sich mit der eigenen Reaktion vertraut zu machen (Self Awareness) und passende Verhaltensstrategien der Inklusion, der Vertrautmachung und der Kulturproduktion einzuüben und umzusetzen.

Anknüpfungspunkte für interkulturelle Öffnung im Rahmen kommunaler Verwaltungsreformen

Wie können die laufenden Verwaltungsreformen in den Ländern und Kommunen genutzt werden, um Integrationspotenziale in vom Strukturwandel betroffenen ländlichen Regionen im Rahmen der interkulturellen Öffnung zu fördern? Das kann beispielhaft an drei Reformenvorhaben demonstriert werden:

  • Funktionalreformen/Gebietsreformen
  • E-Government/E-Partizipation
  • Neues Steuerungsmodell/Managementreformen

Bei dem Thema interkulturelle Öffnung sind zwei Trends zu beachten. Zum einen werden vermehrt gesellschaftliche Prozesse über Netzwerke gesteuert. Zum anderen bilden sich Kooperationen über Verwaltungsebenen hinaus, beispielsweise zwischen Land und Kommunen. Die Voraussetzung für eine interkulturelle Öffnung kommunaler Verwaltung ist die Akzeptanz seitens der entscheidenden Akteure, diese freiwillig als kommunale Aufgabe zu akzeptieren und als Führungsaufgabe zu etablieren. Interkulturelle Öffnung muss als Querschnittsaufgabe in der kommunalen Politik verankert werden. Verallgemeinerungen in Bezug auf interkulturelle Öffnungsprozesse in den Projektkommunen erscheinen aufgrund der Heterogenität ländlicher Räume eher problematisch. Unterschiedliche Rahmenbedingungen in Kommunen ergeben sich unter anderem aus ihren Organisationsstrukturen sowie durch spezifische lokale Traditionen, die jeweilige Zuwanderungsgeschichte und den Grad der Selbstorganisation der vor Ort ansässigen Migrantinnen und Migranten. Dementsprechend sind differenzierte Lösungen notwendig. Der Schlüssel in Bezug auf Verwaltung liegt in der Arbeits-und Aufgabenteilung zwischen den Landkreisen und den kreisangehörigen Städten und Gemeinden. Die Einbeziehung der Landkreise kann sich als positiv erweisen, da auf diesem Weg eventuelle Schwächen der Kommunen auszugleichen sind.

Funktional-und Territorialreformen
Mögliche Anknüpfungspunkte für interkulturelle Öffnungsprozesse können in Funktional-und Territorialreformen gesehen werden. Die Ziele dieser Reformen, bei denen es im Ergebnis um einen Neuzuschnitt der territorialen Gemeindegrenzen geht, sind effizientere Verwaltungsstrukturen, die Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung sowie Kosteneinsparungen in der Kommunalverwaltung. In den Reformen ist eine Stärkung der Landkreise zu sehen, die für die Umsetzung kommunaler Strategien zur interkulturellen Öffnung wiederum von zentraler Bedeutung sind. Zu berücksichtigen sind jedoch die Akzeptanz und langen Gewöhnungsphasen kommunaler und zivilgesellschaftlicher Akteure im Umgang mit den Gemeindegebietsreformen.

E-Government und E-Partizipation
Weitere Anknüpfungspunkte für den Prozess der interkulturellen Öffnung liegen im Verfahren des E-Governments. Das Anliegen interkultureller Öffnung könnte in den online zugänglichen Dienstleistungsangeboten, beispielsweise durch eine mehrsprachige Veröffentlichung der Angebote, eingebracht werden. Je interaktiver das öffentliche Angebot, desto besser kann es für das Ziel der interkulturellen Öffnung genutzt werden. Von E-Government zu unterscheiden ist das Verfahren der E-Partizipation, eine Möglichkeit internetgestützter Teilhabe der Bürger an Entscheidungsprozessen, welches auch für interkulturelle Öffnungsprozesse genutzt werden kann.

Neues Steuerungsmodell/Managementreformen
Der dritte Reformansatz liefert in zwei Punkten Anknüpfungsmöglichkeiten interkultureller Öffnungsprozesse. Dies sind einmal der Dienstleistungsansatz der Kommunen und eine verstärkte Kundenorientierung. Die Einrichtung zentraler Anlaufstellen wie Bürgerbüros könnte auch für die Belange von Migrantinnen und Migranten genutzt werden. Ein weiterer Ansatzpunkt ist im Personalmanagement und der Personalentwicklung zu sehen. Mit der Einbindung von interkulturellen Öffnungsprozessen in Personalentwicklungskonzepte kann viel erreicht werden, wobei die Entwicklung allerdings langfristig zu sehen ist. Zudem sind Weiterbildungsangebote sowohl auf der Mitarbeiter- als auch auf der Führungsebene notwendig. Als besonders wichtig erweisen sich spezielle Auswahlverfahren für Front-Office-Mitarbeiter, die im direkten Kontakt zu Migrantinnen und Migranten stehen.

Die Nutzung der Potenziale von Zuwanderern kann zudem ein Teil der Lösung kommunaler Probleme sein. Interkulturelle Öffnung ist als Aufgabe zu verstehen, für die es Verbündete braucht, auch durch die Kommunikation kommunaler Öffnungsprozesse in der Bevölkerung. Netzwerkbildung, wie die Einbindung von Migrantenorganisationen, unterstützt interkulturelle Öffnungsprozesse. Interkommunale Kooperationen, wie Städtepartnerschaften, können eine weitere Unterstützungsfunktion bieten.

Auf landespolitischer Ebene erscheint eine Aufnahme des Themas „Interkulturelle Öffnung“ in die politische Agenda besonders wichtig. Dies kann auch Kommunen dazu motivieren, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Das Land ist gefordert, den Rechtsrahmen zu schaffen und die Entwicklung von Programmen voranzutreiben. Ein weiterer Akteur im Prozess interkultureller Öffnung ist die Ebene der Kommunalaufsicht. Insgesamt gibt es viele Anknüpfungspunkte, bestehende Reformen und Prozesse zu nutzen, um interkulturelle Öffnung in den Kommunen voranzutreiben.

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