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Kreativwirtschaft: Impulse für die Stadtentwicklung

Artikel vom 27.11.2008

Die „kreative Stadt“ wird international als urbanes Entwicklungsleitbild debattiert. Auch außerhalb der großen Metropolen können von einer gezielten Öffnung kreativer Räume wichtige Impulse für die Stadtentwicklung ausgehen.

Das ökonomische Potential der Kulturwirtschaft

Kreativität und Kultur gelten als zentrale Faktoren der Attraktivität von Städten, und auch das ökonomische Potenzial von Kulturschaffenden und Gründern in der Kulturwirtschaft ist zunehmend in den Blickpunkt gerückt. Die hohe Bedeutung der Kulturwirtschaft leitet sich dabei aus der Neubewertung der Qualitäten der Stadt ab: Verdichtete, gemischte, lebendige innenstadtnahe Quartiere in attraktiven Großstädten rücken verstärkt in den Fokus standortsuchender Unternehmen insbesondere aus dem Bereich hochwertiger Dienstleistungen.

Kulturwirtschaft gilt als eine der Zukunftsbranchen Europas. Kultur ist im letzten Jahrzehnt zu einem immer bedeutenderen Standortfaktor für die Entwicklung europäischer Städte und Stadtregionen geworden. Der Wertschöpfungsanteil der Kulturwirtschaft bzw. der „kreativen Industrien“ steigt vor allem in den Großstädten und weist zum Teil höhere Zuwachsraten als die Wirtschaft insgesamt auf. Dabei ist die Kulturwirtschaft wie die traditionelle Wirtschaft insgesamt konjunkturellen Schwankungen unterworfen.

Auch in Hessen ist die Kulturwirtschaft ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Sie trug im Jahr 2006 mit ca. 17 Mrd. Euro rund 4 % zum Umsatz der Gesamtwirtschaft bei. Ihr Umsatz liegt höher als beispielsweise der des ansässigen Fahrzeugbaus. Innerhalb der hessischen Kulturwirtschaft hatten vor allem kreative Bereiche wie Werbung, Design und Architektur einen erheblichen Anteil am Umsatzwachstum des Jahres 2006. Dieses betrug gegenüber dem Vorjahr +7,5 % und lag damit einen halben Prozentpunkt über dem Umsatzwachstum der Gesamtwirtschaft. Auch für den hessischen Arbeitsmarkt sind die rund 120.000 Erwerbstätigen der Kulturwirtschaft eine relevante Größe: Dies sind 4 % der Erwerbstätigen Hessens. Dabei steigt der Anteil der selbständigen Künstler und Freischaffenden seit Jahren, wogegen die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zurückgeht.

Die öffentliche Wirtschaftsförderung ist sehr bemüht, Arbeitsräumlichkeiten für Gründer im gewerblichen Bereich bereitzustellen, zum Beispiel in Form von Technologie- und Gründerzentren. Die Anforderungen von Gründern aus der Kulturwirtschaft oder „Kreativszene“ stehen noch nicht im gleichen Maße im öffentlichen Blickfeld. Einer technologieorientierten Produktion werden per se innovative Effekte für die Gesamtwirtschaft unterstellt, der von Kulturproduktion ausgehende kreative Impuls – als Voraussetzung jeglicher Art von Innovation – wird dagegen erst zögerlich anerkannt. Der Imagegewinn durch Kulturproduktion in der Region, in der Stadt und in ihrem unmittelbaren räumlichen Umfeld ist hingegen akzeptiert.

Längst werben Städte und Regionen mit ihrer kulturellen Infrastruktur, ihren kulturellen Events und ihrem kulturellen Milieu bei der Akquisition neuer Investoren und qualifizierter Arbeitskräfte. Herausragende Kultureinrichtungen wie das Guggenheim Museum in Bilbao konnten etwa dem Aufschwung einer ganzen Region zentrale Impulse geben. In Hessen sind zum Beispiel die documenta in Kassel, die Frankfurter Buchmesse oder das Rheingau Musik Festival Kulturereignisse von großer regionalwirtschaftlicher Bedeutung. Kulturelle Einrichtungen und Veranstaltungen tragen zur internationalen Ausstrahlung eines Standorts bei und können das Image einer ganzen Stadt oder eines bestimmten Stadtteils prägen. Das gilt gleichermaßen für den etablierten Kulturbetrieb wie für die „junge kreative Szene“.

Typische Entwicklungsprozesse von „Kreativquartieren“

Vor allem diese jungen Kreativen sind in der Lage, einen typischen Entwicklungsprozess in Gang zu setzen: Auf der Suche nach preiswertem Arbeits- und Wohnraum ziehen Kulturschaffende in vernachlässigte Viertel und „kolonisieren“ diese mit Ateliers und informellen Ausstellungsräumlichkeiten. Es folgen Galeristen, Grafiker, Filmemacher, Architekten, Möbel- und Modedesigner, Gründer in Kunsthandwerk und Dienstleistungen, begleitet von ergänzender Infrastruktur wie Kneipen, Bistros und Clubs. Schließlich siedeln sich auch Restaurants gehobener Kategorie an. Developer auf der Suche nach lukrativen Investitionsmöglichkeiten entdecken den Standort und der öffentliche Kulturbetrieb hält Einzug ins Quartier. Das Image des Viertels und die Struktur der Wohnbevölkerung wandeln sich entsprechend.

Augenfälliges Beispiel ist New York mit den Szenequartieren Soho und Tribeca. Ähnliche Gebiete sind aus London, Paris, Berlin, Hamburg und München bekannt. So kann die zunächst durch niedrige Mieten ausgelöste „Besiedlung“ vernachlässigter Stadtquartiere durch Akteure der kreativen Szene und der Kulturwirtschaft regelrechte Aufwertungsprozesse in Gang setzen, von denen die kommunale Entwicklung idealerweise profitiert. Öffentliche Kulturförderung kann in diesem Kontext auch als Zukunftsinvestition gesehen werden.

Die infolge des demografischen und wirtschaftsstrukturellen Wandels zunehmende Mindernutzung oder sogar das Brachfallen von Teilflächen in Stadtquartieren und die damit verbundene Vernachlässigung von Bausubstanz und öffentlichem Raum bieten einer kulturwirtschaftlichen Nutzung Potenziale. Gebäude und Freiflächen werden aufgelassen und in der Folge finden sich keine oder nach klassischem Verständnis eher problematische Nachnutzungen. Durch kostenaufwändige Abbruch- und Umbaumaßnahmen werden von den Kommunen häufig traditionelle Nutzungen wie Wohn- oder Büronutzungen angestrebt, gleichzeitig werden die Potenziale der Brachen und aufgelassenen Liegenschaften für alternative oder andersartige Nutzungsstrukturen zu selten erkannt. Aufgelassene Gebäude und Freiflächen bieten aber – wie die Beispiele Berlin und Frankfurt am Main zeigen – gute Standortvoraussetzungen für kulturwirtschaftliche Nutzungen. Durch Strategien, die solche Nutzungen zulassen, könnten dynamische Entwicklungen induziert werden.

Impulse für die Stadtentwicklung durch gezielte Öffnung kreativer Räume

Von einer gezielten Öffnung kreativer Räume können wichtige Impulse für die Stadtentwicklung ausgehen. Die „Inbesitznahme“ von leer stehenden Einzelgebäuden, Gewerbebrachen oder ganzen Quartieren durch junge Kulturschaffende lässt kreative Milieus entstehen, die mit der Stadtentwicklung vielfältige Wechselbeziehungen eingehen. Die Ausstrahlung der ganzen Stadt wird positiv beeinflusst. Vor allem Stadtquartiere profitieren durch soziale und ökonomische Stabilisierung. Kreative Pioniere der Kulturwirtschaft befördern die Stadtentwicklung auch dadurch, dass sie sich im Vorfeld öffentlicher wie privater Standortentwicklungen Räume aneignen und umformen und so zur Aufwertung und Imageverbesserung dieser Standorte beitragen. Umgekehrt kann das Ermöglichen dieses Aneignens und Umformens von Räumen wie eine Gründer- und Unternehmensförderung für die junge Kulturwirtschaftsszene wirken.

Vom positiven Image der kleinen Kulturwirtschaft profitiert zwar die Standortwerbung, ihr ökonomisches Potenzial ebenso wie ihre Nöte und unzureichenden Rahmenbedingungen sind aber noch nicht überall erkannt.  Das „Ermöglichen“ temporärer Flächen- und Raumnutzungen bietet große Entwicklungschancen für die kleine Kulturwirtschaft. Es sollte daher als flexibles Instrument der Förderung von Kulturwirtschaft sowie zur Vermeidung von Leerstand genutzt werden. Zugleich befördert dies die Entwicklung einer neuen, situativen Urbanität. Sehr hilfreich ist dabei der Umstand, dass Mittel der Städtebauförderung gezielt dafür eingesetzt werden können, leer stehende Gebäude und Räumlichkeiten als preiswerte Ateliers, Werkstätten oder Arbeitsräume für die Akteure der kleinen Kulturwirtschaft herzurichten.

Auch im ländlichen Raum bzw. in Regionen mit schrumpfender Bevölkerung können Kulturschaffende und Kleinstunternehmen der Kulturwirtschaft als Impulsgeber von nachhaltiger Ortsentwicklung wirken, ohne dass eine Mindestanzahl an Akteuren gegeben sein muss. Auch hier wird noch zu selten das Potenzial von Kultur zum Nutzen der regionalen Entwicklung gesehen.

Aber: Kreative Milieus sind nicht zu verwechseln mit so genannten Clustern, die sich an der Wertschöpfungskette orientieren und durch gezielte Ansiedlung von Betrieben realisiert werden können. Kreative Milieus können nicht geplant werden, sie entstehen von selbst und können allenfalls „gepflegt“ werden.

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