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Gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen

Artikel vom 14.11.2013

Inwieweit und in welchem Maße sollen Unternehmen und Organisationen gesellschaftliche Verantwortung übernehmen? Die Schader-Stiftung erwägt, das Thema CSR – Corporate Social Responsibility –  aufzugreifen und im Dialog zwischen Wissenschaft und Praxis zu bearbeiten. Von Kirsten Mensch

Ein Gespräch zur Rolle der Gesellschaftswissenschaften in der Debatte um Corporate Social Responsibility

In einem Vorgespräch erörterte die Schader-Stiftung mit einem kleinen Kreis von Wissenschaftlern übergeordnete Fragen, die das Verhältnis zwischen Gesellschaftswissenschaften und dem Praxisfeld der Wirtschaft bzw. der Unternehmen betreffen. Am 10. September 2013 traf sich der Kreis im Schader-Forum in Darmstadt. Teilgenommen an diesem ersten Gespräch haben:

  • Prof. Dr. Thomas Beschorner, Direktor des Instituts für Wirtschaftsethik an der Universität St. Gallen
  • Prof. Stefan Heinemann, Prorektor und Professor für Wirtschaftsethik und Public Management, FOM Hochschule für Ökonomie und Management, Essen
  • Dr. Christian Neuhäuser, Studienleiter und Dozent, Universität Luzern
  • Prof. Dr. Wolfgang Stark, Professor für Organisationspsychologie und Organisationsentwicklung an der Universität Duisburg-Essen

und seitens der Schader-Stiftung:

  • Sebastian Fellner, wissenschaftliche Hilfskraft
  • Alexander Gemeinhardt, Vorstandsvorsitzender
  • Dr. Kirsten Mensch, wissenschaftliche Referentin
  • Alois M. Schader, Stifter
  • Günther Teufel, Kurator

Weitere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben sich interessiert gezeigt, konnten jedoch aus terminlichen Gründen nicht an dem kurzfristig anberaumten Gespräch teilnehmen.

Mehrere Fragen führten in das Gespräch ein:

  • Wie wirken Gesellschaftswissenschaften auf die Wirtschaft?
  • Welchen Einfluss üben Gesellschaftswissenschaften darauf aus, dass Unternehmen sich einer gesellschaftlichen Verantwortung stellen?
  • Welchen Einfluss haben die Wissenschaften auf die politischen Rahmenbedingungen unternehmerischen Handelns?
  • Und von der anderen Seite betrachtet: Was muss Wissenschaft leisten, damit sie für Unternehmen attraktiv ist?
  • Wo bestehen tatsächliche Kontakte?

Wirkung der Wissenschaften auf die Unternehmen

Die Wissenschaft hat sich ausgiebig mit der Thematik der „Corporate Social Responsibility“ (CSR) von Unternehmen befasst, aber die Wirkung in der Welt der Unternehmen scheint eher ernüchternd zu sein. Nach der Einschätzung von Wolfgang Stark gibt es nur wenige Unternehmen, die ernsthaft CSR betreiben. Zugleich konstatieren die am Gespräch teilnehmenden Wissenschaftler ein Forschungsdefizit, was aussagekräftige empirische Analysen angeht. Es fehlen belastbare Ergebnisse zu den „outcomes“ von CSR-Aktivitäten in Deutschland und europaweit. Die meisten Studien greifen auf einzelne Fallbeispiele zurück. Umfassende Evaluationen gibt es zu wenig. Zudem, beklagt Christian Neuhäuser, ist es der Wissenschaft nicht gelungen, den Unternehmen Material in die Hand zu geben, um CSR prominent zu machen. Auf Nachfrage, ob es sich hierbei um eine Bringschuld der Wissenschaft oder eine Holschuld der Unternehmen handelt, platziert er durchaus die Hauptverantwortung bei der Wissenschaft. Die CSR-Debatte wurde wissenschaftsintern zu stark nach eigener Logik geführt. Sinnvoll wäre ein Mediator, der hilft, die Ergebnisse und Erfahrungen der Wissenschaft in die Praxis zu tragen.

Trotzdem sind Fortschritte beim gesellschaftlichen Engagement von Unternehmen erkennbar. In den letzten fünf bis sieben Jahren nehmen sich vor allem Großunternehmen des Themenfelds CSR an. Ausgangspunkt ist hierbei sicherlich ein gewisser Legitimationsdruck, den Öffentlichkeit und Kunden aufbauen. Dieser führte zu einer Professionalisierung der Verantwortungsübernahme im gesellschaftlichen Kontext. Es entstehen CSR-Abteilungen, werden Stellen geschaffen und entsprechende Mitarbeiter eingestellt bzw. für diesen Bereich ausgewiesen. Die Art der Organisation des neuen Aufgabenbereichs innerhalb eines Unternehmens und die Ansiedlung in entsprechenden Abteilungen (von der Personal- über die Kommunikationsabteilung bis hin zum Vorstand selbst) bewirkt eine jeweils unterschiedliche Ausprägung des unternehmerischen Engagements.

Deutlich wird die Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung auch bei mittelständischen Unternehmen. Wobei sich die Runde einig ist, dass man mittelständische Unternehmen und Großunternehmen in der Frage der gesellschaftlichen Verantwortung nicht über einen Kamm scheren darf. Viele der kleineren Unternehmen sehen „schon immer“ ihre Verantwortung für das sie umgebende Gemeinwesen. Wichtig ist, so verdeutlicht Thomas Beschorner, die Diskussion nicht auf betriebswirtschaftliche Faktoren zu reduzieren, sondern die Unternehmensverantwortung ernst zu nehmen. Die Unternehmen leisten durchaus etwas für die Gesellschaft, selbst dann, wenn dieses Engagement nicht nachweisbar zu einer erhöhten Wertschöpfung führt. Zwei Typen mittelständischer Unternehmen unterscheidet er: 1. jene Unternehmerfamilien oder -persönlichkeiten, die ihr Engagement als „Dienst am Menschen“ ansehen, sich somit durch eine Gemeinwesenorientierung auszeichnen, 2. jene Unternehmen, die sich auf „qualitätsbewusstes Nachdenken“ stützen und z. B. ihre Zulieferketten entsprechend überwachen.

Naheliegend nach diesen Ausführungen ist die Frage nach der Rolle einzelner Personen, die als Unternehmenseigner, als Vorstand oder auch als Mitarbeiter das gesellschaftliche Engagement eines Unternehmens vorantreiben können. Müssten diese Personen nicht mehr Unterstützung erfahren? Ja, man braucht derartige Pioniere, ist die einhellige Antwort aus der Runde. Aber ebenso braucht man die richtigen Institutionen, Prozesse und Strukturen, sonst kann sich ein einzelner innerhalb eines Unternehmens nicht durchsetzen. Es geht letztlich nicht nur um eine Unternehmerethik, sondern um eine Unternehmensethik. Die Organisationsstruktur spielt eine entscheidende Rolle. Sie sollte dazu führen, so Stefan Heinemann, dass die Menschen keine Angst vor Verantwortungsübernahme haben müssen.

Eine große Rolle hierbei spielen die gesetzten Rahmenbedingungen. Dabei handelt es sich nicht nur um politisch gesetzte Konditionen, sondern ebenso solche der jeweiligen Branche. Auch Unternehmerverbände haben einen großen Einfluss. Die Kontextbedingungen, unter denen Unternehmen agieren, sind komplexer geworden. Zudem hält sich jedes Unternehmen für hochspeziell, sucht, wie Stefan Heinemann verdeutlicht, nach seinem „unique selling point“.

Integrativer Ansatz der Unternehmensverantwortung

Ein Ansatz besteht darin, Unternehmen in Strukturen neuer Verantwortung vor Ort zu integrieren. Zielsetzung ist, dass sich Unternehmen gemeinsam mit anderen Akteuren – seien es Vertreter aus Politik und Verwaltung, der Zivilgesellschaft oder anderer Unternehmen – für die Lösung von Problemen im lokalen oder regionalen Kontext einbringen. Um den heutigen Herausforderungen vor Ort gerecht zu werden, sind – so lautet die Argumentation – neue gemeinsame Wirkungsstrukturen und Regelungsmechanismen neben der Entscheidungsfindung durch gewählte Bürgervertreter zu konstruieren. Auch wenn dieser Ansatz der Koproduktion von Gemeinwohl auf Interesse und Wohlwollen im Kreis der anwesenden Wissenschaftler stößt, gibt Thomas Beschorner den Hinweis, eher auf einen integrativen Ansatz der unternehmerischen Verantwortung zu setzen. Es geht nicht so sehr darum, wie Unternehmen gemachte Gewinne ausgeben, sondern wie diese Gewinne gemacht werden. Statt einer nachträglich ins Spiel kommenden CSR-Strategie sollte es im Sinne eines integrativen Ansatzes darum gehen, von Anfang an die unternehmerische Verantwortung mitzudenken und umzusetzen. Das beginnt bei den ökologischen und sozialen Bedingungen bei Zulieferern, führt sich fort in den Herstellungs- und Transportprozessen ebenso wie im Umgang mit dem eigenen Personal etc. Die unternehmerische Verantwortung sollte nicht einfach „dran geklebt“ sein, wie es oftmals bei unternehmenseigenen Stiftungen der Fall ist. Dies erinnert zu sehr an „green washing“ im Sinne eines nachträglich aufgetragenen ökologischen Anstrichs oder an „blue washing“ im Sinne der vorgeblichen Einhaltung einer globalen Wertekultur.

Lässt sich dieser integrative Ansatz vereinbaren mit der Vorstellung, dass Unternehmen z.B. an ihrem Stammsitz lokales Engagement entwickeln? Er lässt sich, so versichert Thomas Beschorner. Zum Beispiel mit sinnvoll gestalteten Einsätzen des „corporate volunteering“, die in zivilgesellschaftliche Bereiche einwirken und zugleich der Organisationsentwicklung des Unternehmens dienen. Wichtig bei solchen Aktionen ist die Gestaltung der Beziehung zwischen den Vertretern des Unternehmens und den gemeinwohlorientierten Einrichtungen, die vom „corporate volunteering“ profitieren sollen. Wolfgang Stark berichtet von wohlmeinenden Unternehmensvertretern, die es nicht schaffen, auf Augenhöhe mit den gemeinwohlorientierten Einrichtungen zusammenzuarbeiten. Nur wenn ein freiwilliger Einsatz zu Kontakten auf Augenhöhe führt, ist beidseitiges Lernen möglich. Auch hier wäre der Einsatz einer Mediation sinnvoll. Entsprechende Agenturen, die dies anbieten, gibt es bereits.

Solche Agenturen bieten Kontakte und Schnittstellen zwischen Unternehmen und zivil­gesellschaftlichen Organisationen an. Diese Kontakte fehlen oftmals Unternehmen, die sich vor Ort engagieren wollen. Hochschulen stellen gelegentlich solcherlei Daten zur Verfügung, wie es Stefan Heinemann mit dem CSR-Atlas in Nordrhein-Westfalen getan hat. Auch zwischen Unternehmen mangelt es an Möglichkeiten und Raum zum gegenseitigen Austausch.

Wie wirken Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Gesellschaft und Unternehmen hinein?

Neben der Forschung besteht eine große Aufgabe der Wissenschaftler in der Lehre: somit in der Ausbildung der kommenden Belegschaft von Unternehmen. Darüber wirkt die Wissenschaft in die Wirtschaft hinein. Inwieweit wirtschaftsethische Grundausbildungen im Studium allerdings tragen, wenn die jungen Menschen später in den Zwängen und Erwartungen innerhalb eines Unternehmens stecken, ist fraglich. Als sinnvoll erweisen sich Programme, die das Thema der Verantwortungsübernahme erfahrbar machen, wie etwa „Service Learning“. Hier verbindet sich für Schülerinnen, Schüler und Studierende praktisches Engagement mit fachlichem Lernen. Auch nach Ausbildungsende lassen sich ähnliche Erfahrungen noch sammeln: Das Programm „Seitenwechsel“ richtet sich als Persönlichkeitstraining an Führungskräfte aus Unternehmen, die eine Woche lang in sozialen Einrichtungen mitarbeiten.

Neben der Ausbildung zukünftiger Fachkräfte ist auch ein Wirken in die Gesellschaft hinein wünschenswert. Als „public intellectual“können sich die Wissenschaftstreibenden über die Medien an die Interessierten in der Öffentlichkeit wenden. Offenkundig wird in den Medien der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen in den letzten Jahren eine höhere Aufmerksamkeit zuteil. Allerdings hat das auch seine Kehrseiten. Oftmals bitten die Medien nach Skandalen, in die Unternehmen verwickelt sind, um Interviews und Stellungnahmen. Diese sollen dann – der Medienlogik folgend – der weiteren Skandalisierung und der Sensationshascherei dienen. Fast wird den Wissenschaftlern von den Journalisten der gewünschte Inhalt in den Mund gelegt, berichtet einer der Teilnehmer des Gesprächs. Besser wäre daher, die Rolle des „public intellectual“ durch eigene Artikel in qualitätsvollen Zeitungen wahrzunehmen. Damit lässt sich eher die Aufgabe der Aufklärung der interessierten Öffentlichkeit erfüllen. Allerdings sind das Nutzen von Medien sowie Auftritte in der Öffentlichkeit nicht ohne Gefahren. Jeder sollte sich erst einmal fragen, ob er oder sie das auch kann. Ein schlecht laufender öffentlicher Auftritt kann im schlimmsten Falle die Karriere ruinieren.

Eher im üblichen wissenschaftlichen Arbeitsbereich verorten sich Publikationen. Gesellschaftlich wirksam sind dabei vor allem jene, die sich in Sprache und Duktus und dem Ort des Veröffentlichens nicht ausschließlich an die wissenschaftlichen Kolleginnen und Kollegen richten. Ein Beispiel dafür bilden die von Thomas Beschorner mitinitiierten CSR-News im Internet bzw. das CSR-Magazin als Printausgabe. Explizit wenden sich die beiden Angebote an CSR-Verantwortliche und CSR-Interessierte aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft.

Der Möglichkeit der direkten Beratung von Unternehmen in Sachen CSR stehen die Gesprächsteilnehmer eher ablehnend gegenüber. Das würde die natürliche, kritische Distanz des Wissenschaftlers gefährden. Eher sehen die Wissenschaftler die Zurverfügungstellung von Vokabular als ihre Aufgabe an, das, wie Christian Neuhäuser betont, durchaus normativen Charakter haben darf.

Weiterführung des Projekts „Gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen“

Die Schader-Stiftung erwägt, das Thema der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen weiter zu entwickeln. In Fachgesprächen zwischen Wissenschaftlern und Vertretern von Unternehmen sowie von intermediären Organisationen sollen Aspekte der Gemeinwohlorientierung von Unternehmen aufgegriffen und diskutiert werden. Für die geplante Weiterführung der Thematik in der Schader-Stiftung geben die Wissenschaftler folgende Ratschläge:

  • Das Thema darf nicht zu sehr von den Wissenschaften her gedacht sein. Entscheidend ist die Verortung im lebensweltlichen Kontext der Unternehmen.
  • Die Unternehmen sollten entsprechend ausgewählter Kriterien eingeladen werden: entweder alle aus einer Region stammend, einer Branche angehörend oder mit einer bestimmten CSR-Strategie arbeitend.
  • Das Thema „Mittelstand“ wäre spannend, da es hierzu noch wenige Erkenntnisse gibt.
  • Auch das von der Stiftung gesetzte Thema der Koproduktion von Gemeinwohl ist interessant. Zu fragen ist hierbei, wie trilaterale oder multilaterale Zusammenarbeit im Sinne von „corporate social innovations“ möglich ist.
  • Die Frage, wie Gewinne erwirtschaftet werden, also der Ansatz des „lebensdienlichen Wirtschaftens“, ist als Metathema zu verstehen. Dies könnte sich aus anderen Themen heraus entwickeln.
  • Als Format einer Veranstaltung zu diesem Themenfeld könnte eine Anlehnung an die Methode des World Cafés sinnvoll sein.
  • Als sehr nützlich haben sich Tandems aus einem Wissenschaftler und einem Unternehmensvertreter für Inputs erwiesen.

Die Autorin: Dr. Kirsten Mensch ist Politikwissenschaftlerin und seit 2000 Wissenschaftliche Referentin der Schader-Stiftung.

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